KINO | 08.01.2025

Robert Eggers’ NOSFERATU – DER UNTOTE ist die Geschichte einer Obsession, die mit alles verzehrender Leidenschaft unvorstellbares Grauen entfacht. Das Drehbuch für die Neuinterpretation des Horror-Klassikers stammt von Robert Eggers, der auch Regie führt.

von Richard-Heinrich Tarenz


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Der junge Thomas Hutter (Nicholas Hoult) wird von seinem Arbeitgeber auf die lange Reise nach Transsylvanien geschickt. Hier soll er zum finsteren Schloss des geheimnisvollen Grafen Orlok (Bill Skarsgard) reisen, um mit ihm zusammen den Kauf einer Immobilie abzuschließen. Doch Graf Orlok verhält sich ziemlich merkwürdig und in seinem Schloss scheint obendrauf nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen. Irgendwann scheint für den skeptischen Thomas klar, dass der Graf kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern vielmehr ein bedrohliches Wesen der Nacht. Graf Orlok hat es zu allem Überfluss auch noch auf Thomas' Ehefrau Ellen (Lily-Rose Depp) abgesehen und macht sich deshalb schon bald mit Sack und Pack auf, um die junge Frau endgültig in seinen teuflischen Bann zu ziehen.

Robert Eggers, der Meister des atmosphärischen Grauens, wagt sich mit „Nosferatu – Der Untote“ an eine Neuinterpretation eines Eckpfeilers des Horrorkinos. Friedrich Wilhelm Murnaus expressionistisches Meisterwerk von 1922 dient als Ausgangspunkt für eine düstere Reise in die Tiefen menschlicher Ängste und Obsessionen. Doch Eggers schafft es, dem Stoff eine eigene, unverkennbare Handschrift zu verleihen und so ein Werk von beklemmender Schönheit und tiefem Schrecken zu erschaffen. Wie schon in seinen vorherigen Filmen erweist sich Eggers als ein Meister der visuellen Gestaltung. Die Bilder sind von einer beinahe alptraumhaften Qualität, durchzogen von tiefen Schatten und harschem Licht, die die beklemmende Atmosphäre des Films unterstreichen. Die detailgetreue Ausstattung und die Kostüme lassen das 19. Jahrhundert auf beunruhigende Weise lebendig werden. Die Farbpalette ist entsättigt, fast monochrom, was dem Film eine zeitlose und zugleich unheimliche Aura verleiht. Man könnte meinen, die Bilder selbst atmen den Moder der Vergangenheit. Bill Skarsgård verkörpert Graf Orlok mit einer Intensität, die unter die Haut geht.


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Anders als Max Schreck in der Originalversion ist Skarsgårds Orlok nicht nur eine monströse Erscheinung, sondern auch eine tragische Figur. Seine Bewegungen sind schleichend und unnatürlich, sein Blick von einer tiefen Melancholie durchzogen. Er ist nicht nur der personifizierte Tod, sondern auch ein gequälter Geist, gefangen in der Ewigkeit seines untoten Daseins. Die Maske und die Special Effects sind meisterhaft und verleihen Orlok ein wahrhaft verstörendes Aussehen, das den Zuschauer unwillkürlich erschaudern lässt. Lily-Rose Depp verkörpert Ellen Hutter mit einer fragilen Stärke. Ihre Darstellung ist von einer tiefen Verletzlichkeit und zugleich einem unerschütterlichen Mut geprägt. Sie ist das Zentrum des moralischen Konflikts im Film, hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu ihrem Mann und dem Schrecken, der sie umgibt. Ihre innere Zerrissenheit spiegelt sich in ihrem blassen Antlitz und ihren angstvollen Blicken wider. Nicholas Hoult spielt Thomas Hutter als einen Mann, der von Ehrgeiz und Naivität getrieben wird. Seine Reise nach Transsilvanien wird zu einem Abstieg in die Hölle, in der er mit den dunkelsten Seiten der menschlichen Natur konfrontiert wird.

Hoult verkörpert die wachsende Verzweiflung und Ohnmacht seiner Figur auf eindringliche Weise. Eggers inszeniert „Nosferatu – Der Untote“ mit einer bewussten Langsamkeit, die dem Film eine beklemmende Intensität verleiht. Er nimmt sich Zeit, die Atmosphäre aufzubauen, die Charaktere zu entwickeln und den Schrecken langsam aufsteigen zu lassen. Die Inszenierung ist von einer tiefen Ehrfurcht vor dem Original geprägt, ohne dabei in blinde Nachahmung zu verfallen. Vielmehr gelingt es Eggers, die Essenz von Murnaus Meisterwerk einzufangen und sie mit seiner eigenen Vision zu verbinden. „Nosferatu – Der Untote“ ist mehr als nur ein Horrorfilm. Er ist eine Auseinandersetzung mit den Urängsten der Menschheit: dem Tod, der Krankheit und dem Unbekannten. Der Film thematisiert auf subtile Weise auch gesellschaftliche Ängste und Vorurteile, die in der Zeit seiner Entstehung virulent waren. So wird der Vampir nicht nur als blutrünstiges Monster dargestellt, sondern auch als Metapher für das Fremde und Bedrohliche.


NOSFERATU - DER UNTOTE

Start: 02.01.25 | FSK 16
R: Robert Eggers | D: Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Bill Skarsgård
USA 2024 | Universal Pictures Germany


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