KINO | 28.04.2022

EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE

Waschsalonbesitzerin Evelyn Wang geht im Chaos ihres Alltags unter: Der bevorstehende Besuch ihres Vaters überfordert sie, die Wünsche der Kunden bringen sie an ihre Grenzen und die anstehende Steuererklärung wächst ihr komplett über den Kopf. Der Gang zum Finanzamt ist unausweichlich, doch während sie mit ihrer Familie bei der Steuerprüferin vorspricht, wird ihr Universum komplett durcheinandergewirbelt. Raum und Zeit lösen sich auf, und die Menschen um sie herum haben, ebenso wie sie selbst, plötzlich weitere Leben in Parallelwelten.

von Richard-Heinrich Tarenz


© LEONINE

Evelyn Wang (Michelle Yeoh) besitzt einen Waschsalon, hat Ärger mit der Steuer und mit ihrer Familie. Sie ist damit beschäftigt, die Geburtstagsfeier ihres Vaters (James Hong) vorzubereiten und Evelyns Ehemann Waymond (Ke Huy Quan) hat daher keine Chance, mit ihr über die Scheidung zu sprechen. Tochter Joy (Stephanie Hsu) wiederum erzürnt ihre Mutter durch das Vorhaben, ihre Freundin Becky (Tallie Medel) mit zu der Feier zu bringen, obwohl Evelyn ein Problem mit der sexuellen Ausrichtung von Joy hat. Evelyns Leben ist nicht so gelaufen, wie wie sie sich das früher ausmalte. Doch sie bekommt die Chance, das zu ändern. Wie sie auf dem Weg zur Steuer-Sachbearbeiterin Deirdre Beaubeirdra (Jamie Lee Curtis) von Waymond erfährt, hängt das Schicksal jeder einzelnen Dimension des Universums von ihr ab. Zunächst glaubt Evelyn diese außergewöhnliche Behauptung nicht. Kurze Zeit später ist sie mittendrin im Kampf für das Multiversum...

EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE ist ein visuell überwältigender Spielfilm, der sich nur schwer in Genregrenzen fügt und mit sehr viel Detailliebe und handwerklichem Können inszeniert wurde. Der Film ist eine cineastische Liebeserklärung und glänzt mit jeder Menge absurder Komik. Neben dem ganz großen erzählerischen Bogen, der durch das Multiversum führt, ist dieser Film auch eine liebevolle Geschichte über eine Einwandererfamilie und ganz alltäglichen Familienproblemen. Der Cast in diesem Spielfilm ist großartig, angeführt von einer sensationell agierenden Michelle Yeoh, die den Film sehr entspannt auf ihren Schultern trägt. Dieser Film ist schon jetzt ein Klassiker der Filmgeschichte.


© LEONINE

In diesem Film ist das Multiversum, das derzeit aufgrund von durch „Spider-Man: No Way Home“ in aller Munde ist, nicht nur ein erzählerisches Element, um die Handlung voranzutreiben, sondern untrennbar mit der Protagonistin verbunden. Die verschiedenen Universen sind durch die Entscheidungen entstanden, die Evelyn in ihrem Leben getroffen. Sie hat die einmalige Chance, genau diese Entscheidungspunkte aufzusuchen und zu verstehen, welche Alternativen sich in ihrem Leben aus anderen Entscheidungen ergeben hätten. Ein wesentlicher Grund, warum dieser Film so faszinierend ist, ist der Umstand, dass er so viele unterschiedliche Ebenen hat. Da ist die Ebene, wo sich Evelyn die Frage stellt, welchen Stellenwert ihr Leben hat, verglichen mit den „besseren“ Alternativen. Was bedeutet dies für sie und ihre Familie? Auf der anderen Seite macht dieser Film einfach nur sehr viel Spaß, weil sich die Regisseure im Multiversum so richtig austoben können.

Die Paralleluniversen sind inszeniert wie eigenständige Filme. Da gibt es grandiose, absurde und faszinierende Realisierungen. Wir haben ein herrlich-komisches „Ratatouille“-Zitat, ein existentialistisches Drama mit zwei Steinen und einen glamourösen Ausflug in die Welt des Films. Die Regisseure spielen mit den Möglichkeiten, wechseln das Bildformat oder den Stil und reizen die Möglichkeiten der philosophischen Idee des Multiversums so fantasievoll aus, wie man es bislang noch niemals zuvor gesehen hat. Aber auch die Actionszenen können sich sehen lassen. So gibt es grandios choreographierte Martial-Arts-Actionszenen, die mit viel Humor gewürzt sind. Eine weitere großartige Idee der Regisseure ist das „Aktivieren“. Damit Evelyn und ihre Gegner die Kräfte ihrer Ichs aus den Paralleluniversen aktivieren können, müssen sie etwas Bestimmtes, aber sehr Außergewöhnliches tun. Das führt zu ziemlich abgefahrenen Situationen. EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE ist all seiner erzählerischen Vielfalt großes Kino, dass man gesehen haben muss.


EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE

Start: 28.04.22 | FSK 16
R: Daniel Scheinert, Daniel Kwan | D: Michelle Yeoh, Ke Huy Quan, Jamie Lee Curtis
USA 2022 | Leonine


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