KINO | 14.05.2025

TANZ DER TITANEN

Ein jeder Bewohner eines Landes wünscht sich wohl, dass das Staatsoberhaupt seiner Nation krisenfest ist und in Notlagen einen kühlen Kopf bewahrt. Dass das hinter verschlossenen Türen nicht immer der Fall sein wird, kann man sich wohl denken und so tat es auch Regisseur Guy Maddin. In seiner überspitzen politischen Satire „Tanz der Titanen“ (Originaltitel: „Rumours“) gewährt er einen fiktiven Einblick in ein Gipfeltreffen, in dem die Oberhäupter der G7-Nationen in eine surreale Odyssee geraten.

von Laura Sternberg


© Bleecker Street

Im malerischen Schloss Dankerode versammeln sich die Regierungschefs der G7, Gastgeberin ist die deutsche Kanzlerin Hilda Orlmann (Cate Blanchett), um eine gemeinsame Erklärung zu einer undefinierten globalen Krise zu verfassen. Statt zu einer produktiven Diskussion entwickelt sich das Ganze allerdings eher zu einer unbeholfenen Gruppenarbeit, die den ein oder anderen Zuschauer wohl an die eigene Schulzeit zurückdenken lassen wird. Als plötzlich alle übrigen Mitarbeiter vom Gelände verschwinden und die Kommunikationsmittel versagen, wagen sich die Politiker in den umliegenden Wald, um nach Hilfe zu suchen. Stattdessen stoßen sie dort auf mysteriöse Phänomene, wie auferstandene Moorleichen oder ein riesiges leuchtendes Gehirn.

Wer auf kohärente Handlungsstränge oder stringente Logik hofft, ist hier definitiv im falschen Film. „Tanz der Titanen“ lässt sich bewusst treiben - Szenen wiederholen sich, Dialoge zerfallen in sinnlose Phrasen und dabei hat bei weitem nicht alles eine tiefgründige Bedeutung. Im Q&A beim International Film Festival Rotterdam verriet Guy Maddin, dass nicht hinter jedem der absurden Ereignisse eine Symbolik versteckt sei, sondern dass manche Elemente es einfach nur aus Spaß oder „weil sie eben cool sind“ in den Film geschafft haben. Was Einige als „unsinnig“, „unnötig“ oder „lächerlich“ betiteln, ist genau das, was mich an diesem Film so sehr gefesselt hat. Von der ersten bis zu letzten Minute hat mir „Tanz der Titanen“ Spaß beim Zuschauen gemacht und dafür muss für mich nicht immer alles einen rationalen Sinn ergeben.

Hinzu kommt die hervorragende visuelle Gestaltung. Die Kameraarbeit von Stefan Ciupek fängt die nebligen Wälder und das Schloss in düsteren Tönen ein, die von den gesättigten Farben der Kostüme oder des gigantischen Gehirns perfekt komplementiert werden. So entsteht eine surreale Atmosphäre, durch welche sich der Film beinahe wie ein wirrer Traum anfühlt und das auf die beste Art und Weise. Die Innenräume des Schlosses erinnern an ein barockes Puppenhaus, während der umliegende Wald zunehmend zu einer Art psychologischer Projektionsfläche für die Ängste und Absurditäten der politischen Führungsfiguren wird. Unterstützt wird diese Wirkung vom eindringlichen Score von Jason Staczek, der orchestrale Dramatik mit elektronischem Flirren verbindet und so der Bildsprache eine klangliche Tiefe verleiht, die mal bedrohlich, mal ironisch gebrochen wirkt.


© Bleecker Street

Ich konnte „Tanz der Titanen“ bereits Anfang Februar auf dem International Film Festival Rotterdam ansehen und an einem anschließenden Q&A mit Regisseur Guy Maddin teilnehmen, sowie bei einem Artist Talk mit Guy Maddin und Cate Blanchett zusehen. Im Gespräch verrieten die beiden, dass sie sich in Vorbereitung auf die Produktion viele Videos von G7-Politiker*innen ansahen. Dabei ging es ihnen weniger darum, exakte Imitationen zu erschaffen, sondern vielmehr um das Herausarbeiten bestimmter Gesten, Sprachmuster und Selbstinszenierungen. Blanchett sprach etwa davon, was für eine eigenartige Art zu gehen die Staatsoberhäupter hätten. Diese Beobachtungen flossen direkt in ihre Verkörperung der deutschen Kanzlerin ein. Ein kantiger, leicht roboterhafter Gang wurde schließlich zur bewussten Karikatur politischer Selbstkontrolle. Maddin beschrieb seine Arbeit am Drehbuch – das er gemeinsam mit Evan Johnson und Galen Johnson verfasste – als ein ständiges Balancieren zwischen politischer Satire, absurder Komödie und experimentellem Kino. Ihm sei es wichtig gewesen, dass sich das Publikum nie zu sicher fühle, nie wisse, was als Nächstes komme.

„Tanz der Titanen“ ist definitiv kein Film für jeden Geschmack, aber das versucht er auch gar nicht zu sein. Wer sich auf Maddins abgedrehte Inszenierung einlässt, erlebt ein cineastisches Kuriositätenkabinett, das gleichermaßen zum Lachen, Staunen und Kopfschütteln einlädt. Der Film spielt gekonnt mit politischen Archetypen, überspitzt und parodiert und das mit einer fast kindlichen Lust zum Absurden. Guy Maddin hat mit hier einen Film geschaffen, der sich nicht einordnen lässt. Die, die sich davon erzürnen lassen, sind am Ende wohl genau die, an welche sich der Film richtet. „Tanz der Titanen“ hält der politischen Bühne nicht nur einen Spiegel vor, sondern zertrümmert ihn gleich mit und feiert anschließend in den Scherben ein Fest.


TANZ DER TITANEN

Start: 15.05.25 | FSK 16
R: Guy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson
D: Cate Blanchett, Roy Dupuis, Denis Ménochet
Kanada, Deutschland 2024 | Plaion Pictures


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