KINO | 14.10.2020

I AM GRETA

Aus einer einzelnen Schülerin, die jeden Freitag alleine vor dem schwedischen Parlament sitzt und ein Schild mit dem Slogan SKOLSTREJK FÖR KLIMATET dabei hat, entwickelt sich die weltweite Klimabewegung „Fridays for Future“. Das zeigt der Dokumentarfilm I AM GRETA.

von Eve Pohl


© 2020 B-Reel Films AB

Im August 2018 startet Greta Thunberg, eine 15-jährige Schülerin aus Schweden, einen Schulstreik für das Klima. Ihre Frage an Erwachsene: Wenn ihr euch nicht um die Zukunft der nachfolgenden Generationen auf der Erde kümmert, warum sollte sie sich dann um ihre Zukunft in der Schule kümmern? Innerhalb weniger Monate entwickelt sich ihr Streik zu einer globalen Bewegung. Greta, ein ruhiges schwedisches Mädchen im Autismus-Spektrum, ist heute eine weltberühmte Aktivistin. Regisseur Nathan Grossman und das Team hinter dem Dokumentarfilm „I Am Greta“ haben die junge Aktivistin von ihrem ersten Streiktag an begleitet…

Greta Thunberg geht es in die Sache, nicht um ihre eigene Person und doch wird sie von vielen wie ein Star verehrt. Auf Klimakonferenzen lässt man sie sprechen um der jungen Generation „eine Stimme zu geben“ oder zumindest um so zu tun, als wäre die Bekämpfung des Klimawandels ein wichtiges Anliegen. Das ist von außen nicht leicht zu beurteilen, wirkt aber in manchen Szenen des Films so. Da scheint es wichtiger zu sein, ein Selfie mit Greta zu machen, anstatt wirkliche Veränderungen zu bewirken, so wie es die jungen Aktionist*innen fordern. Es gibt in diesem Film immer wieder sehr private Aufnahmen aus der Familie oder in der Interaktion speziell mit ihrem Vater. Er begleitet sie sowohl zu ihrem ersten Auftritt auf der UN-Klimakonferenz in Katowice, als auch zu anderen Terminen bis hin zum Klimagipfel in New York, zu der sie aufgrund der Entscheidung nicht zu fliegen, den Atlantik mit einem Segelboot überquerte. Die Aufnahmen von dieser Reise sind besonders stark und bewegend, da man sowohl die Strapazen der Reise als auch Angst über die Wetterbedingungen und das Vermissen deutlich nachempfinden kann.


© 2020 B-Reel Films AB

Etwas kritisch kann man sehen, dass einige der Szenen entweder gestellt oder zumindest so geschnitten sind, dass der Eindruck entstehen könnte. Als Beispiel dafür könnte man eine Szene nennen, in der sich Greta auf einer Reise mit ihrem Vater über die perfekte Übersetzung eines Satzes ihrer Rede streitet. Die beiden sind sowieso schon spät dran und er möchte deswegen möglichst schnell aufbrechen. Nach der Auseinandersetzung legt sie sich ins Bett. Schnitt. Greta wird von hinten gefilmt, wie sie in einem Treppenhaus sitzt. Wieder ein Schnitt. Man bekommt durch diese Szene den Eindruck, dass sie gestellt ist, was sehr schade ist, denn automatisch stellt man sich da dann immer die Frage: Gibt es mehr Szenen, die vielleicht gestellt sind und gar nicht wirklich so stattgefunden haben? Auch wenn es am Ende gar nicht so ist, kann man sich eben aufgrund der Inszenierung nicht sicher sein. Und auch die eine Frage, die vermutlich jedem und jeder unter den Nägeln brennt, nämlich: „Wie konnte das Kamerateam von Anfang an dabei sein?“ Normalerweise bedarf es Planung und auch Gelder um einen Film zu drehen und das wiederum braucht Zeit. Leider bleibt die Antwort darauf auch im Dunkeln.

Während man den Film von Nathan Grossman sieht, wünscht man sich gelegentlich, dass konkrete Vorschläge oder ein Forderungskatalog von Seiten der Aktivist*innen genannt werden. Sicherlich nicht zu Unrecht verweisen sie auf die Wissenschaft, die schon lange von einer kommenden Veränderung spricht, die wir aufhalten müssen, damit die Erde weiter lebenswert bleibt. Dennoch hat Greta durch ihre herausragende Stellung und die Tatsache, dass sie auf politischen Kongressen und in Parlamenten sprechen darf oder zu Gesprächen mit Staatsoberhäuptern eingeladen wird, auch die Möglichkeit diesen Forderungen Gehör zu verschaffen. Fridays For Future Deutschland hat inzwischen einige Forderungen veröffentlicht und damit auch einen Maßstab geschaffen, an dem man die Politik messen kann, was sehr begrüßenswert ist.

I AM GRETA ist insgesamt ein interessanter Film, der die Tatkraft und Energie einer wütenden Jugend durchaus zu zeigen weiß. Er lenkt allerdings nicht unbedingt das Augenmerk auf „die Sache“, sondern eher auf Greta selber. Und das ist ja eigentlich das, was sie nie wollte.


I AM GRETA

Schweden, Deutschland, USA, Großbritannien 2020 | Filmwelt
Start: 16. Oktober 2020 (FSK 0) | R: Nathan Grossman | Dokumentation


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