Charlie
Heller ist ein brillanter, aber stark introvertierter Decoder für
die CIA, der in einem Kellerbüro am Hauptsitz in Langley arbeitet.
Sein Leben gerät aus den Fugen, nachdem seine Frau bei einem
Terroranschlag in London getötet wird. Als seine Vorgesetzten
sich weigern, Maßnahmen zu ergreifen, nimmt er die Sache selbst
in die Hand und begibt sich auf eine gefährliche Reise rund um
den Globus, um die Verantwortlichen aufzuspüren.
James
Hawes' jüngst im Kino gestarteter Thriller „The Amateur“
präsentiert sich als eine fesselnde Variation des Spionagegenres,
die den Zuschauer auf eine ungewöhnliche Reise der Selbstermächtigung
und Rache mitnimmt. Anstelle eines routinierten Agenten steht im Zentrum
der Erzählung Charles Heller, ein Mann analytischer Natur, dessen
plötzliche Involvierung in die gefährliche Welt der Geheimdienste
eine ebenso spannungsgeladene wie unkonventionelle Ausgangssituation
schafft. Hawes' Adaption des gleichnamigen Romans von Robert Littell,
dessen Œuvre sich primär den Intrigen von CIA, KGB und Stasi
während des Kalten Krieges widmete, gelingt es, dem Stoff eine
zeitgemäße Relevanz zu verleihen. Während Littells
Werke bislang erstaunlich selten den Weg auf die große Leinwand
fanden, erweist sich „The Amateur“ als eine qualitativ
hochwertige Neuinterpretation, die den B-Movie-Agenten-Actionfilm
„Der zweite Mann“ von 1981 deutlich hinter sich lässt.
Hawes, dessen Regiearbeit sich durch ein solides Handwerk auszeichnet,
schafft somit die ideale Bühne für seinen dominanten Hauptdarsteller.
Rami Malek brilliert in der ambivalenten Rolle des Charles Heller,
dessen Charakter in zwei diametral entgegengesetzte Bereiche zerfällt.
Einerseits
dominiert er souverän die Welt der Nullen und Einsen, in der
seine überragende Intelligenz unbestritten ist. Andererseits
agiert er in der realen Welt des Spionagehandwerks oft wie der titelgebende
Amateur, dessen Treffsicherheit auf dem Schießstand selbst aus
nächster Nähe ernüchternd ausfällt. „The
Amateur“ verzichtet weitgehend auf konventionelle Actionsequenzen.
Der einzige spektakuläre Moment, die im Trailer bereits angedeutete
Sprengung des Pools im Embassy-Gardens-Komplex in Baltimore, unterstreicht
gerade die Unkonventionalität von Hellers Vorgehensweise. Die
Spannung des Films speist sich vielmehr aus der Prämisse, dass
Heller seine Rachepläne nicht mit brachialer Gewalt im James-Bond-Stil
durchsetzen kann, sondern seine Vorgehensweise seinen analytischen
Fähigkeiten und ethischen Beschränkungen anpassen muss.
So greift er anstelle von Schusswaffen und Folter auch auf unkonventionelle
Methoden wie einen Sack voller Blumenpollen zurück.
Die
geradlinige Erzählweise des Films mag für manche Zuschauer
eine erfrischende Abwechslung darstellen. Bedauerlicherweise verzichtet
Hawes jedoch auf einen im Roman und der ersten Verfilmung vorhandenen
Twist, dessen Integration der dramaturgischen Dichte des Films zweifellos
zuträglich gewesen wäre. Die Entscheidung, das verstörende
Originalende durch eine versöhnlich-harmlose Auflösung zu
ersetzen, mutet angesichts der zuvor etablierten düsteren Atmosphäre
fast noch verstörender an. Möglicherweise lag dieser narrative
Eingriff in externen Überlegungen begründet, die eine allzu
kritische Darstellung US-amerikanischer Institutionen vermeiden sollten.
„The
Amateur“ erweist sich als ein intelligenter und fesselnder Thriller,
der das Spionagegenre auf unkonventionelle Weise neu interpretiert.
Rami Maleks herausragende Darstellung des ambivalenten Protagonisten
und die Fokussierung auf psychologische Spannung anstelle von überbordender
Action machen den Film zu einem sehenswerten Beitrag des Genres. Obwohl
die Entscheidung, einen zentralen Twist des Originals zu streichen
und ein versöhnlicheres Ende zu präsentieren, die narrative
Tiefe leicht schmälert, bleibt „The Amateur“ ein
spannendes und nachdenkliches Kinoerlebnis, das den Zuschauer bis
zur letzten Minute in seinen Bann zieht.
THE AMATEUR
Start:
10.04.25 | FSK 12
R: James Hawes | D: Rami Malek, Laurence Fishburne, Rachel Brosnahan
USA 2025 | Walt Disney Germany