Ein
jeder Bewohner eines Landes wünscht sich wohl, dass das Staatsoberhaupt
seiner Nation krisenfest ist und in Notlagen einen kühlen Kopf
bewahrt. Dass das hinter verschlossenen Türen nicht immer der
Fall sein wird, kann man sich wohl denken und so tat es auch Regisseur
Guy Maddin. In seiner überspitzen politischen Satire „Tanz
der Titanen“ (Originaltitel: „Rumours“) gewährt
er einen fiktiven Einblick in ein Gipfeltreffen, in dem die Oberhäupter
der G7-Nationen in eine surreale Odyssee geraten.
Im
malerischen Schloss Dankerode versammeln sich die Regierungschefs
der G7, Gastgeberin ist die deutsche Kanzlerin Hilda Orlmann (Cate
Blanchett), um eine gemeinsame Erklärung zu einer undefinierten
globalen Krise zu verfassen. Statt zu einer produktiven Diskussion
entwickelt sich das Ganze allerdings eher zu einer unbeholfenen Gruppenarbeit,
die den ein oder anderen Zuschauer wohl an die eigene Schulzeit zurückdenken
lassen wird. Als plötzlich alle übrigen Mitarbeiter vom
Gelände verschwinden und die Kommunikationsmittel versagen, wagen
sich die Politiker in den umliegenden Wald, um nach Hilfe zu suchen.
Stattdessen stoßen sie dort auf mysteriöse Phänomene,
wie auferstandene Moorleichen oder ein riesiges leuchtendes Gehirn.
Wer auf kohärente Handlungsstränge
oder stringente Logik hofft, ist hier definitiv im falschen Film.
„Tanz der Titanen“ lässt sich bewusst treiben - Szenen
wiederholen sich, Dialoge zerfallen in sinnlose Phrasen und dabei
hat bei weitem nicht alles eine tiefgründige Bedeutung. Im Q&A
beim International Film Festival Rotterdam verriet Guy Maddin, dass
nicht hinter jedem der absurden Ereignisse eine Symbolik versteckt
sei, sondern dass manche Elemente es einfach nur aus Spaß oder
„weil sie eben cool sind“ in den Film geschafft haben.
Was Einige als „unsinnig“, „unnötig“
oder „lächerlich“ betiteln, ist genau das, was mich
an diesem Film so sehr gefesselt hat. Von der ersten bis zu letzten
Minute hat mir „Tanz der Titanen“ Spaß beim Zuschauen
gemacht und dafür muss für mich nicht immer alles einen
rationalen Sinn ergeben.
Hinzu
kommt die hervorragende visuelle Gestaltung. Die Kameraarbeit von
Stefan Ciupek fängt die nebligen Wälder und das Schloss
in düsteren Tönen ein, die von den gesättigten Farben
der Kostüme oder des gigantischen Gehirns perfekt komplementiert
werden. So entsteht eine surreale Atmosphäre, durch welche sich
der Film beinahe wie ein wirrer Traum anfühlt und das auf die
beste Art und Weise. Die Innenräume des Schlosses erinnern an
ein barockes Puppenhaus, während der umliegende Wald zunehmend
zu einer Art psychologischer Projektionsfläche für die Ängste
und Absurditäten der politischen Führungsfiguren wird. Unterstützt
wird diese Wirkung vom eindringlichen Score von Jason Staczek, der
orchestrale Dramatik mit elektronischem Flirren verbindet und so der
Bildsprache eine klangliche Tiefe verleiht, die mal bedrohlich, mal
ironisch gebrochen wirkt.
Ich
konnte „Tanz der Titanen“ bereits Anfang Februar auf dem
International Film Festival Rotterdam ansehen und an einem anschließenden
Q&A mit Regisseur Guy Maddin teilnehmen, sowie bei einem Artist
Talk mit Guy Maddin und Cate Blanchett zusehen. Im Gespräch verrieten
die beiden, dass sie sich in Vorbereitung auf die Produktion viele
Videos von G7-Politiker*innen ansahen. Dabei ging es ihnen weniger
darum, exakte Imitationen zu erschaffen, sondern vielmehr um das Herausarbeiten
bestimmter Gesten, Sprachmuster und Selbstinszenierungen. Blanchett
sprach etwa davon, was für eine eigenartige Art zu gehen die
Staatsoberhäupter hätten. Diese Beobachtungen flossen direkt
in ihre Verkörperung der deutschen Kanzlerin ein. Ein kantiger,
leicht roboterhafter Gang wurde schließlich zur bewussten Karikatur
politischer Selbstkontrolle. Maddin beschrieb seine Arbeit am Drehbuch
– das er gemeinsam mit Evan Johnson und Galen Johnson verfasste
– als ein ständiges Balancieren zwischen politischer Satire,
absurder Komödie und experimentellem Kino. Ihm sei es wichtig
gewesen, dass sich das Publikum nie zu sicher fühle, nie wisse,
was als Nächstes komme.
„Tanz
der Titanen“ ist definitiv kein Film für jeden Geschmack,
aber das versucht er auch gar nicht zu sein. Wer sich auf Maddins
abgedrehte Inszenierung einlässt, erlebt ein cineastisches Kuriositätenkabinett,
das gleichermaßen zum Lachen, Staunen und Kopfschütteln
einlädt. Der Film spielt gekonnt mit politischen Archetypen,
überspitzt und parodiert und das mit einer fast kindlichen Lust
zum Absurden. Guy Maddin hat mit hier einen Film geschaffen, der sich
nicht einordnen lässt. Die, die sich davon erzürnen lassen,
sind am Ende wohl genau die, an welche sich der Film richtet. „Tanz
der Titanen“ hält der politischen Bühne nicht nur
einen Spiegel vor, sondern zertrümmert ihn gleich mit und feiert
anschließend in den Scherben ein Fest.
TANZ DER TITANEN
Start:
15.05.25 | FSK 16
R: Guy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson
D: Cate Blanchett, Roy Dupuis, Denis Ménochet
Kanada, Deutschland 2024 | Plaion Pictures