KINO | 06.01.2022

THE 355

Die CIA-Agentin Mace muss mir ihrer deutschen Rivalin Marie, einer britischen Computerspezialistin namens Khadijah und der kolumbianischen Psychologin Graciela zusammenarbeiten, nachdem eine streng geheime Waffe der falschen Organisation in die Hände gefallen ist.

von Eve Pohl


© 2020 UNIVERSAL STUDIOS. ALL RIGHTS RESERVED.

Eine global operierende Organisation ist kurz davor, in den Besitz einer Waffe zu gelangen, welche die Welt in großes Chaos stürzen würde. Um sie aufzuhalten, muss sich CIA-Agentin Mason Browne (Jessica Chastain) mit ihren größten Konkurrentinnen verbünden: der britischen Technikspezialistin Khadijah (Lupita Nyong´o), der kolumbianischen Psychologin Graciela (Penélope Cruz), der chinesischen Computerexpertin Lin mi Sheng (Bingbing Fan) und der draufgängerischen Marie (Diane Kruger) aus Deutschland. Ihre hochriskante Mission führt die fünf Frauen um die ganze Welt – von den Pariser Cafés, über die marokkanischen Souks bis in das glamouröse Shanghai. Doch nur wenn sie es schaffen, ihre Rivalitäten zu überwinden und ihre besonderen Fähigkeiten zu vereinen, können sie ihren mächtigen Gegner besiegen. Gemeinsam bilden sie eine neue Agenteneinheit: Codename „355“.

Die Idee, ein Agentinnenteam aus Spezialistinnen aus der ganzen Welt zusammenzustellen, entsprechend ihrer Fähigkeiten hört sich nach einem echten Sehgenuss an. In letzter Zeit gab es ja einige Versuche genau dies umzusetzen. Von „Ocean's Eight“, über das Reboot von „Drei Engel für Charlie“ bis hin zum „Black Widow“ Einzelfilm, rücken Agentinnen als eigenständige Charaktere – und eben nicht als sexy Anhängsel von männlichen Helden – in den Vordergrund. Genau dieser Gedanke hat wohl die Entstehung dieses Films getrieben. Ein Ensemble aus fünf Frauen, so divers wie man es sich oftmals wünscht und eine Vielzahl von exotischen Orten, damit sind eigentlich schon alle Grundbedingungen für einen spannenden Agententhriller gegeben. Aber irgendwie mag dieser Film nie so richtig einschlagen. Natürlich erwartet man bei diesem Genre nicht unbedingt tiefgründige Dialoge oder massive Charakterstudien. Da folgt die Geschichte eigentlich stringent dem Genre. Es gibt glamouröse Kleider auf einer Kunstauktion, atemberaubende Blicke aus dem Penthouse in Shanghai und jede Menge schneller Action-Szenen. Soweit so gut, solide inszeniert und unterhaltsam.


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Das große Problem des Films ist allerdings sein Drehbuch. Dieses bietet alle möglichen Dinge, die man eigentlich nicht sehen möchte. Für die Hintergrundgeschichten der einzelnen Charaktere hat man ganz tief in die Klischeekiste gegriffen. Denn wer hätte nicht seine deutsche Agentin Frau Schmidt genannt? Oder sie zu einer Einzelgängerin mit Vaterkomplex und KGB Vergangenheit gemacht? Oder die chinesische Agentin zu einer Frau, die äußerst präzise und distanziert ist und einen gigantischen Schrank giftiger Teesorten besitzt?

Zusätzlich dazu, wird das mit der Einteilung in drei Akte etwas zu genau umgesetzt. Dabei gleicht der Kinobesuch einer echten Berg-und-Talfahrt. Immer, wenn ein Akt abgeschlossen ist, hat man als Zuschauer das Gefühl, dass der Film jetzt zu Ende ist. Und das ist er dann irgendwie doch nicht. In diesen Szenen hätte man die Spannung sicherlich besser halten können. Hinzu kommen einige Logiklücken, die sich nur damit erklären lassen, dass man vielleicht noch eine Fortsetzung drehen möchte. Und dann wäre es natürlich etwas unpraktisch, wenn der Bösewicht schon im ersten Teil gestorben wäre. Bei dem hohen Potenzial die Welt zu zerstören, fragt man sich wirklich, was da noch kommen soll.


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Diane Kruger hat übrigens ihre Rolle wunderbar gespielt, wurde aber leider grauenhaft angezogen. Penelope Cruz spielt auch sehr gut und gleichzeitig den interessantesten Charakter. Manchmal hat man während des Films das Gefühl, dass ganz ohne Dialog und ein Wort darüber zu verlieren, das Dilemma vieler Frauen in der heutigen Gesellschaft dargestellt wird. Graciela ist erfolgreich, sie ist eine Karrierefrau. Blöderweise ist sie an erster Stelle trotzdem Mutter. Eigentlich ist ihr Mann zu Hause und kümmert sich um die Kinder, sie richtig anziehen, bekommt er aber nicht hin. Etwas ironisch, wenn man bedenkt, dass sie mit den anderen Frauen gerade einer extrem gefährlichen Waffe nachjagt.

Insgesamt hatte die Idee ein Agentinnen-Ensemble aus verschiedenen Nationalitäten zu gründen, wirklich Potenzial. Leider ist das Drehbuch nicht gut und so hatten weder die Schauspielerinnen, noch die tollen Locations die Möglichkeit zu strahlen. Um zu erfahren, warum der Film „The 355“ heißt, muss man bis ganz zum Ende warten. Auch das ist nicht ganz ideal, aber auch kein Weltuntergang. Wenn man Lust auf einen Actionstreifen mit wenig Neuerungen in Bezug auf die Geschichte hat, kann sich hier wirklich wunderbar unterhalten lassen. Man sollte aber keine bahnbrechenden Neuerungen erwarten. Und vielleicht gibt es bei der Fortsetzung ja ein raffinierteres Drehbuch.


THE 355

Start: 06.01.22 | FSK 16 | USA 2021 | LEONINE Studios
R: Simon Kinberg | D: Jessica Chastain, Penélope Cruz, Bingbing Fan, Diane Kruger, Lupita Nyong'o


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