KINO | 29.07.2020

Irresistible - Unwiderstehlich

Man nehme zwei Menschen, die nur ihre Hass-Liebe und der Ehrgeiz Wahlen zu gewinnen – ganz egal wie - verbindet. Dann vermische man das mit der Landbevölkerung in Wisconsin, die echt anderes zu tun habe. Schließlich gibt man noch etwas Streuselkuchen dazu und man bekommt eine urkomische und irgendwie etwas zu wahre Komödie über das verfaulte Wahlsystem der Vereinigten Staaten heraus.

von Eve Pohl


© 2020 Focus Features, LLC. All Rights Reserved

Als der Top-Stratege des demokratischen Nationalkomitees, Gary Zimmer (Steve Carell), ein Video sieht, in dem der pensionierte Marine-Oberst Jack Hastings (Chris Cooper) für die Rechte der undokumentierten Arbeiter seiner Stadt eintritt, glaubt er, den Schlüssel gefunden zu haben, um die Wähler im Herzen Amerikas zurückzugewinnen. Bei einem außerplanmäßigen Besuch auf Hastings' Milchviehbetrieb im ländlichen Deerlaken, Wisconsin, überzeugt Gary den unpolitischen Marine im Ruhestand davon, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Zunächst verlässt sich Gary auf Jacks sehr fähige Tochter Diana (Mackenzie Davis) und ein Team von enthusiastischen, wenn auch unerfahrenen Freiwilligen. Als das republikanische Nationalkomitee ihm jedoch entgegentritt, indem es seine brillante Nemesis Faith Brewster (Rose Byrne) schickt, ist Gary mehr als bereit, sein Spiel zu verbessern. Während Gary und Faith sich die Waage halten, eskaliert das, was als lokales Rennen begann, schnell zu einem nationalen politischen Kampf um die Seele Amerikas…

Vermutlich gibt es keinen Staat, in dem das Wahlsystem so verkorkst ist, wie in den USA, obwohl es sicherlich auch wo anders Verbesserungsbedarf gibt. Schon allein aufgrund des binären Systems dort, gibt es nur ja oder nein, es gibt kaum wirkliche Wahlmöglichkeiten und die Alternativen fehlen. Den Demokraten im echten Leben, aber auch im Film geht es schlecht. Also bekommt Gary Zimmer (Steve Carrell) fast einen Ständer, als ein Mitarbeiter in seinem Büro ihm das Video einer Stadtratssitzung in Deerlaken, Wisconsin vorspielt. Ein Mann, ehemaliger Marine stellt sich dem System entgegen und tritt für die Rechte derjenigen ein, die keine Stimme haben. Denn „Gutes tun in guten Zeiten ist einfach, aber wenn man es in Schlechten nicht auch tut, ist es nur ein verschissenes Hobby“. In dieser Aussage, sieht er einen versteckten Demokraten, aber einen, der auch im konservativen und ländlichen Amerika wählbar ist. Obwohl in Wisconsin lediglich etwas über 5,5 Millionen Einwohner leben und es sich so nur um einen relativ kleinen Staat handelt, sind die Stimmen dort doch hart umkämpft, handelt es sich bei Wisconsin eben um einen sogenannten „Swing State“.


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Gary Zimmer jettet also nach Deerlaken, taucht in einem wirklich lächerlichen Outfit dort auf und trotz seiner schnellen Recherche auf Wikipedia, bestellt er im „Brauhaus“ des Ortes Burger und Budweiser. Sie geben ihm seine Bestellung, obwohl sie diese Dinge normalerweise nicht verkaufen und er isst es, obwohl er weder Burger noch Budweiser mag. Und da zeigt sich mal wieder: Wenn man es versucht in der Politik jedem recht zu machen, schmeckt es am Ende niemanden. Irgendwann erklärt sich Jack bereit und es sind auch schnell einige enthusiastische, aber bestenfalls unerfahrene freiwillige Helfer gefunden. Und so kann die Aufholjagd beginnen. Doch das lässt sich die republikanische Partei natürlich nicht auf sich sitzen und so schicken sie ihre eigene Beraterin Faith Brewster (Rose Byrne), seine Nemesis. Obwohl man sich da nie so ganz sicher ist. Diese involviert auch sofort die Medien und behauptet selber aus Deerlaken zu kommen, obwohl sie vermutlich genauso wie Gary noch nie eine Kleinstadt von innen gesehen hat.

In dem Film bekommen wirklich alle ihr Fett weg und es werden zugleich äußerst humoristisch die Methoden zur Analyse des Wahlvolkes und des Wählerverhaltens aufs Korn genommen. Beispielsweise findet die Analystin Babs Garnett (Debra Messing) eine ungewöhnliche Häufung von Single Frauen in einer Wohngegend. Es werden also sofort Flyer für kostenfreie Abtreibung dorthin versendet. Es stellt sich allerdings nach einiger Zeit heraus, dass es sich bei dieser ungewöhnlichen Häufung um einen Konvent mit Nonnen handelt und so die Werbung wohl nicht ganz zielgerichtet war. Aber auch die Großstädter aus Washington DC verhalten sich nicht, wie man es erwartet hätte. Sie sind von der Lebenswirklichkeit in der Kleinstadt ungefähr so weit entfernt, wie Angela Merkel von ihrer Zeit im Kindergarten. Als der Bürgermeister-Kandidat in einem New Yorker Salon um Spenden für seinen Wahlkampf werben soll, behandeln sie ihn fast wie ein exotisches Tier, das man im Zoo anstarren würde.


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Und obwohl er den Oberschichtlern ziemlich direkt ins Gesicht sagt, dass er sie und ihr Geld im Grunde für den Ursprung allen Bösen hält, sind sie so begeistert, dass sie ihn mit genügend Geld ausstatten, dass er vermutlich fast das nächste SpaceX gründen könnte. Der Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters von Deerlaken wird auch in den nationalen Medien aufgegriffen und wird zu einer Schlacht, die sich irgendwann verselbstständigt. Egal ob es die Talkrunde in den konservativen Sendern ist, in denen darüber diskutiert wird, ob den nun ein ehemaliger Marine berechtigt wäre für die demokratische Partei zu kandidieren oder ein wildes Geschreie verschiedener Journalisten und Kommentatoren, die sich in einem eher liberalen Sender über die vermeintlichen Verfehlungen des amtierenden Bürgermeisters Braun gegenseitig versuchen zu übertrumpfen. Am Ende sind sie sich aber dennoch einig, dass das uneheliche Kind, das kurz vor der Wahl noch auftaucht, eine absolute Unverschämtheit ist und er als Bürgermeister nicht qualifiziert sei. Aber im Grunde ist es auch egal. Mit einem hat Gary am Ende doch recht: Wenn man es nicht schafft, mehr Stimmen für sich zu gewinnen, dann sorgt man eben dafür, dass die anderen nicht zur Wahl gehen.

Bei „Irresistable – Unwiderstehlich“ von Regisseur Jon Stewart („The Daily Show with Jon Stewart“) handelt es sich um eine Komödie, die es schafft mit Witz und Leichtigkeit alle möglichen Probleme amerikanischer Politik und deren Wahlen aufzuzeigen. Zugleich ist es aber vielleicht eher die Dynamik einer Hass-Liebe. Dabei können sich die beiden nicht so recht entscheiden, ob sie sich sofort die Kleider vom Leib reißen oder sich gegenseitig umbringen wollen. Zuletzt sei aber noch gesagt, dass es am Ende einen Twist gibt, der sich wohl wirklich so nennen kann. Ob dieser gelungen ist oder nicht, muss man dabei aber wohl selber entscheiden. ist.


IRRESISTIBLE – UNWIDERSTEHLICH

USA 2020 | Universal Pictures Germany | Start: 06. August 2020
R: Jon Stewart | D: Steve Carell, Rose Byrne, Chris Cooper


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