Matthias
arbeitet in einer Rent-a-Friend-Agentur, bei der man für verschiedenste
Zwecke Freunde mieten kann. Beispielsweise als kultivierten Partner
um den Freundeskreis zu beeindrucken, als perfekten Sohn um die Meinung
von Geschäftspartnern zu beeinflussen oder als Gegenüber,
um einen Streit zu proben.
Matthias
(Albrecht Schuch) ist der Gründer und Leiter einer erfolgreichen
Agentur für das Vermieten von Menschen. Die Agentur bietet eine
Vielzahl von Dienstleistungen an, die von Begleitung bei öffentlichen
Auftritten bis hin zur Manipulation von anderen reichen. Matthias
ist ein Meister darin, in jede Rolle zu schlüpfen, die von ihm
erwartet wird – und das ohne Mühe. Doch obwohl er in seinem
Job so erfolgreich ist, ist er außerhalb seiner Arbeit verloren
und unfähig, echte Gefühle zu empfinden. Als seine Freundin
Sophia (Julia Franz Richter) ihn verlässt, beschließt Matthias,
sich auf die Suche nach sich selbst zu begeben. Diese Suche löst
eine Kette von chaotischen und absurden Ereignissen aus, die ihn dazu
bringen, sich ernsthaft mit seinem Leben auseinanderzusetzen.
In
der schillernden Welt des Films, wo Realität und Fiktion oft
in einem schmalen Grat balancieren, präsentiert uns der österreichische
Regisseur Bernhard Wenger mit seinem Langfilmdebüt „Pfau
– Bin ich echt?“ eine fesselnde und zugleich verstörende
Auseinandersetzung mit der Natur des Selbst im Zeitalter des Kapitalismus.
Der Protagonist Matthias, meisterhaft verkörpert von Albrecht
Schuch, ist ein Mann, dessen Existenz sich in einem ständigen
Spiel der Maskerade verliert. Sein Beruf zwingt ihn dazu, immer wieder
neue Identitäten anzunehmen, was ihn letztlich zu einem Schatten
seiner selbst werden lässt – ein Fake in einer Welt voller
Fakes.
Wenger
eröffnet sein Werk mit einer eindrucksvollen Szene: Ein Golfcart
wird in Flammen gesetzt, nur um den Protagonisten als vermeintlichen
Helden inszenieren zu können. Diese groteske Darstellung des
menschlichen Strebens nach Anerkennung und Perfektion setzt den Ton
für die satirische Erzählung, die sich durch den gesamten
Film zieht. Der Humor ist beißend und ungeschönt; er entblößt
die Absurditäten unserer modernen Gesellschaft und den Druck,
dem Individuen ausgesetzt sind, um in der Öffentlichkeit zu glänzen.
Während die ersten Szenen in diesem Film mit spritzigem Witz
und scharfer Beobachtungsgabe aufwarten, beginnt das Szenario bald
zu stagnieren. Matthias’ innere Zerrissenheit und seine Abwärtsspirale
werden zwar eindringlich dargestellt, doch die erzählerische
Dynamik droht sich zu erschöpfen.
Die
visuelle Gestaltung des Films trägt zur verstörenden Atmosphäre
bei. Matthias’ sterile Wohnung wird zum Schauplatz seiner inneren
Konflikte; sie strahlt eine unheimliche Kälte aus, verstärkt
s
durch düstere Gänge und einen tropfenden Boiler. Diese Horrorbilder
fungieren als Metaphern für die Bedrohung, die von der äußeren
Welt ausgeht – eine Welt, in der Authentizität zur Seltenheit
geworden ist. Doch trotz dieser eindringlichen Bildsprache bleibt
das Spiel mit dem Horror im Hintergrund; es wird nie vollständig
Teil der kapitalismuskritischen Stoßrichtung der Satire. Besonders
bemerkenswert sind die Momente, in denen Wenger seinen schwarzen Humor
entfaltet. Eine Szene etwa zeigt den Absturz einer Influencerin, deren
Traumurlaub sich als bloße Inszenierung herausstellt –
ein plakativer Kommentar auf die Oberflächlichkeit unserer Zeit.
Solche
Einschübe erinnern an die scharfsinnigen Gesellschaftsanalysen
des zweifachen Goldene-Palme-Gewinners Ruben Östlund und verleihen
dem Film eine zusätzliche Dimension der Reflexion über unsere
gegenwärtige Realität. Ein weiterer Höhepunkt des Films
ist die Interaktion zwischen Matthias und einer charmanten Norwegerin
(brillant gespielt von Theresa Frostad Eggesbø). Hier scheint
sich für einen kurzen Moment ein Funke echter Emotionen zu entzünden.
Doch wie so oft im Leben des Protagonisten bleibt auch dieses Gefühl
flüchtig; nach einem vielversprechenden One-Night-Stand bricht
jeglicher Kontakt ab. Die Frage nach der Echtheit ihrer Verbindung
wird für Matthias zur obsessiven Paranoia: Wenn man selbst täglich
Fake-Charaktere kreiert, wie kann man dann noch Vertrauen in das haben,
was um einen herum geschieht?
„Pfau
– Bin ich echt?“ ist nicht nur eine Satire über den
Kapitalismus; es ist auch eine tiefgründige Untersuchung über
Identität und Authentizität im digitalen Zeitalter. Wengers
Film fordert uns heraus, über unsere eigenen Masken nachzudenken
und darüber, wie sehr wir bereit sind, uns selbst zu verlieren
im Streben nach gesellschaftlicher Akzeptanz. In einer Welt voller
Illusionen bleibt am Ende nur die Frage: Was ist wirklich? Und während
Matthias weiter in seiner Abwärtsspirale gefangen bleibt, wird
deutlich: Die Suche nach dem echten Selbst kann ebenso komisch wie
tragisch sein. Insgesamt gelingt es Bernhard Wenger mit „Pfau
– Bin ich echt?“, ein vielschichtiges Werk zu schaffen,
das sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Es ist ein
Film von bemerkenswerter Tiefe und Komplexität – ein Spiegelbild
unserer Zeit, das uns zwingt, innezuhalten und über unser eigenes
Dasein nachzudenken.
PFAU – BIN ICH ECHT?
Start:
20.02.25 | FSK 12
R: Bernhard Wenger | D: Albrecht Schuch, Julia Franz Richter,
Anton Noori
Österreich, Deutschland 2024 | Wild Bunch Germany