KINO | 17.07.2024

PARIS, TEXAS

Wie aus dem Nichts taucht in der sengenden Wüstenhitze zwischen den USA und Mexiko ein hagerer Mann auf, der einen dunklen Anzug und eine rote Baseballkappe trägt. Travis. Er trinkt den letzten Schluck aus seiner Wasserflasche, dann marschiert er unbeirrt weiter in die Ödnis, die bei den Einheimischen „The Devil’s Playground“ heißt. Travis mag kein Wort sprechen und sein Gedächtnis weitgehend verloren zu haben, doch er ist getrieben von dem Wunsch, seine Familie wiederzufinden.

von Franziska Keil


© Wim Wenders Stiftung

Ein halb verdursteter Mann (Harry Dean Stanton) irrt orientierungslos durch die texanische Wüste. Er hat scheinbar die Sprache verloren und wird von einem Provinz-Doc (Bernhard Wicki) in Devil’s Graveyard notdürftig und eher widerwillig betreut. Der Arzt alarmiert Travis’, so heißt der Fremde, Bruder Walt (Dean Stockwell), der aus dem fernen Los Angeles anreist, um seinen tot geglaubten Verwandten abzuholen. Auf dem Weg zurück findet Travis seine Sprache wieder. Walt und seine Frau Anne (Autore Clément) haben Travis’ mittlerweile siebenjährigen Sohn Hunter (Hunter Carson) aufgenommen und sind als Ersatzeltern eingesprungen. In Los Angeles angekommen, will sich Travis seinem Sohn emotional nähern. Und es gelingt ihm tatsächlich, eine Verbindung herzustellen. Beide begeben sich auf die Suche nach Jane (Nastassja Kinski), Travis’ Ex-Frau und Hunters Mutter.

Wim Wenders' "Paris, Texas" aus dem Jahr 1984 ist ein Film der leisen Töne und der großen Emotionen. Mit seinen poetischen Bildern, seinem melancholischen Soundtrack und seiner vielschichtigen Erzählung hat sich der Film zu einem Meisterwerk des Autorenfilms entwickelt und einen festen Platz in der Filmgeschichte erobert. "Paris, Texas" gewann 1984 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes und gilt als eines der bedeutendsten Werke des Neuen Deutschen Films. "Paris, Texas" ist nicht nur ein Roadmovie durch die karge Landschaft von Texas, sondern auch eine Reise durch die Landschaften der Erinnerung. Travis' Erinnerungsfragmente werden in Form von Polaroidfotos und Traumsequenzen erzählt, die die Fragilität und Vergänglichkeit der menschlichen Erinnerung verdeutlichen. Die Suche nach der Vergangenheit ist zugleich eine Suche nach Identität und Versöhnung. Wenders inszeniert "Paris, Texas" mit einer meisterhaften Ruhe und Präzision.

Die langen Kameraeinstellungen, die kargen Landschaften und die reduzierte Farbgebung erzeugen eine Atmosphäre von Melancholie und Sehnsucht. Die Musik von Ry Cooder unterstreicht die emotionale Tiefe des Films und trägt zu seiner poetischen Atmosphäre bei. "Paris, Texas" ist ein Film über die Suche nach Sinn und Geborgenheit im Leben. Es ist ein Film über die zerstörerische Kraft von Verlust und die heilende Kraft der Liebe. Der Film berührt universelle Themen wie Liebe, Verlust, Erinnerung und Vergebung und macht ihn zu einem zeitlosen Meisterwerk, das auch heute noch berührt und bewegt. "Paris, Texas" gilt als einer der bedeutendsten Filme des Neuen Deutschen Films. Der Film hat die deutsche Filmlandschaft nachhaltig geprägt und trug dazu bei, den deutschen Film auf der internationalen Bühne zu etablieren. Wenders' poetischer und zugleich realistischer Stil sowie seine Fähigkeit, komplexe Themen auf vielschichtige Weise zu verhandeln, haben ihn zu einem der einflussreichsten Regisseure seiner Generation gemacht.


PARIS, TEXAS

Wiederaufführung: 25.07.24 | FSK 6
R: Wim Wenders | D: Harry Dean Stanton, Nastassja Kinski, Hunter Carson
Frankreich, Deutschland, Großbritannien, USA, BRD 1984 | StudioCanal Deutschland



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