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SACHBUCH | 18.11.2020

CHANEL CATWALK COMPLETE
Die Kollektionen von Karl Lagerfeld und Virginie Viard

Die Entwürfe des Hauses Chanel machen seit der Übernahme durch Karl Lagerfeld 1983 Schlagzeilen und bestimmen Trends weltweit. Dieser Band präsentiert die wichtigsten Looks aller von Lagerfeld und seiner Nachfolgerin Virginie Viard entworfenen Chanel-Kollektionen anhand von Original-Laufstegfotos – von Haute Couture und Prêt-à-porter bis hin zu Cruise- und Métiers-d'Art-Kollektionen. Diese um achtundzwanzig neue Kollektionen erweiterte Ausgabe bietet eine einzigartige Gelegenheit, die Entwicklung einer der einflussreichsten Modemarken nachzuvollziehen und selten gesehene Stücke zu entdecken.

von Eve Pohl


© Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay

Der Bildband CHANEL KOLLEKTIONEN zeigt die gesammelten Arbeiten von Karl Lagerfeld für Chanel, von der ersten Kollektion im Jahr 1983 bis zu seinem Tod, sowie die Kreationen seiner Nachfolgerin Virginie Viard.

Die Geschichte CHANELs

Chanel ist eines der renommiertesten Modehäuser, die heute existieren und dementsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die den Kollektionen des Hauses zukommt. Ursprünglich von Gabrielle „Coco“ Chanel gegründet, existiert es seit 1913. Das ist zumindest das Datum, welches das Unternehmen als Gründungsdatum angibt. Chanel gründete allerdings bereits im Jahr 1909 ein Hutatelier in dem sie Kreationen für die wohlhabenden Damen aus Paris verkaufte. Um die Person Coco Chanel und ihr Leben ranken sich zahlreiche Mythen, von denen man nicht genau weiß, wo sie herkommen, die aber für die Markenbildung entscheidend waren. Sie wurde 1883 geboren und verbrachte ihre Jugend in einem von Nonnen geführten Konvent, nachdem ihre Mutter gestorben war. Dort lernte sie nähen und nachdem sie das Kloster aufgrund ihres Alters verlassen musste, arbeitete sie zunächst in einem Geschäft für Baby- und Aussteuerprodukte und nahm auch privat Aufträge an. Außerdem schlug sie sich auch mit anderen Jobs und Unternehmungen durch. Über Coco Chanels Umgang in der Zeit der Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg gibt es viele Gerüchte. Ein Buch von 2011 mit dem Titel „Der schwarze Engel – Ein Leben als Nazi-Agentin“ bringt zumindest einige Tatsachen ans Licht.

Darin beschreibt der Enthüllungsjournalist Hal Vaughan, dass sie als Agentin für die deutschen Besatzer arbeitete, vor allem durch Baron Hans Günther von Dincklage eingefädelt. Er lebte wie sie selber im Hotel Ritz in Paris, wo sie sich wohl getroffen haben. In mindestens zwei Operationen war Agentin F-7124 - das ist Coco Chanel - verwickelt. Aus welchen Gründen als Agentin für die Deutschen tätig war, ist heute nicht mehr genau nachzuvollziehen. Vielleicht aus Liebe zu Baron Dincklage, vielleicht auch, weil sie die Anteile der Brüder Wertheim an der Parfümsparte von Chanel wieder in ihren Besitz zu bekommen wollte. Sie versuchte nämlich genau diese Anteile im Zuge der „Arisierung“ der jüdischen Besitzungen, zurückzuerlangen, was allerdings fehlschlug. Auch Vaughan hält es für unwahrscheinlich, dass sie aus politischen Beweggründen handelte. Deswegen werden die genauen Umstände vermutlich im Dunkeln der Vergangenheit bleiben. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges floh sie in die Schweiz, bis sie im Jahr 1954 ein Comeback mit einer neuen Kollektion startete. Während ihrer Zeit als kreativer Kopf von Chanel kreierte sie zahlreiche Klassiker, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreuen, wie zum Beispiel das kleine Schwarze, das Parfüm Chanel No. 5, die zeitlos elegante Tasche Chanel 2.55 oder das Chanel Kostüm aus Tweed.

Daneben nutzte sie gerne Baumwolljersey als Werkstoff für ihre Kleidung, was bis dahin nicht üblich war. Am Ende fragt man sich wohl, inwiefern sich die Entwürfe und revolutionäre Modekunst von den dunklen Flecken in Coco Chanels Leben lösen lassen. Es bleibt aber, dass sie einige Dinge entworfen hat, die bis heute in Mode geblieben sind und ihr so ein ewiges Vermächtnis bescheren. Karl Lagerfeld sagt dazu: „Chanel hat uns ihren unverkennbaren Stil hinterlassen: Sie hinterließ einen Stil, der zu einer anderen Zeit gehört, aber überlebt hat und ich den Entwicklungen aller folgender Jahrzehnte anpassen konnte.“ Ihr Charakter mag berechnend gewesen sein, ihre Kunst aber ist das, woran man sich heute erinnert. Ihr Talent ist auch das, in was wir uns erfreuen können.

Eine Neuorientierung mit Karl Lagerfeld

Nach dem Tod von Coco Chanel befand sich der Konzern in einer Krise. Das lag vor allem daran, dass ihre Nachfolger hauptsächlich das Erbe der Marke bewahren wollten und damit Innovationen vernachlässigten. Deswegen litt Chanel in diesen Jahren unter dem Image Mode für Damen fortgeschrittenen Alters zu designen und herzustellen. Das änderte sich erst nach und nach, als Karl Lagerfeld die kreative Leitung des Unternehmens übernahm – und das, obwohl ihm von vielen Wegbegleitern davon abgeraten wurde. In den folgenden Jahrzehnten schuf Karl Lagerfeld unzählige Kollektionen für Chanel, insgesamt in jedem Jahr zehn Kollektionen, von denen sechs auf dem Laufsteg präsentiert wurden. Daneben ist sein Verdienst ein über alle Landes- und Sprachgrenzen hinweg verstehbares Branding, nämlich Symbole, die überall wiedererkannt werden können. Dazu gehört das bekannte CC-Logo. Im Laufe seiner langen Karriere interpretierte und erfand er Chanel immer wieder neu und transformierte so die Marke, blieb aber bei den charakteristischen Elementen wie Tweed, dem kleinen Schwarzen, Modeschmuck und der Kamelie als Blume.

Er nutzte clevere Marketingstrategien wie die Ausstattung von Models oder Berühmtheiten und schaffte es so, dass Chanel zu eine der führenden Marken in der Damenmode wurde und auch bis heute bleibt. Im Laufe seines Lebens gab es immer wieder Kontroversen, die ihn auch zu einer streitbaren Person machten. Beispielsweise sprach er sich gegen ein Laufstegverbot von stark untergewichtigen Models aus und engagierte selbst gerne sehr dünne oder dürre Models für seine eigenen Schauen. Als er am 19. Februar 2019 starb, hinterließ er nicht nur bei Chanel eine Lücke, sondern auch bei den vielen anderen Modehäusern, für die er gearbeitet hat. Er beschrieb sich indem er sagte: „In jüngster Zeit bin ich nur ein Söldner, den man dafür bezahlt, die Marke aufrechtzuerhalten.“ Das mag stimmen in Anbetracht, dass er nicht seine eigene Person, sondern die Mode in den Vordergrund stellte, machte ihn aber dann doch zu einer mysteriösen Gestalt, eine Kunstfigur, die selbst wieder eine Marke für sich war.


© Foto von cottonbro von Pexels

Die Métiers d'Art

In der Saison 2002/2003 präsentierte Karl Lagerfeld zum ersten mal eine Kollektion für eine neue Reihe, die Métiers-d'Art. Dabei sollte vor allem die Handwerkskunst der angeschlossenen Ateliers gewürdigt werden. Diese erste Kollektion erhielt den Namen „Satellite Love“. Diesen Namen wählte Lagerfeld, weil die Ateliers Satelliten genannt wurden, sie schweben metaphorisch gesehen mit ihrem speziellen Können rund um die Marke Chanel und sie alle zusammen bilden eine Einheit, die Kleidung und Accessoires herstellt, die höchsten Qualitätsansprüchen genügt – ihren Preisen entsprechend. Von 1984 bis 2002 übernahm Chanel die fünf Ateliers, die bereits zuvor Lieferanten für führende Modehäuser waren. Dazu gehören Desrues (1984), Lemarié (1996), Lesage (2002), Massaro (2002) und der Maison Michel (1996). Jedes dieser Ateliers ist auf einen ganz bestimmten Bereich spezialisiert. So stellt Desrues vor allem Modeschmuck und Knöpfe, aber auch Gürtelschnallen oder Handtaschenketten her. Lemarié ist auf die Arbeit mit Federn und künstlichen Blumen spezialisiert, man denke nur an die zahlreichen Entwürfe mit Kamelien. Die Stickereien für Chanel entspringen dem Atelier Lesage. Einer der bekanntesten Schuhe, welcher ohne Zweifel zeitlos elegant ist, ist der beige Schuh mit der schwarzen Spitze, der im Jahr 1957 zum ersten mal präsentiert wurde. Er wurde von Coco Chanel selbst entworfen – gerüchteweise, weil sie ihre Füße als zu groß empfand und durch den Schuh mit Hilfe einer optischen Täuschung kleiner wirken lassen wollte. Ob das stimmt, steht in den Sternen.

Die Schuhe von Chanel werden aber seit dieser Zeit von Massaro hergestellt. Schließlich gibt es noch den Maison Michel, welcher exquisite Hüte herstellt. Nach 2002 kamen noch weitere Ateliers zu den fünf Ursprünglichen dazu, die beispielsweise Handschuhe oder Strickwaren herstellen. Der neuste Zuwachs zum Konzern kam im Jahr 2013 dazu und ist zuständig für Gerberei. Bis heute wurde in jedem Jahr eine dieser Schauen gezeigt, die der Kunst huldigt. Seit der Saison 2004/2005 widmete sich Chanel den Kulturen der Welt. Die Kollektionen wurden dann nicht mehr nur in Paris, sondern entsprechend des Themas an verschiedenen Orten präsentiert, zum Beispiel 2012 im Linlithgow Palace in der Nähe von Edinburgh. Laut Karl Lagerfeld sollte die Kollektion eine (imaginäre) Begegnung von „Maria Stuart, die einst Königin von Frankreich und Modekönigin einer anderen Zeit war, und Coco Chanel, einer Art Königin der französischen Mode“ darstellen, in der Konklusion „ein romantischer Look mit einem Hauch Grausamkeit“. Der Einfluss sowohl von Schottland, als auch der Tudor Ära ist hierbei kaum zu übersehen.

Neben Strumpfhosen im Argyle-Muster und Kleidungsstücken aus Tartan, gibt es auch Capes, Jacken und Mäntel, die für das etwas ungemütliche Wetter Schottlands durchaus passend scheinen. Der zweiten Seite, nämlich der historischen Komponente widmet Karl Lagerfeld eine Hommage mit Halskrausen, üppig bestickten Blusen und sogar den Frisuren, die die Models über den Laufsteg zur Schau tragen. Auf einem in Cremeweiß und Gold gehaltenen Kleid glitzert sogar eine Kreuzbrosche im Dekolleté, die in ähnlicher Form auf Portraits von Elisabeth I. zu finden sind. Andere Kollektionen der Métiers d‘Art entführen zum Beispiel nach Shanghai, London, Byzanz, Dallas, New York oder Hamburg und wurden oftmals an fantastischen Orten vorgeführt wie der Elbphilharmonie vorgeführt. Die Schauen zu den Métiers-d'Art und die Kollektionen erfand Karl Lagerfeld, da er ein Loch im Produktionskalender sah, gerade in der Weihnachtszeit, in der gute Umsätze zu erwarten sind.

Der Staffelstab wird weitergereicht an Virginie Viard

Nach Karl Lagerfelds Tod im Februar 2019 übernahm Virginie Viard die kreative Leitung von Chanel, nachdem sie bereits über dreißig Jahre mit und für Karl gearbeitet hatte. Sie studierte an der Modeschule Le Course Georges in Lyon und arbeitete danach eine Weile als Kostümbildnerin. Danach startete ihre Reise bis zur Kreativchefin von CHANEL im Jahr 1987 in der Stickerei-Abteilung der Marke, wo sie ein Praktikum absolvierte. Nachdem sie für einige Jahre mit ihrem Mentor Karl Lagerfeld zu Chloé gewechselt war, kehrte sie schließlich im Jahr 1997 zu Chanel zurück. Sie arbeitete dort als Studioleiterin und setzte die Skizzen, die Karl Lagerfeld ihr lieferte, in physische Kleidungsstücke um. Sie ist also in Grunde eine Dolmetscherin für Stoffe, Stickereien, Knöpfe, Nähte und künstliche Blumen. In der Dokumentationsserie „Seven Days Out“ widmet sich die fünfte Episode der Modewoche, speziell der Vorbereitung der Haute-Couture Show von Chanel, die normalerweise im Grand Palais in Paris gezeigt wird. Diese Dokumentation ist sehr interessant, kann man dort die Arbeitsweise und -teilung zwischen Karl Lagerfeld und Virginie Viard besonders gut nachvollziehen: Er entwirft, sie setzt diese Entwürfe dann in konkrete Modelle um und ist für Rückfragen von den Mitarbeiterinnen zuständig. Vor der Show sucht sie die Models aus und weist jeder der Frauen ein Outfit zu, das zu ihr passt, aber auch das Esemble erstrahlen lässt.

Es ist also kein Wunder, dass Lagerfeld sie gerne „meine rechte und linke Hand“ nannte. Im Nachhinein betrachtet, stellten sich alle Spekulationen über die Nachfolge Lagerfelds als falsch heraus, denn Virginie Viard wurde nicht als seine Nachfolgerin gehandelt. Vielleicht hätte man es aber schon erwarten können, nahm Karl Lagerfeld bereits bei der Prêt-à-porter Schau (Frühjahr/Sommer 2019) und bei den Métiers-d'Art in New York mit ihr gemeinsam den Schlussapplaus entgegen und schließlich ging sie sogar bei der nachfolgenden Haute-Couture Schau alleine auf die Bühne. Virginie Viard hat jetzt eine schwierige Situation zu meistern. Zwei Menschen mit großem kreativem Output haben Chanel in den letzten Jahrzehnten zu der Marke gemacht, die sie heute ist. Die Aufgabe gleichzeitig dieses Erbe zu bewahren und Chanel doch immer wieder neu zu erfinden, ist keine Leichte. Aber sie kennt die Firma so gut wie niemand anderes und dürfte dadurch schon einen „Hausvorteil“ haben.

Bisher zeigt Virginie Viard, dass sie den Drahtseilakt zwischen den Referenzen zu vergangenen Größen und der Neuerfindung der Marke gut meistert. Die erste von ihr designte Schau fand wie auch schon viele vor ihr im Grand Palais in Paris statt. Die Models liefen in einem nachgebauten Bahnhof. Die einzelnen Steige referenzieren auf frühere Kollektionen und Orte wie Venedig, Byzanz oder Edinburgh. Auch die Entwürfe selber sind frisch, ohne die DNA des Hauses aus dem Blick zu verlieren. Die nachfolgende Haute Couture Schau fand in einer überdimensional großen Bibliothek statt – Karl Lagerfelds und Coco Chanels Liebe zu Büchern ist in diesem Zusammenhang sicherlich kein Zufall. Kaia Gerber führte einen Anzug vor, der in seinem leuchtenden Pink sofort ins Auge fällt. Außerdem ist die Silhouette gleichzeitig feminin, wie auch mit maskulinen Elementen ausgestattet. Die taillierte Jacke und die Origamiblüte lassen ihn verspielt wirken. Aber gleichzeitig scheinen die Schulter durch die voluminösen Blumen ungewöhnlich breit, eine interessante Kreation. Vielleicht sieht so in etwa ja in der Zukunft der „Powersuit“ der modernen Frau aus? Insgesamt sind sechs Kollektionen von Viginie Viard abgedruckt und damit ist die Geschichte sicher noch nicht zu Ende.


© Bild von qiye auf Pixabay

Die Schauen: Eine Auswahl

Wenn man Menschen nach den besten Schauen und Kollektionen von Chanel fragt, gibt es ungefähr so viele Antworten wie Schauen, ist es doch immer Geschmackssache. Es gibt aber einige, die so außergewöhnlich waren, dass sie einen besonderen Blick wert sind. Ein Beispiel dafür ist die Supermarkt Kollektion aus der Saison Herbst/Winter 2014. Dazu wurde der Grand Palais liebevoll zu einem Lebensmittelgeschäft à la Coco verwandelt – mitsamt Artikeln und Werbeschildern, alle individuell angefertigt. Dann konnte man den Models zusehen, wie sie in chicer Designer-Kleidung durch den Laden flanieren und einkaufen. Das ist vielleicht die Quintessenz dessen, was Karl Lagerfeld vermitteln wollte. Eine Phantasie und einen Traum davon, die Frau zu sein, die da selber Lebensmittel kauft. Gleichzeitig gibt es so wunderbar kreative und völlig unnütze Accessoires, die da den Laufsteg entlang gesendet werden: Ein Einkaufskorb oder eine Milchverpackung, die als Handtaschen fungieren. Oder wer wollte nicht schon immer mal eine Handtasche haben, die aussieht, wie eine Packung in Plastik eingewickeltes Fleisch? All diese Einfälle sind so skurril und gleichzeitig einfach und kreativ, dass man sich darüber wie ein kleines Kind freuen kann. Aber es gibt auch wirklich tragbare und stylische Elemente, wie zum Beispiel die Stiefel-Sneaker. Die Supermarkt Kollektion ist ein Feuerwerk der Ideen und knalligen Farben, gemixt mit gedeckten Tönen, die ein Gegengewicht dazu bilden. Man könnte auch sagen: Ein verrücktes Gesamtkunstwerk.

Im Herbst 2005 präsentierte Karl Lagerfeld eine Kollektion mit dem Namen „Versteckter Luxus“. Diese Schau begann damit, dass fünfzig Models in schwarzen Capes auf die Bühne kamen. Alle jene Mäntel waren unterschiedlich in ihrer Gestaltung, das heißt alle möglichen Formen und Farben, beziehungsweise Schwarzschattierungen waen vertreten. Nach einer kurzen Weile enthüllte sich schließlich der versteckte Luxus, als die Models die Mäntel öffneten und darunter unterschiedliche Kleider und Kreationen, die mit dem jeweiligen Futter des Mantels korrespondierten. Das Hochzeitskleid war eine mit über zweitausend Kamelien – die Kamelie war Coco Chanels Lieblinsblume - besetzte Robe. Die Bilder der Schau sind ein echter Augenschmaus. Man kann zu dieser Kollektion wunderbar in seinen Träumen schwelgen. Als letztes Beispiel soll die Kollektion vom Frühjahr/Sommer 1994 dienen. Diese hieß „Das neue Korsett“, entsprechend Lagerfelds Idee, dass die Taille betonen sollte. Dazu kreierte er beispielsweise eine Neuinterpretation des Kostüms, das viel farbenfroher und gewagter daherkam. Warum sollte man auch Blusen tragen, wenn man auch in einem Tweed-Bustier oder T-Shirt erscheinen kann?! Daneben sind Hosenträger mit Hosenträger mit Chanel-Schriftzug, übergroße Shorts und sogar ein Model mit Rollschuhen, die in den 90ern weit verbreitet waren. Lagerfeld sagte dazu: „Hier geht es um Eleganz und innere Haltung.“ Er brachte mit der Kollektion eine Mischung aus Popkultur und Mode auf die Bühne, die zeigt, dass er aufmerksam für die Einflüsse der Umwelt war und dennoch seinen eigenen Blick auf Chanel und die Welt niemals vernachlässigte.

Der Bildband

Der Band selber bietet mit seinen 760 Seiten einen umfassenden Blick auf die Kollektionen Chanels seit 1983 und ist sehr schön gestaltet. Der Leineneinband fühlt sich sehr wertig an und die minimalistische Aufmachung des Covers transportiert bereits einen der Design-Kerne, die Chanel seit eh und je vertritt. Mit dem „kleinen Schwarzen“ erfand Coco Chanel ein Kleidungsstück, welches bis heute immer wieder neu interpretiert wurde. Der Einband ist komplett in Schwarz gehalten und enthält lediglich die eingeprägten Worte CHANEL – CATWALK. Das macht Lust darauf die künstlerischen Visionen des Hauses zu erkunden. Etwas schade ist allerdings, dass bei diesem Buch auf einigen Seiten Klebepunkte vorhanden sind, die leider die Seiten leicht beschädigen. Diesen Punkt haben auch schon Leser*innen der vorherigen Auflage kritisiert und wurde in der erweiterten Neuauflage nicht behoben. Das ist besonders schade, in Anbetracht der Tatsache, dass der Bildband ansonsten einen sehr wertigen Eindruck vermittelt. Insgesamt ist dieses Buch eine Weide der Inspiration und nicht nur geeignet für Fans von Karl Lagerfeld oder Chanel. Vielmehr umreißt es die Geschichte der Marke und gibt einen Überblick über die Mode des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts. Aber auch das Kunsthandwerk kommt nicht zu kurz. Wie zuvor schon beschrieben, zeigt Chanel seit 2002 eine Métiers-d'Art-Kollektion, die sich der besonderen Handwerkskunst verpflichtet fühlte. Dabei wurden nur weniger Entwürfe in einem intimeren Rahmen präsentiert, die genau diese Kunst besonders in Szene setzen sollten. Dieses Buch ist ein echtes Must-Have für Modefans und solche, die es mal werden wollen!


CHANEL CATWALK COMPLETE
Die Kollektionen von Karl Lagerfeld und Virginie Viard

Patrick Mauriès | Prestel Verlag | Gebundene Ausgabe: 760 Seiten | 26. Oktober 2020


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