KINO | 26.08.2020

TENET

John David Washington ist der Protagonist in Christopher Nolans neuem Sci-Fi-Action-Spektakel TENET. Um die gesamte Welt vor dem Untergang zu bewahren, steht dem Protagonisten nur ein einziges Wort zur Verfügung: TENET. Seine Mission führt ihn in eine zwielichtige Welt der internationalen Spionage, in der die Gesetze der Zeit nicht zu gelten scheinen. Zeitreisen? Nein. Inversion.

von Eve Pohl


Copyright: © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.
Photo Credit: Courtesy of Warner Bros. Pictures

Ein CIA-Agent (John David Washington) wird nach einem Einsatz bei einem Terroranschlag auf die Kiewer Oper enttarnt und überwältigt. Selbst unter Folter weigert er sich jedoch, seine Kollegen zu verraten und nimmt sich selbst das Leben – oder glaubt das zumindest. In Wahrheit hat er so einen ultimativen Test bestanden und dadurch Zugang zu einer supergeheimen Organisation gewonnen, die versucht den Dritten Weltkrieg zu verhindern. Die Mitarbeiter stoßen immer wieder auf Gegenstände aus der Zukunft, die sich rückwärts in der Zeit bewegen – die sogenannte Inversion. Offenbar handelt es sich dabei um eine Kriegserklärung aus der Zukunft, deren Mittelsmann der russische Waffenhändler Andrei Sator (Kenneth Branagh) ist. Gemeinsam mit seinem neuen Partner Neil (Robert Pattinson) versucht der Protagonist, Zugang zu Sator zu erhalten und den Krieg der Zeiten zu verhindern. Eine Möglichkeit scheint Sators Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki) zu sein...

In Pandemie-Zeiten ist es um die Zukunft des Kinos schlecht bestellt. Nur wenige Blockbuster werden in naher Zukunft den Weg auf die große Leinwand finden, was überlebenswichtig für die Kinowirtschaft ist. Ohne Einnahmen kann kein Kinobetrieb aufrechterhalten werden. Daher wartet die Branche sehnsuchtsvoll auf einen Film, der auch in Krisenzeiten die Massen in die Kinos lockt. TENET von Regisseur Christopher Nolan („Interstellar“) ist ein solcher Film, der nun das Kino retten soll. Doch kann dieser Film diese Verantwortung schultern?


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Photo Credit: Courtesy of Warner Bros. Pictures

TENET bietet bombastische Bilder und einen tollen und überragenden Soundtrack von Komponist Ludwig Göransson („The Mandalorian“). Die Handlung weist jedoch an einigen Punkten Schwächen auf. TENET sollte man einfach auf der großen Kinoleinwand gesehen haben, um die tollen Schauwerte vollständig genießen zu können. Der Film wurde auf 70-mm-Film sowie im IMAX-Format gedreht. Als Zuschauer ist man schnell verwirrt – der übliche Christopher Nolan-Mindfuck, den man bereits aus Filmen wie „Inception“ gewöhnt ist. Um den Film auch nur ansatzweise zu verstehen, sollte man ihm am besten zwei oder gar dreimal sehen. Wer dachte „Inception“ sei komplex, der wird an TENET seine wahre Freude haben. Was an diesem Film gefällt, ist die gelungene Einheit von Musik, Inszenierung, einer grandiosen Kameraarbeit von Hoyte van Hoytema („Interstellar“) und seiner Bildsprache. Man ist während der gesamten Spielzeit von 150 Minuten mit dem Film beschäftigt und hat kaum Zeit das gesehene zu verarbeiten, geschweige darüber tiefgehender nachzudenken. Technisch ist TENET großartig. Wie von Regisseur Christopher Nolan gewohnt, ist der Film mit viel Liebe für Details in Szene gesetzt und bietet auch nach mehrmaligem Sehen immer noch neue „Goodies“, die zuvor nicht aufgefallen sind. Was nicht ganz so passt, ist die Figurenzeichnung. Häufig sind die Motivation und der Antrieb unklar oder nur schwer nachvollziehbar. Eine fehlende emotionale Tiefe macht es sehr schwer bis unmöglich, sich gefühlsmäßig auf die Figuren einzulassen. Das führt in der Folge dazu, dass einem das Schicksal dieser Figuren mehr oder wenig egal ist. Was ebenfalls fehlt, sind komplex angelegte Frauenfiguren. Hier würde man 2020 mehr erwarten.

TENET berührt nicht wirklich auf der emotionalen Ebene. Die Figuren bleiben nicht fassbar und fremd. Das wird sehr schön illustriert durch den Umstand, dass der Name der Hauptfigur, gespielt von John David Washington („BlacKkKlansman“), im ganzen Film an keiner Stelle erwähnt wird. Kino lebt davon, dass man mitleidet mit den Figuren und mit ihnen bangt. Das stellt sich hier nur sehr schwer ein. Die Figuren, mit Ausnahme von Kat, gespielt von Elizabeth Debicki („Widows - Tödliche Witwen“), entwickeln sich nicht weiter im Verlauf der Handlung und bleiben in vielerlei Hinsicht statisch. Auf der anderen Seite macht der Film Dinge mit deinem Kopf, die man so auf der Kinoleinwand noch nie erlebt und gesehen hat. Auf der erzählerischen Ebene ist TENET durchaus unterhaltsam. Man denkt auch nach dem Abspann noch lange über diesen Film nach. Es gibt sehr viele spannende und furios in Szene gesetzte Actionszenen, was für Spannung und aufregende Momente sorgt. Trotz einer sehr langen Spielzeit von 150 Minuten, weist der Film keine schlimmen Längen auf. Der Stoff ist derart komplex angelegt, dass man ihn vielleicht niemals 100% verstehen wird.


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Ein mehrfacher Kinobesuch kann da nur hilfreich sein. Auf der erzählerischen Ebene ist die Handlung gelegentlich nur schwer nachzuvollziehen. Es passiert in diesem Film sehr viel gleichzeitig, was konventionelle Sehgewohnheiten auf die Probe stellt. Mit TENET bleibt Regisseur Christopher Nolan seinem Ruf treu, dass er stets die Grenzen des Films neu auslotet und Schauwerte präsentiert, die man so noch nie zuvor gesehen hat. Der Grundton von TENET ist sehr düster. Eine verstörende Dystopie, die an wunderschönen Orten gedreht, die mit dem verstörenden Inhalt stark kontrastieren. Der Film verbindet Elemente des Actionfilms mit einem Agententhriller, eingebettet in eine innovative Sci-Fi-Story, die in einem schnellen Tempo erzählt wird. Der Film ist spannend inszeniert und operiert mit einer Grundannahme, die für alle Beteiligten keinerlei Sicherheit garantiert. Auch wenn der Zuschauer grob weiß worum es geht, gibt es im Film sehr viele spannende Wendungen und unvorhersehbare Überraschungen. Auf der schauspielerischen Ebene ragen Robert Pattinson und Elizabeth Debicki aus dem Cast heraus. Beide haben eine sehr starke Kamerapräsenz und hinterlassen einen guten Gesamteindruck. Besonders Elizabeth Debicki als Kat durchläuft eine spannende und umfangreiche Charakterentwicklung.

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Ein besonderes Lob geht an dieser Stelle an den Soundtrack von Ludwig Göransson. Der schwedische Komponist, der als „Ersatz“ für Hans Zimmer einsprang, setzt perfekt den typischen Christopher Nolan – Sound um, ergänzt ihn jedoch raffiniert mit ganz eigenen Akzenten. Seine Musik ist treibend und hämmernd. Man spürt in seinem Sitz regelrecht die Kraft seiner Musik – manchmal nur laut und emotional, manchmal einfühlsam und gefühlvoll. Der Look von TENET Ist edel und elegant. Die Männer tragen teure Maßanzüge, wenn sie gerade nicht in voller Kampfmontur stecken, genau wie die Frauen. Besonders Cats Look ist sehr schick und aufregend. Manchmal könnte man fast meinen sie wäre direkt aus einem Film Noir Krimi entwischt. Hier wurde sich bis in das kleinste Detail Gedanken um die Außenwirkung gemacht. TENET kommt ohne viel CGI aus. Man sieht Dinge, die zuvor noch niemals in dieser Art und Weise real inszeniert wurden. Bei einem derartigen Film würde man deutlich mehr CGI-Effekte erwarten. Christopher Nolan setzt jedoch weitgehend auf reale Inszenierungen, etwa wenn ein echtes großes Passagierflugzeug mit einem Gebäude kollidiert. Das ist nicht nur spektakulär, sondern sieht außerdem noch richtig gut aus. Der Film mündet schließlich in ein spektakuläres Finale, das seinesgleichen sucht. Es ist der Mindfuck-Moment schlechthin. Das muss mit eigenen Augen gesehen haben, auch wenn man es bei ersten Mal nicht mal ansatzweise erfassen kann. TENET ist ein audio-visuell überragender und konzeptionell innovativer Film, der auf der Ebene der Figurenzeichnung Schwächen zeigt.

TENET
USA 2020 | Warner Bros. GmbH | Start: 26. August 2020 (FSK 12)
R: Christopher Nolan | D: John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki



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