SACHBUCH
| 02.12.2020
Ein
verheißenes Land
In
diesem mit Spannung erwarteten ersten Band seiner Präsidentschaftserinnerungen
erzählt Barack Obama die Geschichte seiner unwahrscheinlichen Odyssee
vom jungen Mann auf der Suche nach seiner Identität bis hin zum
führenden Politiker der freien Welt.
von
Richard-Heinrich Tarenz
©
Bild von Ronile auf Pixabay
In
diesem mit Spannung erwarteten ersten Band seiner Präsidentschaftserinnerungen
erzählt Barack Obama die Geschichte seiner unwahrscheinlichen Odyssee
vom jungen Mann auf der Suche nach seiner Identität bis hin zum
führenden Politiker der freien Welt. In erstaunlich persönlichen
Worten beschreibt er seinen politischen Werdegang wie auch die wegweisenden
Momente der ersten Amtszeit seiner historischen Präsidentschaft
– einer Zeit dramatischer Veränderungen und Turbulenzen.
Obama nimmt die Leser und Leserinnen mit auf eine faszinierende Reise
von seinem frühesten politischen Erwachen über den ausschlaggebenden
Sieg in den Vorwahlen von Iowa, der die Kraft basisdemokratischer Bewegungen
verdeutlichte, hin zur entscheidenden Nacht des 4. Novembers 2008, als
er zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt
wurde und als erster Afroamerikaner das höchste Staatsamt antreten
sollte…
Selten waren die Erwartungen
höher als bei diesem Buch. Die Rede ist von „Ein verheißenes
Land“ von Barack Obama, seines Zeichens der 44. Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika. Für die Rechte an den Memoiren
von Barack Obama und seiner Frau Michelle wurde ein rekordverdächtiger
Betrag von 65 Millionen Dollar bezahlt. Während die Memoiren der
ehemaligen First Lady („Becoming“) sich weltweit 14 Millionen
Mal verkauften, dürfte die Autobiografie ihres Mannes kaum hinter
diesen Zahlen zurückbleiben, wenn man die Startauflage von 5,5
Millionen Exemplaren in 25 Sprachen berücksichtigt. Der Verkaufsstart
erinnerte dabei eher an Harry Potter-Zeiten. So war das Buch bereits
um Mitternacht erhältlich, damit die Kunden nicht warten mussten.
Aber dieser Rahmen ist durchaus angemessen, wenn man den popkulturellen
Status von Barack Obama bedenkt, der über 215 Millionen Follower
in den sozialen Medien verfügt.
Dabei ist „Ein verheißenes
Land“ nicht das erste Buch von Barack Obama. Sein Buch „Ein
amerikanischer Traum. Die Geschichte meiner Familie“ erschien
im Original 1995 und verkaufte sich millionenfach auf der ganzen Welt.
Schon damals wurde ein Umstand deutlich erkennbar, der sich nun auch
in seinem neuen Buch widerspiegelt. Barack Obama braucht keinen Ghostwriter
und versteht es meisterhaft und spannungsreich zu formulieren. Für
die Entstehung dieses Buchs verwendete er unzählige gelbe Notizblöcke,
die er mit seinen Erinnerungen beschriftete. Das Resultat dieser Arbeit
war schließlich nicht die ursprünglich geplante Autobiografie
mit 500 Seiten, sondern zwei Bände, deren erster Band nun im Penguin
Verlag erschienen ist. Der nun erschienen erste Band umfasst in der
deutschen Übersetzung mehr als 1000 Seiten und verfügt über
einen umfassenden Bildteil. Das Buch beinhaltet die Studentenjahre von
Barack Obama und die damit verbundenen ersten politischen Aktivitäten,
seine frühen Wahlkämpfe in Illinois, seine Kandidatur für
das Amt des US-Präsidenten und die damit verbundenen ersten drei
Jahre im Weißen Haus.
Das
Buch endet inhaltlich im Jahre 2011 mit einem Treffen mit jener Spezialeinheit,
die Osama Bin Laden auf der Spur war. Das ist eine Menge Inhalt, den
man als Leser in aller Ruhe konsumieren und reflektieren sollte. Man
hat das Gefühl, man ist hautnah dabei, wenn Entscheidungen von
historischer Tragweite getroffen werden. Dabei pendelt das Buch geschickt
und sehr unterhaltsam zwischen politischen und persönlichen Dingen
und bleibt zu jedem Zeitpunkt lesenswert und spannend.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung
von „Ein verheißenes Land“ war klug gewählt.
Nach vier Jahren Präsidentschaft von Donald Trump waren die U.S.A.
zutiefst politisch gespalten. Viele Menschen sehnten sich im Vorfeld
der US-Präsidentschaftswahlen zurück zu den Zeiten von Barack
Obama und seiner zurückhaltenden und charmanten Art. Auch wenn
die Amtszeit von Barack Obama nicht so glanzvoll war wie im verklärten
Rückblick und er viele Fehler machte und aufgrund seiner distanzierten
Art ein nur wenig erfolgreicher Präsident war, vermissten viele
Menschen seine Würde und seinen Humor, die ihn so beliebt gemacht
hatten. Gute Gründe, nun aus erster Hand mehr über das Innenleben
dieses Politikers zu erfahren. Und sie werden nicht enttäuscht.
Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, ist Barack Obama ein herausragender
Stilist, der es versteht messerscharfe Analysen vorzulegen und komplizierte
Sachverhalte für Laien verständlich dazulegen. Was am meisten
beeindruckt ist der Umstand, dass sich dieser Mann nicht allzu ernst
nimmt und Mut zur Selbstkritik hat. Wenn er in diesem Buch regelmäßig
über amerikanische und internationale Staats- und Regierungschefs
schreibt und sie dabei beschreibt, ist das mitunter frech und durchaus
unterhaltsam. So schätzt er Angela Merkel ihre „stoische
Art“ und ihr „nüchtern-analytisches Bewusstsein“.
Nicolas Sarkozy kommt da als „Inbegriff von Gefühlsausbrüchen
und übertriebener Rhetorik“ nicht ganz so gut weg. Wenn er
über Wladimir Putin schreibt, wird schnell klar, dass hier keine
Männerfreundschaft existierte. Für Obama war Putin „Chef
von etwas, das ebenso einem kriminellen Syndikat ähnelte wie einer
klassischen Regierung“.
Zwischen
all dieser Weltpolitik bleibt in diesem Buch auch Platz für ganz
persönliche Erinnerungen und Anekdoten. So fand Obama zunächst
den mittlerweile ikonischen Slogan „Yes, we can“ zunächst
sehr kitschig und lehnte ihn ab. Erst als seine Frau Michelle ihn überzeugte,
fand der Slogan Eingang in den Wahlkampf. Sehr witzig hingegen die Aussage
des saudischen Königs zu Obama auf dessen Frage wie er denn mit
seinen zwölf Ehefrauen zurechtkommt: „Sehr schlecht. Es ist
komplizierter als die Politik im Nahen Osten.“ Was man in diesem
Buch vermisst, ist die Lust auf Konfrontation mit der jetzigen Situation
unter seinem Nachfolger Donald Trump. Es fehlt die Zuspitzung und die
emotionale Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Zugleich kann
man kaum etwas verlangen, was schon in der Präsidentschaft von
Obama nicht seine Stärke war: Emotionen. So erfährt man als
Leser leider nur sehr wenig, was diesen Mann wirklich antreibt, was
ihn in seinem Innersten motivierte, um Präsident der Vereinigten
Staaten von Amerika zu werden. Joe Biden, der in wenigen Wochen als
US-Präsident vereidigt wird, beschreibt Obama als beschlagen, pragmatisch,
anständig und ehrlich. So schließt sich der Kreis, diente
Biden doch acht Jahre als US-Vizepräsident unter Barack Obama.
Barack Obama
- Ein verheißenes Land
Penguin
Verlag | Gebundene Ausgabe: 1024 Seiten | 17. November
2020
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