BELLETRISTIK | 20.09.2023
ACHT
WÖLFE
Der
Wood-Buffalo-Nationalpark in Alberta, Kanada: weite Wälder, breite
Flüsse, unberührte Wildnis. Das Zuhause von Bisonherden, den
größten Kranichen der Welt – und für drei Wochen
auch von einer Gruppe junger Stadtmenschen. Unterwegs wird ihnen beigebracht,
wie sie Feuer machen, Bären entkommen und Essbares finden können.
von
Franziska Keil
Acht
junge Menschen schließen sich einer geführten Wanderung im
größten Nationalpark Kanadas an. Sie wollen für drei
Wochen ungezähmte Natur erleben und Nordlichter sehen. Aber sogar
in der tiefsten Wildnis kann man zur falschen Zeit am falschen Ort sein.
Als sie Zeugen eines Verbrechens werden, bleibt ihnen keine andere Wahl,
als Hals über Kopf ins Dickicht zu fliehen. Sie haben keine Orientierung,
kaum Ausrüstung und können einander nicht leiden. Aber sie
haben nur eine Chance, es lebendig nach Hause zu schaffen: wenn sie
zusammenhalten.
Ulla
Scheler ist eine begnadete und talentierte Autorin. Sie versteht es
sehr gut, mit ihren Worten Landschafen und Stimmungen in den Köpfen
der Leserinnen und Lesern zu erzeugen. Sie hat bereits von Kritik und
Publikum gleichermaßen begeistert aufgenommen, im Bereich der
Jugendliteratur ihr literarisches Talent mit „Es ist gefährlich,
bei Sturm zu schwimmen“ unter Beweis gestellt. Nun folgte mir
„Acht Wölfe“ ihr mit Spannung erwartetes Debüt
im All-Age-Bereich. Das Buch, erschienen im Heyne Verlag in der Penguin
Random House Verlagsgruppe GmbH, lässt sich sehr gut als Survival-Thriller
einordnen, wobei die Autorin bewusst mit Genre-Erwartungen spielt und
Grenzen überschreitet. Man könnte dieses Buch dementsprechend
auch als Psycho-Thriller bezeichnen, doch simple Kategorisierungen werden
ihm nur bedingt gerecht. Um es schon an dieser Stelle vorwegzunehmen:
Dieses Buch gehört zu den literarischen Höhepunkten des laufenden
Jahres. Die Autorin kann die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen
und übertreffen, die nach ihren grandiosen Jugendbüchern bestanden.
„Acht Wölfe“ ist ein Buch, welches man gelesen haben
muss.
Die
Handlung ist in höchstem Maße spannend, abwechslungsreich
und kreativ. Es gibt unvorhersehbare Wendungen und eine schonungslose
Darstellung der emotionalen Ereignisse. Ulla Scheler scheut sich inhaltlich
vor erzählerischen Entscheidungen, die man ihr durchaus übelnehmen
könnte, die jedoch dazu beitragen, dass dieses Buch so großartig
geworden ist. Es entfesselt eine erzählerische Wucht, die man hierzulande
nur selten in einem derartigen Buch empfindet. Sie beherrscht ihre Figuren
meisterhaft, gibt ihnen den notwendigen Raum, ohne den Handlungsfluss
zu stören. Ebenso verfährt sie mit Nebenhandlungen, die sich
stets der eigentlichen Handlungen unterordnen. Ihre Worte sind von großer
Kraft. Man fühlt sich geradezu hineinversetzt in die faszinierende
Landschaft des größten Naturparks Kanadas. Die Charakterzeichnung
der Figuren funktioniert sehr gut, ihre Handlungen sind stets nachvollziehbar
motiviert. Ihr Schreibstil ist klar, präzise und immer dann emotional,
wenn es darauf ankommt. Franziska Keil
Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Sie studierte
Psychologie und Informatik in München und Karlsruhe. Ihr Debütroman
»Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen« war ein
großer von Leser*innen und Presse gefeierter Erfolg. Ulla Scheler
wurde damit außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis
nominiert. »Acht Wölfe« ist ihr erster All-Age-Roman.