Zu
Beginn dieses Jahres erschienen die George Orwell-Klassiker „1984“
und „Farm der Tiere" als vollständige Lesungen bei Random
House Audio, parallel zu den Buchausgaben bei dtv. Auch nach mehr 75
Jahren haben seine Bücher nichts von ihrer Aussagekraft und Aktualität
eingebüßt.
von
Richard-Heinrich Tarenz
1984
- Als Mitarbeiter des Ministeriums für Wahrheit verbringt Winston
Smith seine Tage damit, die Geschichte zugunsten der regierenden Partei
umzuschreiben. Aber in seinem Inneren wächst ein Widerstand gegen
das totalitäre System, in dem das Leben aufs Strengste reguliert
und überwacht wird. Als Winston sich verbotenerweise verliebt,
erfährt er, was der Wunsch nach Freiheit kostet…
FARM
DER TIERE - Die Tiere auf dem Hof des Säufers Mr. Jones
leiden unter seinem gewalttätigen Regiment. Aber genug ist genug!
Die intelligenten Schweine arbeiten ein Programm für die Befreiung
vom menschlichen Unterdrücker aus. Die Rebellion ist erfolgreich.
Doch selbst die, die sich aus der Unterdrückung befreien, können
zu Unterdrückern werden – und bald schon leiden die Tiere
unter der Diktatur der Schweine…
Vieles
ist schon geschrieben worden über das literarische Werk von George
Orwell (1903-1950), der mit seinen Romanen, Essays und Reportagen zeitlose
Klassiker der Weltliteratur erschuf. Er gilt heute als einer der bedeutendsten
Schriftsteller der englischen Sprache. Seine Dystopien „1984“
und „Farm der Tiere“ sind jetzt als vollständige Lesungen
bei Random House Audio erschienen, parallel zu den Buchausgaben bei
dtv. Während sich „Farm der Tiere“ (1945) mit dem Sowjetkommunismus
beschäftigt, ist „1984“ (1949) eine dystopische Zukunftsvision
von einem totalitären Staat. Beide Klassiker wurden von Lutz-W.
Wolff neu übersetzt. Dabei wurde sehr behutsam mit dem Originaltext
umgegangen. Sprache unterliegt einem stetigen Wandel.
Dabei
bedarf es einem hohen Maß an Fingerspitzengefühl, um das
richtige Maß zwischen überholten Ausdrucksweisen und einer
platten Anbiederung an den Zeitgeist zu finden. Lutz-W. Wolff gelingt
dieses Unterfangen sehr gut. Die sehr wichtige und kreative Arbeit von
Übersetzerinnen und Übersetzern kann an dieser Stelle gar
nicht genug gewürdigt werden. Für die beiden ungekürzten
Lesungen von „1984“ und „Farm der Tiere“ konnte
Christoph Maria Herbst gewonnen werden, der seine Sache sehr gut macht.
Es ist eine wahre Freude ihm zuzuhören. In jedem Wort sind seine
langjährigen Erfahrungen als Schauspieler sowie Hörbuch- und
Synchronsprecher spürbar. Er findet stets den richtigen und angemessenen
Ton und hält sich bewusst im Hintergrund. Auch bei den nur schwer
zu ertragenden Folterszenen findet er den richtigen Ton und begleitet
den Zuhörer auf diesem Weg. Die Figuren in den Romanen werden durch
Herbst lebendig und greifbar.
Beide
Lesungen sind mit einem Vorwort ausgestattet. Bei „Farm der Tiere“
hat diese Aufgabe Ilija Trojanow, seines Zeichens Schriftsteller, Übersetzer
und Verleger, übernommen. Diese Wahl ist folgerichtig und passend.
2007 drehte Trojanow die Dokumentation „Vorwärts und nie
vergessen – Ballade über bulgarische Helden“ über
die Verbrechen und Grausamkeiten der bulgarischen Kommunisten und in
der heutigen bulgarischen Gesellschaft verbreitete Lügen. Der Film
basiert auf Gesprächen mit politischen Gefangenen und Zeitzeugen,
die auf Jahre und Jahrzehnte in den Gefängnissen und Lagern Bulgariens
verschwunden waren. 2009 veröffentlichte Trojanow zusammen mit
Juli Zeh das Buch „Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn,
Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte“.
Im Rahmen der Buchvorstellung kritisierten die beiden Autoren, dass
der Staat unter dem Deckmantel der Terrorabwehr immer weiter in die
Privatsphäre seiner Bürger vordringe. Sein Vorwort zu „Farm
der Tiere“ setzt den Roman in einen interessanten gegenwärtigen
Kontext und stellt die Zeitlosigkeit des Themas heraus. Der Sowjetkommunismus
mag untergegangen sein, die Tendenzen zu einem starken Staat und zu
einer wachsenden Überwachung der Bevölkerung sind aktueller
denn jemals zuvor. Das Vorwort zu „1984“ spricht Robert
Habeck, seines Zeichens Bundesvorsitzender der Grünen.
Das
Amt teilt er sich mit Annalena Baerbock. Es ist kritisch zu hinterfragen,
warum in einem Superwahljahr der Vorsitzender einer im Bundestag vertretenen
Partei, die nach der kommenden Bundestagswahl durchaus in der Bundesregierung
vertreten sein könnte, die Gelegenheit erhält, seine politischen
Ansichten prominent zu vertreten. In seinem Vorwort vermischen sich
treffende literarische Analyse mit parteipolitischen Ansichten. Vorworte
sind jedoch generell eine subjektive Angelegenheit, die nicht die zeitlose
Bedeutung von „1984“ und „Farm der Tiere“ tangieren.
Das 20. Jahrhundert war zutiefst geprägt von Ideologien. Der existentielle
Kampf zwischen diesen Ideologien stürzte die Welt zweimal in einen
verheerenden Weltenbrand. Totalitäre System waren oft mit diesen
Ideologien verbunden. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus
war vielfach vom Ende der Ideologien die Rede. Doch die Gefahren einer
totalitären Herrschaft sind weltweit so groß wie nie zuvor.
Man denke nur an die VR China oder an die Überwachungspraktiken
der NSA, welche die schlimmsten Befürchtungen eines George Orwell
übertreffen. Totalitarismus ist nicht an eine bestimmte Ideologie
gebunden, er lauert überall. Sein mächtigster Feind sind freie
Informationen. Das macht die Bedeutung dieser beiden Romane aus.