KINO | 07.05.2025

Wenn das Licht zerbricht

Mit „Wenn das Licht Zerbricht“ (Originaltitel: Ljósbrot) gelingt dem isländischen Regisseur Rúnar Rúnarsson ein stilles Drama über Verlust, Identität und die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen. Der Film, welcher seine Geschichte über einen einzigen Tag hinweg entfaltet, setzt sich intensiv mit den Nuancen der Trauer auseinander.

von Laura Sternberg


© Neue Visionen Filmverleih GmbH

Im Zentrum der Handlung steht die Kunststudentin Una (Elín Hall), die sich in einer geheimen Beziehung mit Diddi (Baldur Einarsson) befindet, der jedoch noch mit seiner Freundin Klara (Katja Njálsdóttir) zusammen ist. Geplant ist, dass Diddi sich von Klara trennt, um offen mit Una zusammen zu sein, doch ein tragischer Autounfall reißt Diddi aus dem Leben, bevor er diesen Schritt gehen kann. Una bleibt zurück und gefangen zwischen ihrer eigenen Trauer und dem Schweigen, das ihre Beziehung zu Diddi umgab.

Die narrative Struktur des Films konzentriert sich auf die 24 Stunden nach dem Unfall. Una navigiert durch eine Welt, in der sie ihre Trauer nicht ehrlich zeigen kann, während Klara und Diddis Freunde offen um ihn trauern. Diese Konstellation erzeugt eine emotionale Spannung, die den ganzen Film durchzieht und gleichzeitig viele moralische Fragen im Zusammenhang mit Unas Verlust aufwirft. Hat sie nicht genau so das Recht, ihre Trauer und deren Hintergründe auszusprechen? Aber gleichzeitig wäre es doch falsch, Klara in ihrer Trauer nun auch noch damit zu konfrontieren, dass ihr verstorbener Freund eine Affäre hatte und sich von ihr trennen wollte? „Wenn das Licht Zerbricht“ gibt keine konkreten Antworten auf diese Fragen, schafft es aber, die emotionale Zerrissenheit und Traurigkeit aller Beteiligten wunderschön einzufangen.


© Neue Visionen Filmverleih GmbH

Am meisten überzeugt hat mich persönlich jedoch die musikalische Gestaltung. An vielen Stellen im Film, besonders bezeichnend aber zu Beginn und Ende, ist eine Neuinterpretation von Catulls Carmen 85 „Odi et Amo“ zu hören. Das Stück, dessen Titel aus dem Lateinischen übersetzt „Ich hasse und ich liebe“ bedeutet ist Bestandteil des Lesbia-Zyklus, für welchen der römische Dichter bekannt ist. In diesem Zyklus, der sich aus zahlreichen poetischen Texten zusammensetzt, beschreibt Catull den Verlauf der Beziehung zu seiner Geliebten Lesbia. Nachdem er von dieser betrogen wurde, ist er innerlich zerrissen. Zerfressen von Trauer und Wut, hegt er starken Groll auf Lesbia, gleichzeitig aber sind seine Liebe und das Verlangen nach ihr so groß sind, dass er sich noch nicht von ihr lossagen kann. Die Vertonung des Liedes für den Film ist eine Mischung aus elektronischen Klängen und beinahe „seelenlosen“, kaum menschlich klingenden Stimmen, die für ein fast unangenehmes Hörerlebnis sorgen und ein unwohles Gefühl hinterlassen. Die Bedeutung von „Odi et Amo“ im Zusammenspiel mit dieser auditiven Gestaltung spiegelt für mich die Emotionen aller beteiligten Parteien perfekt wider und macht die kaum aushaltbare Zerrissenheit und Trauer der Charaktere atmosphärisch spürbar.

„Wenn das Licht Zerbricht“ ist ein leiser, zutiefst eindringlicher Film, der mit minimalistischer Inszenierung, starker Symbolik und einer herausragenden musikalischen Untermalung besticht. Rúnar Rúnarsson gelingt es, große Gefühle in kleinen Gesten zu zeigen und das Unsichtbare sichtbar zu machen – insbesondere dann, wenn Worte fehlen oder nicht gesagt werden dürfen. Die Geschichte von Una ist nicht nur ein Porträt individueller Trauer, sondern auch eine Reflexion über moralische Grauzonen, die entstehen, wenn Liebe und Verlust auf tragische Weise kollidieren.


WENN DAS LICHT ZERBRICHT

Start: 08.05.25 | FSK 12
R: Rúnar Rúnarsson | D: Elín Hall, Mikael Kaaber, Katla Njálsdóttir
Island, Niederlande, Kroatien, Frankreich 2024 | Neue Visionen Filmverleih


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