KINO | 19.02.2025

PFAU – BIN ICH ECHT?

Matthias arbeitet in einer Rent-a-Friend-Agentur, bei der man für verschiedenste Zwecke Freunde mieten kann. Beispielsweise als kultivierten Partner um den Freundeskreis zu beeindrucken, als perfekten Sohn um die Meinung von Geschäftspartnern zu beeinflussen oder als Gegenüber, um einen Streit zu proben.

von Richard-Heinrich Tarenz


© NGF_CALA_2024

Matthias (Albrecht Schuch) ist der Gründer und Leiter einer erfolgreichen Agentur für das Vermieten von Menschen. Die Agentur bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen an, die von Begleitung bei öffentlichen Auftritten bis hin zur Manipulation von anderen reichen. Matthias ist ein Meister darin, in jede Rolle zu schlüpfen, die von ihm erwartet wird – und das ohne Mühe. Doch obwohl er in seinem Job so erfolgreich ist, ist er außerhalb seiner Arbeit verloren und unfähig, echte Gefühle zu empfinden. Als seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter) ihn verlässt, beschließt Matthias, sich auf die Suche nach sich selbst zu begeben. Diese Suche löst eine Kette von chaotischen und absurden Ereignissen aus, die ihn dazu bringen, sich ernsthaft mit seinem Leben auseinanderzusetzen.

In der schillernden Welt des Films, wo Realität und Fiktion oft in einem schmalen Grat balancieren, präsentiert uns der österreichische Regisseur Bernhard Wenger mit seinem Langfilmdebüt „Pfau – Bin ich echt?“ eine fesselnde und zugleich verstörende Auseinandersetzung mit der Natur des Selbst im Zeitalter des Kapitalismus. Der Protagonist Matthias, meisterhaft verkörpert von Albrecht Schuch, ist ein Mann, dessen Existenz sich in einem ständigen Spiel der Maskerade verliert. Sein Beruf zwingt ihn dazu, immer wieder neue Identitäten anzunehmen, was ihn letztlich zu einem Schatten seiner selbst werden lässt – ein Fake in einer Welt voller Fakes.

Wenger eröffnet sein Werk mit einer eindrucksvollen Szene: Ein Golfcart wird in Flammen gesetzt, nur um den Protagonisten als vermeintlichen Helden inszenieren zu können. Diese groteske Darstellung des menschlichen Strebens nach Anerkennung und Perfektion setzt den Ton für die satirische Erzählung, die sich durch den gesamten Film zieht. Der Humor ist beißend und ungeschönt; er entblößt die Absurditäten unserer modernen Gesellschaft und den Druck, dem Individuen ausgesetzt sind, um in der Öffentlichkeit zu glänzen. Während die ersten Szenen in diesem Film mit spritzigem Witz und scharfer Beobachtungsgabe aufwarten, beginnt das Szenario bald zu stagnieren. Matthias’ innere Zerrissenheit und seine Abwärtsspirale werden zwar eindringlich dargestellt, doch die erzählerische Dynamik droht sich zu erschöpfen.


© NGF_CALA_2024

Die visuelle Gestaltung des Films trägt zur verstörenden Atmosphäre bei. Matthias’ sterile Wohnung wird zum Schauplatz seiner inneren Konflikte; sie strahlt eine unheimliche Kälte aus, verstärkt s
durch düstere Gänge und einen tropfenden Boiler. Diese Horrorbilder fungieren als Metaphern für die Bedrohung, die von der äußeren Welt ausgeht – eine Welt, in der Authentizität zur Seltenheit geworden ist. Doch trotz dieser eindringlichen Bildsprache bleibt das Spiel mit dem Horror im Hintergrund; es wird nie vollständig Teil der kapitalismuskritischen Stoßrichtung der Satire. Besonders bemerkenswert sind die Momente, in denen Wenger seinen schwarzen Humor entfaltet. Eine Szene etwa zeigt den Absturz einer Influencerin, deren Traumurlaub sich als bloße Inszenierung herausstellt – ein plakativer Kommentar auf die Oberflächlichkeit unserer Zeit.

Solche Einschübe erinnern an die scharfsinnigen Gesellschaftsanalysen des zweifachen Goldene-Palme-Gewinners Ruben Östlund und verleihen dem Film eine zusätzliche Dimension der Reflexion über unsere gegenwärtige Realität. Ein weiterer Höhepunkt des Films ist die Interaktion zwischen Matthias und einer charmanten Norwegerin (brillant gespielt von Theresa Frostad Eggesbø). Hier scheint sich für einen kurzen Moment ein Funke echter Emotionen zu entzünden. Doch wie so oft im Leben des Protagonisten bleibt auch dieses Gefühl flüchtig; nach einem vielversprechenden One-Night-Stand bricht jeglicher Kontakt ab. Die Frage nach der Echtheit ihrer Verbindung wird für Matthias zur obsessiven Paranoia: Wenn man selbst täglich Fake-Charaktere kreiert, wie kann man dann noch Vertrauen in das haben, was um einen herum geschieht?

„Pfau – Bin ich echt?“ ist nicht nur eine Satire über den Kapitalismus; es ist auch eine tiefgründige Untersuchung über Identität und Authentizität im digitalen Zeitalter. Wengers Film fordert uns heraus, über unsere eigenen Masken nachzudenken und darüber, wie sehr wir bereit sind, uns selbst zu verlieren im Streben nach gesellschaftlicher Akzeptanz. In einer Welt voller Illusionen bleibt am Ende nur die Frage: Was ist wirklich? Und während Matthias weiter in seiner Abwärtsspirale gefangen bleibt, wird deutlich: Die Suche nach dem echten Selbst kann ebenso komisch wie tragisch sein. Insgesamt gelingt es Bernhard Wenger mit „Pfau – Bin ich echt?“, ein vielschichtiges Werk zu schaffen, das sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Es ist ein Film von bemerkenswerter Tiefe und Komplexität – ein Spiegelbild unserer Zeit, das uns zwingt, innezuhalten und über unser eigenes Dasein nachzudenken.


PFAU – BIN ICH ECHT?

Start: 20.02.25 | FSK 12
R: Bernhard Wenger | D: Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori
Österreich, Deutschland 2024 | Wild Bunch Germany


AGB | IMPRESSUM