Für Evan Hansen (Ben Platt) ist die Zeit
als Teenager nicht leicht. Während seine Mutter Heidi (Julianne
Moore) als Krankenschwester Überstunden schiebt und versucht,
sich und ihren Jungen durchzubringen, leidet Evan unter Angststörungen
und wird in der Schule aus ungewöhnlicher Außenseiter wahrgenommen.
Um sich seinen Sorgen zu stellen, soll Evan für seine Therapiesitzungen
jeden Tag einen Brief an sich selbst schreiben. Allerdings gelangt
einer dieser Briefe in die Hände des rebellischen und unglücklichen
Connor Murphy (Colton Ryan), was für Connor zum Auslöser
zahlreicher Notlügen wird. Als Connor Selbstmord begeht, finden
dessen Eltern Cynthia (Amy Adams) und Larry (Danny Pino) Evans Brief
bei ihm. In dem Glauben, Evan und Connor wären beste Freunde
gewesen, wollen sie mehr über ihren verschlossenen Sohn herausfinden
und bringen Evan damit in eine verzwickte Lage, aus der er sich nicht
mehr herausziehen kann...
Ein
Musical mit dem Thema psychische Krankheiten und Selbstmord klingt
auf den ersten und auch auf den zweiten Blick etwas ungewöhnlich.
Es ist eine delikate Gratwanderung, die sich jedoch bei „Dear
Evan Hansen“ als Erfolgsgeschichte erwiesen hat. 2015 feierte
das Stück seine Bühnenpremiere, 2017 seine Broadwaypremiere,
die mit sechs Tony-Awards ausgezeichnet wurde und nun der Kinofilm
unter der Regie von Stephen Chbosky („Wunder“), der am
28. Oktober 2021 in den Kinos startet. Die Hauptrolle spielt in der
Bühnenverfilmung Ben Platt, der in den vergangenen Jahren zahlreiche
Schauspielpreise für die Rolle seines Lebens gewann. Diesbezüglich
stellt sich jedoch die Frage, ob der Schauspieler mit seinen inzwischen
28 Jahren nicht etwas zu alt für die Rolle ist.
Dieses
Argument schmälert jedoch nicht den positiven Eindruck, den man
von diesem Film hat. Dem Thema angemessen, inszeniert Stephen Chbosky
die Handlung mit viel Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl.
Die Songs stehen im Mittelpunkt dieses Musical-Films und sind routiniert
in Szene gesetzt. Für den Film wurde extra ein neuer Song hinzugefügt,
um sich mit „The Anonymous Ones“, eine Hymne der unsichtbaren
Depressiven, Chancen auf die Oscars zu bewahren. Über weite Teile
funktioniert die Balance zwischen einer notwendigen Sensibilität
für seine ernsten Themen und einer Dramatisierung, die bisweilen
an eine Seifenoper erinnert. Lediglich zum Ende hin kippt die Stimmung
und der Film wirkt etwas belehrend und gewollt emotional. Hier gehen
die Macher den sicheren Weg, statt mehr Ambivalenz zu wagen, was dem
Film sehr gut getan hätte.