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SACHBUCH | 14.04.2021

Die Kunst des Fake

„Fake News“ sind in aller Munde. Doch was ist ein wirklicher Fake und wie liegt der Unterschied zu einer Fälschung? Der Künstler Ernst Volland beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Fake. Er beobachtet sie im Alltag, findet sie in Medien oder entwirft selbst einen Fake. Dafür verschickt er vermeintliche Kinderzeichnungen an Politiker und Bischöfe oder schenkt der Nationalgalerie das Bild eines fiktiven Künstlers. Sein Ziel: Mit subversiven Nadelspitzen die Mächtigen herausfordern.

von Eve Pohl


© Ernst Volland © Privat

Die Liste von Fakes im Laufe der Geschichte ist kaum zu erfassen. Ob es sich dort um Fälschungen oder eher um Fakes handelt, ist jedoch schwer zu sagen. Laut Ernst Volland ist der Unterschied zwischen den beiden Gruppen in der Motivation zu finden. Während Faker durch ihr Werk die eingestaubten Verhältnisse in Frage stellen, wollen Fälscher vor allem durch Täuschung viel Geld verdienen.

Jedes Kapitel dieses Buches nimmt sich ein unterschiedliches Thema vor. Man findet von Alltagsbeobachtungen bis zu Fakes, die die Kunstwelt auf den Kopf stellen sollen, verschiedenste Arten des Konzeptes Fake vor. Es geht dabei nicht immer nur um Aktionen, die Ernst Volland selber geplant und durchgeführt hat, sondern auch um Retusche im Laufe der Geschichte. Dabei nimmt er sich beispielsweise Fotografien von Führern der Sowjetunion vor. Je nachdem wie sich die Machtverhältnisse verändern, verändert sich ein und dasselbe Foto der politischen Führung. Trotzki war wohl nicht besonders beliebt. Daneben gibt es dutzende anderer Beispiele für Retuschen von historischen Fotos, vermutlich so viele, dass Ernst Volland nur eine Handvoll näher beleuchten kann.

Besonders gelungen sind die Kapitel, die sich mit seinen eigenen Fakes beschäftigen. In jeder dieser Aktionen nimmt er sich einen Teil des Establishments vor und führt wohl überlegte und gezielte Stiche gegen eben jene Gruppe aus. Anfang des Jahres 1982 setzt er zu einem besonders gelungenen Coup an. In diesem versucht er der Berliner Kunstwelt einen komplett erfundenen Maler unterzujubeln. Dabei tut er sich mit einem Galeristen zusammen. Sie planen eine Ausstellung, ein Schauspieler für die Rolle des „Blaise Vincent“ wird gefunden und ein gefälschter Lebenslauf mit Ausstellungen in Berlin, New York, Tokio. Doch danach fängt der Spaß für die Faker erst richtig an. Sie versuchen der Nationalgalerie einen echten Blaise Vincent anzudrehen. Was als Scherz anfing, bei dem man nicht genau sagen konnte, wie er wohl ausgehen würde, konnte schließlich doch das Ziel erreichen, es möge mal ein Bild in der Nationalgalerie landen. So amüsant dieses Kapitel zu lesen ist, merkt man doch, dass man tiefergehendes Wissen zu Kunstrichtungen und -betrieb haben sollte, um komplett verstehen zu können, was Ernst Volland beschreibt.

Die Struktur des Buches erscheint am Anfang zwar etwas irritierend, hat man aber erst einmal alles gelesen, kann man eine Struktur erkennen oder sich zumindest denken, warum das Buch in dieser Weise aufgebaut ist. Er beginnt mit einem geplanten Fake, der leider am Ende nicht durchgeführt werden konnte. Weiterhin widmet er sich im ersten Abschnitt dem Konzept des Fakes, Retuschen in der Fotografie und generell Aktionen, die andere durchgeführt haben. Das zweite Kapitel hangelt sich an seinem Lebensweg entlang und beschäftigt sich mit Fakes, die er selber im Laufe der Jahre inszeniert hat. Im dritten Kapitel beschäftigt er sich mit unterschiedlichen Personen, gesellschaftlichen Implikationen und politischen Umständen. Wer hätte jemals gedacht, dass ein Satiriker (inzwischen sogar zwei) ins Europaparlament gewählt wird. Zum Schluss wird es dann noch einmal skurril. Es endet mit einem schönen Satz: „Du erinnerst mich total an Beethoven.“

Das Buch selber kommt bereits wie ein Kunstwerk daher. Der Einband besteht aus zwei Pappdeckeln, zwischen denen die Seiten gebunden sind. Während das Cover die vermeintliche Kinderzeichnung eines Teufels zeigt, ist auf der Rückseite lediglich der Klappentext zu sehen. In gewisser Weise erinnert die Gestaltung an Webseiten, die fast alle Teenager in den 2000ern für sich selber erstellt haben.

Dieses Buch besteht aus vielen kleinen Spitzen gegenüber dem „Establishment“. Damit sind nicht unbedingt einzelne Personen gemeint, sondern eher ein System oder eingefahrene Verhaltensweisen. Volland fordert all diese Dinge heraus mit ganz einfachen Aktionen, die – sofern sie funktionieren – eine Kettenreaktion auslösen und trotzdem niemandem wirklich schaden. Das Buch ist amüsant geschrieben, die Behauptungen sind sorgfältig belegt. Es ist ein tolles Buch um der Tristesse zu entfliehen, ohne dass es Nonsens ist. Seine Aussagen und Fakes haben alle einen gesellschaftlichen Bezug und schweben nicht im luftleeren Raum. Ernst Volland gelingt eine runde Umschreibung seines bisherigen Werkes.


DIE KUNST DES FAKE

ERNST VOLLAND | Westend Verlag | Gebundene Ausgabe: 248 Seiten


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