Das
von Christopher Nolan geschriebene und inszenierte IMAX®-Thrillerepos
OPPENHEIMER konfrontiert das Publikum mit dem pulsierenden Paradoxon
jenes rätselhaften Mannes, der die Zerstörung der Welt riskieren
muss, um sie zu retten.
Mit
OPPENHEIMER präsentiert Regisseur Christopher Nolan („Interstellar“)
präsentiert ein bildgewaltiges cineastisches Meisterwerk, das
sich zu Beginn viel Zeit lässt, dann jedoch eine erzählerische
Wucht entwickelt, der man sich nur schwer entziehen kann. Das dreistündige
Biopic ist beeindruckend, monumental und emotional bewegend. Die gesellschaftliche
Aussage dieses Films ist zeitlos und angesichts des bedrückenden
Zustands der Welt aktuell und relevant. Christopher Nolan erweist
sich bei OPPENHEIMER erneut als Meister der cineastischen Inszenierung.
Wie schon zuvor in TENET, ist in diesem Film sehr viel handgemacht,
was die Spezialeffekte anbelangt. Das Ergebnis kann sich im wahrsten
Sinne des Wortes sehen lassen. Für Christopher Nolan ist Zeit
ein elementares Thema. Der Film spielt auf mehreren Zeitebenen. Der
Versuch, die Erkenntnisse der großen physikalischen Entdeckungen
des 20. Jahrhunderts visuell greifbar zu machen. Quantenmechanik und
Relativität. Was ist Realität? Durch die große physikalische
Revolution wurden Gewissheiten zerstört, Menschen verunsichert
und die Welt an den Abgrund gebracht.
Die
Physik entkoppelte sich von den Alltagserfahrungen der Menschen. Eine
Entwicklung, die bis zum heutigen Tag andauert. Die Atomspaltung gibt
den Menschen eine ungeheure Macht. Welche Verantwortung tragen Wissenschaftler?
Durfte man die Atombombe und später die Wasserstoffbombe auf
die Menschheit loslassen? Laut Oppenheimer sollte die Atombombe jegliche
Kriege für die Zukunft unmöglich machen. Nichts könnte
unwahrer sein. Nach 1945 starben Millionen von Menschen, Kriege sind
für die Herrschenden dieser Welt eine gangbare Verlängerung
der Politik mit anderen Mitteln. All diese Fragen wirft OPPENHEIMER
auf. Robert J. Oppenheimer verkörpert wie kein anderer Wissenschaftlicher
diese innere Zerrissenheit. Christopher Nolan verpackt diese Fragen
in überwältigende Bilder mit einem grandiosen und hypnotischen
Sound von Ludwig Göransson. Der Film ist in weiten Teilen eine
rauschhafte Erfahrung. Auch wenn das Publikum nicht diese Unterrichtung
in theoretischer Physik und das politische Ränkespiel komplett
versehen mag, kann man sich der soghaften Faszination von OPPENHEIMER
nur schwer entziehen.
Das
liegt auch an der überragenden schauspielerischen Leistung von
Cillian Murphy. Der Spielfilm basiert auf dem preisgekrönten
Sachbuch „J. Robert Oppenheimer: Die Biographie“ und arbeitet
bewusst mit einer in sich verschachtelten Erzählstruktur mit
Rückblenden, Zeitsprüngen und einer strengen Unterscheidung
zwischen farbigen und schwarz-weiß Passagen. Objektivität
und Subjektivität wird scheinbar zu einem Kriterium. Doch was
ist wahr und was ist falsch? Die Quantenmechanik wird für Oppenheimer
zum Wendepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere. Er ist fasziniert
von dem neuen Blick auf die Realität. Wahrscheinlichkeiten bestimmten
das Sein. So auch im Film. Realität erscheint subjektiv. Das
alles macht die komplexe Erzählstruktur von OPPENHEIMER nicht
leichter zu verstehen, doch das ist der Punkt.
Die
Suche nach objektiver Wahrheit durch das Publikum wird gespiegelt
in der subjektiven Welt der Wahrscheinlichkeiten. Man muss sich auf
diesen Film einlassen, ihn fühlen, akzeptieren. Dafür wird
man belohnt mit einem machtvollen Biopic, in dessen Mittelpunkt die
faszinierende Figur des genialen Physikers steht, der zur tragischen
Figur wird. Man kann die innere Zerrissenheit geradezu mit Händen
greifen. Regisseur Christopher Nolan versteht es in OPPENHEIM meisterhaft,
durch die Symbiose von Bild und Ton ein cineastisches Meisterwerk
zu erschaffen, dass sich von einem interessanten Biopic in einen spannenden
und nervenaufreibenden Thriller verwandelt. Ein
Thriller der Außen- und der Innenwelt. Ein Thriller der Zerrissenheit
von Robert J. Oppenheimer.
Cillian
Murphy verkörpert diese Zerrissenheit in einer beispiellosen
körperlichen Greifbarkeit. Der Film entführt das Publikum
in die innere Gedankenwelt dieses Mannes, die so komplex ist wie die
Welt der theoretischen Physik. Es ist diese innere Welt, die Verbindung
von Realität und Traumwelten, die Visualität von abstrakter
Mathematik, die den Film so stark werden macht. Genau wie die leisen
Zwischentöne. Dementsprechend reduziert Nolan bewusst den zentralen
Moment des Films, den Atombombentest in der Wüste von Los Alamos
und macht ihn damit noch grauenerregender. Wir vernehmen minimale
Musik, das Atmen der Wissenschaftler und erleben den Moment, an dem
Welt sich für immer veränderte. Auch das Grauen der beiden
Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki wird lediglich angedeutet
und zeigt stattdessen das Gesicht der Protagonisten und das Schrecken
über die Entfesslung dieser apokalyptischen Macht. Einer Macht,
für welche die Menschheit nicht reif war und es vielleicht niemals
sein wird.
Dieser
Film ist stets nah an seinen Figuren, was ihn stark und überzeugend
macht. Der Cast, angeführt von Cillian Murphy und Robert Downey
Jr. leistet dabei eine großartige Arbeit. An dieser Stelle muss
man Emily Blunt als Kitty Oppenheimer speziell erwähnen, die
eine unglaublich überzeugende und dichte schauspielerische Leistung
abliefert. Ihre Rede gegen Ende des Films bleibt unweigerlich in Erinnerung.
Dank ihr wird diese sehr interessante Figur greifbar und lebendig.
An dieser Rede wird deutlich, dass OPPENHEIMER viel mehr als eine
beeindruckende Geschichtsstunde und ein interessantes Biopic. Es ist
eine rauschhafte und faszinierende Erfahrung, die man so schnelle
nicht vergessen wird.
OPPENHEIMER
Start:
20.07.23 | FSK 12
R: Christopher Nolan | D: Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon
USA 2023 | Universal Pictures Germany