KINO | 12.02.2025

Wunderschöner

Nadine tut wirklich alles dafür, auch mit 50 noch jung, straff und sexy zu sein. Trotzdem landet ihr Mann Phillipp bei einer Prostituierten und lässt Nadine in eine schwere Lebenskrise stürzen. Was hat die, was sie nicht (mehr) hat? Ihre gemeinsame Tochter Lilly muss sich derweil von Lehrerin Vicky langweilige Vorträge über die Unsichtbarkeit von Frauen in der Historie anhören und sich der Frage stellen, ob sie sagen kann, was sie NICHT will.

von Eve Pohl


© 2024 Hellinger / Doll Filmproduktion GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Anne Wilk

Nadine (Anneke Kim Sarnau) setzt alles daran, auch mit 50 noch jung, straff und attraktiv zu bleiben. Doch als ihr Mann Philipp (Godehard Giese) sich einer Prostituierten zuwendet, stürzt sie in eine tiefe Lebenskrise. Was hat die andere, was sie nicht hat? Ihre Tochter Lilly (Emilia Packard) beschäftigt sich unterdessen mit den Vorträgen ihrer Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) über die Unsichtbarkeit von Frauen in der Geschichte und fragt sich, ob sie überhaupt sagen kann, was sie nicht will – etwa gegenüber ihrem Freund Enno (Levy Rico Arcos). Dieser sitzt während der Projekttage in einem Kurs über „toxische Männlichkeit“, geleitet von Vickys neuem Kollegen Trevor (Malick Bauer), der schnell ihr Interesse weckt. Doch eigentlich vermisst Vicky ihren Partner Franz, der sich auf unbestimmte Zeit in die Berge zurückgezogen hat, da sie nicht mehr sicher ist, ob isolierte Zweisamkeit das richtige Lebensmodell für sie ist. Isolation spürt auch Julie (Emilia Schüle) in ihrem neuen Job als Aufnahmeleiterin einer TV-Show. Der Umgang mit einem übergriffigen Kollegen verstärkt ihre Selbstzweifel: Ist sie wirklich zu schwierig, zu empfindlich, zu laut? Doch selbst, wenn sie ihre Stimme erhebt, will niemand so recht zuhören. Das Zuhören fällt auch Sonja (Karoline Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke) schwer, die sich inzwischen getrennt haben. Bei einer Familientherapie versuchen sie, eine gemeinsame Sprache zu finden, doch als Sonja von Milans neuer Partnerin erfährt, trifft es sie hart. Aus Angst allein zurückzubleiben, wagt sie sich selbst ins Dating – und erkennt dabei, dass sie etwas ganz anderes sucht.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger („Wunderschön“) nimmt sich dieser Film von Karoline Herfurth eine neue Palette von Themen vor. Zuletzt hatte man sich mit dem eigenen Körperbild und dem Altern beschäftigt, wie man sich im eigenen Körper wohl fühlen kann und die Akzeptanz dafür, dass man mit anstatt gegen ihn arbeiten sollte. Das war sicherlich eine banale, aber dennoch passende Annäherung an das Thema, welche aber trotzdem aufgrund der massiven Überladung von Charakteren und Handlungssträngen häufig nur an der Oberfläche kratzte. Den Film konnte man sich gut ansehen, auch wenn er nicht bahnbrechend war. Das Verkaufsargument als überragender Aufruf nach Akzeptanz und Body Positivity, anstatt Selbstoptimierung konnte er zwar nicht einlösen, aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig.

Nun wird uns die nominelle Fortsetzung in Form von „Wunderschöner“ präsentiert, der die großen gesellschaftlichen Themen sexuelle Selbstbestimmung, Solidarität unter Frauen aber auch den Umgang innerhalb von Beziehungskonstrukten und Geschlechterrollen allgemein verhandelt. Der Film versucht eine jahrelange Debatte zur Rolle der Frau in der Gesellschaft in zwei unterhaltsamen Stunden möglichst gefällig zum Abschluss zu bringen. Allerdings verhebt er sich an dieser Mission ganz schön und so wird er insgesamt eher zur seichten Komödie. Das ist schade.


© 2024 Hellinger / Doll Filmproduktion GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Anne Wilk

Denn wir brauchen Geschichten, die sich mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen – gerne auch auf humorvolle Art und Weise. Das führt einen aber zum Kernproblem dieses Films. Es handelt sich hier eben nicht um eine stringent erzählte Geschichte, sondern um lose miteinander verknüpfte Handlungsstränge. Wie auch schon beim ersten Teil, wird erst spät klar, was die einzelnen Figuren eigentlich miteinander zu tun haben und das macht die Geschichte etwas beliebig. Es ist eine große Kunst, mehr als zwei oder drei Hauptfiguren eine Bühne zu bieten und ihre Geschichten gleichberechtigt zu erzählen. Dadurch, dass wir hier fünf verschiedenen Hauptfiguren und zusätzlich diversen Nebendarstellern folgen sollen, kann jeder einzelne dieser Stränge nur ganz oberflächlich betrachtet werden

Ob es nun die Geschichte von Julie ist, die nach ihren traumatischen Erlebnissen in der Modelwelt nun als Aufnahmeleiterin arbeitet und dort vom Chef belästigt, gemobbt und schließlich vor allen bloßgestellt wird und dann wundersamerweise einen perfekten Job findet. Das ist im Endeffekt eine Nummernrevue, die alle Punkte perfekt abharkt, die eine Missbrauchsgeschichte am Arbeitsplatz normalerweise erzählt. Aber das Leben ist nicht so schwarz-weiß und geradlinig. Man hätte diesen Film auch wunderbar nur über diese eine Geschichte erzählen und dabei viel mehr in die Tiefe gehen können.

Gleichzeitig hat der Film natürlich seine guten Momente, die gelungen sind. Er zeigt an einigen Stellen sehr erschütternd, dass Frauen auch nicht die besseren Menschen sind. Man denke dabei nur an die Lunch-Ladies, die sich wirklich furchtbar benehmen und in ihrem ganzen Habitus quasi einer allabendlichen Stammtischrunde gleichen. Sie sind herablassend, sexistisch und das ist ihnen völlig egal. Zu diesem illustren Kreis gehört auch Nadine. Deren Handlungsstrang ist derjenige, der am besten erzählt wird. Die Familie scheint nach außen hin vollkommen perfekt zu sein. Sie glänzt in der Berliner High Society, er ist Finanzsenator und mit ihren beiden Teenager-Kindern leben sie in einem geschmackvoll eingerichteten Haus. Doch dann bröckelt die Fassade, als sie herausfindet, dass ihr Mann sich mit einem Luxus-Callgirl (Nadja) getroffen hat. Sie versucht erst den Skandal zu vertuschen, doch dann trifft sie die junge Frau selber und sie entscheidet sich zu einer anderen Herangehensweise, indem sie Nadja hilft.


© 2024 Hellinger / Doll Filmproduktion GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Anne Wilk

Die schwierigen Dynamiken einer zerfallenden Beziehung, die man aber dennoch nicht so richtig sein lassen kann, werden in ihren Nuancen gut beschrieben. Der Handlungsstrang von Sonja und Milan passt zwar überhaupt nicht zu den anderen Themen im Film, aber das kann man ihm gut verzeihen. An diesen Stellen funktioniert gut, was in anderen Szenen oft zu kurz kommt: Man versteht, dass es hier um Menschen geht, dass sie nicht gut oder böse, sondern eben oft einfach irgendwo dazwischen. Sie versuchen auszuloten, welcher Weg für sie gemeinsam funktioniert und manchmal eben auch, dass es vielleicht alleine besser geht. Leider wird diese wunderbare Exploration einer scheiternden Beziehung durch das Ende der Story ad absurdum geführt. Schade!

Es lässt sich also sagen, dass man hier das Potenzial für mindestens drei unterschiedliche Filme gehabt hätte. Sie alle in einem einzelnen Film zu erzählen ist mutig, aber so richtig aufgehen mag das Konzept nicht. Häufig kratzt man an der Oberfläche, schneidet ein Problem an, geht den Weg aber nicht zu Ende.

Schauspielerisch ist „Wunderschöner“ durchaus solide, fällt aber nicht durch herausragende Leistungen einzelner auf. So kann aber das ganze Ensemble glänzen, was erfrischend ist. Es fällt aber auf, dass es in der Anlage der Figuren und der Besetzung ziemlich unterschiedliche Ansätze gibt. Während Emilia Schüle (Julie) eher zurückhaltend spielt und nur in ein paar ausgewählten Momente wirklich aus sich herauskommt, sind Karoline Herfurth (Sonja) und gerade Nora Tschirner (Vicky) sehr körperlich und es wirkt teilweise überzeichnet.

Insgesamt lässt dieser Film einen ein bisschen ratlos zurück. Es ist gut und auch sehr wichtig, dass im Kino Themen verhandelt werden, wie die Rolle der Frau. Aber dieser Film erzählt seine Geschichte(n) leider überhaupt nicht konsequent. Am Ende traut er sich nicht, auch die unangenehmen Realitäten stehen zu lassen, mit denen Frauen im Alltag immer wieder zu kämpfen haben. Vielmehr will er mit aller Macht ein gutes Ende für die Figuren herbeiführen. Das ist Betrug am Zuschauer, denn er versucht die Illusion zu verkaufen, dass eben doch alles gut wird. Und da macht er es sich schlicht zu einfach.


WUNDERSCHÖNER

Start: 13.02.25 | FSK 12
R: Karoline Herfurth | D: Karoline Herfurth, Anneke Kim Sarnau, Emilia Schüle
Deutschland 2025 | Warner Bros. GmbH


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