KINO | 22.11.2023

Nachdem Marie-Antoinette auf der Guillotine ihren Kopf verloren hat, strebt der korsische Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte in der neuen Französischen Republik nach Macht. Mit der Rückeroberung von Toulon im Jahr 1793 sowie dem Zusammenschießen eines royalistischen Aufstandes im Jahr 1795 gelingt dem taktisch visierten Napoleon der Aufstieg erst zum General und schließlich zum Anführer seiner eigenen Armee, mit der er in Italien und Ägypten einmarschiert.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2023 Apple

Es ist eine Zeit des Umbruchs: Im Chaos der Französischen Revolution verlieren Marie-Antoinette (Catherine Walker) und viele andere einflussreiche Personen des französischen Hochadels auf der Guillotine ihren Kopf. In diesem entstandenen Vakuum strebt der korsische Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) in der neuen Französischen Republik nach Macht. Nach einigen geschickten Militär-Diensten, darunter etwa die Rückeroberung von Toulon im Jahr 1793 sowie dem brutalen Niederschlagen des royalistischen Aufstandes im Jahr 1795, steigt der junge Napoleon in der Gunst und wird erst zum General und später dann zum Anführer seiner eigenen Armee. Doch neben dem Krieg gibt es für den aufstrebenden Feldherrn noch eine weitere Leidenschaft. Er verliebt sich in Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby), deren erster Ehemann in den Nachwehen der Revolution hingerichtet wurde. Doch auch wenn ihre Beziehung leidenschaftlich geführt wird, kommt es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen. Diese destruktive Beziehung und der nicht enden wollende Kampf um gesellschaftliche und politische Anerkennung bringen Napoleon an den Rand der Zerstörung.

NAPOLEON von Regisseur Ridley Scott („Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“) ist ein Film, der das Publikum spalten wird. Es ist ein guter Film, aber kein sehr guter oder gar herausragender Film. Das hat verschiedene Gründe. Es drängt sich nach einer Spielzeit von 158 Minuten der Eindruck auf, dass der britische Regisseur nicht sehr interessiert war an den historischen Hintergründen und an der Hauptfigur seiner Erzählung. Man lernt nur sehr wenig über den Menschen Napoleon Bonaparte und seine inneren Antriebsgründe für seinen Aufstieg in die höchsten Sphären der Macht. Neue Aspekte über Napoleon sucht man gar vergebens. Worauf basierte sein militärisches Genie? Was macht den charismatischen Anführer aus, den seine Truppen liebten und bis in Tod folgten? Was war das emotionale Fundament zwischen Napoleon und Josephine? Auf all diese wichtigen Fragen bleibt der Film jegliche Antworten schuldig. Der Film hetzt pflichtschuldig von Ereignis zu Ereignis und lässt dem Publikum kaum Zeit zum Atmen, zur Reflektion. Ohne Vorwissen bleiben Dinge unklar und sind bloße Kulisse.

Andere wichtige Ereignisse, wie die Völkerschlacht bei Leipzig fehlen gänzlich. Der Film schweigt sich aus über die weit über Frankreich gehende Bedeutung Napoleons aus, die bis in die heutige Zeit reicht. Stattdessen flache Witze und klischeebeladene Betrachtungen. Scott schafft es nicht, eine eigne Ästhetik, eine eigene Bildsprache zu entwickeln, die diesem Thema gerecht wäre. Es sind einzelne Abschnitte, wie Belagerung von Toulon und die Schlacht von Waterloo, worin das gewaltige cineastische Potential aufblitzt. Scott erweist sich als Meister in der Darstellung von komplexen Schlachtszenen, wobei er stets den Überblick im Chaos behält. Ansonsten präsentiert sich der Film über weite Strecken in eine Farbpalette aus Grau und Braun, ein Großteil der Farben fehlt, Düsternis beherrscht das Geschehen. Ein Pluspunkt hingegen sind die beiden Hauptdarsteller, die ihr großes schauspielerisches Talent eindrucksvoll unter Beweis stellen können.


NAPOLEON

Start: 23.11.23 | FSK 12
R: Ridley Scott | D: Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim
Großbritannien, USA 2023 | Apple TV+ Deutschland



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