SACHBUCH
| 02.09.2020
Accidental
Icon
Allein
schon die ebenso klugen wie humorvollen Essays zu Themen wie Mode, Design,
Arbeit, Familie, Freundschaft, Alter, Geld und Liebe lohnen die Lektüre
dieses außergewöhnlichen Buches. Dazu ist es auf jeder Seite
hoch unterhaltsam, voller gedanklicher und visueller Anregungen und
wundervoll gestaltet. Mit exklusiven Bildern und Anekdoten aus der Modewelt
und den offenherzigen Lebensmaximen, ist diese Autobiografie von Iris
Apfel ein Gesamt-Kunstwerk.
von
Eve Pohl
©
Midas Verlag AG
Sich
der Biographie von Iris Apfel zu nähern, ist genauso vielschichtig
wie ihr Leben selber. Deswegen wird dieser Artikel sich an drei hauptsächlichen
Kriterien entlanghangeln, welche aber sicherlich nicht allumfassend
sind und nur einen kleinen Teil der Entdeckungsreise abbilden, auf die
uns Iris Apfel entführt. Gerade in Büchern, die sich ob ihrer
Schönheit gut auf dem Wohnzimmertisch machen und sich wunderbar
eignen um an regnerischen Tagen darin zu stöbern, ist das Design
ein wesentlicher Bestandteil. Und genau das liefert dieses Buch in vielerlei
Hinsicht ganz wunderbar. Schon der Einband ist hochwertig und man hat
fast das Gefühl man würde über ein Stück Stoff streichen,
samtig und vielversprechend. Aber nicht nur der Einband ist schön
gestaltet, auch das innere des Buches ist so bunt wie Iris Apfel sich
gerne kleidet. Auf jeder Seite kann man etwas neues entdecken. Neben
Photographien von ihr selbst, die opulent inszeniert sind, bietet es
auch Inspiration und ist ein echter Augenschmaus.
Aber auch die Biographie selber
bietet jede Menge Freude und teilweise auch neue Einblicke in ihre Persönlichkeit
und ihren Werdegang. Dabei sind die Geschichten oft so persönlich
und gespickt mit interessanten Anekdoten, dass man das Gefühl bekommt,
am Sonntag auf einen Tee bei ihr vorbeigeschaut zu haben. Im Jahr 2005
eröffnete das „Costume Institute“ des Metropolitan
Museum of Arts eine Ausstellung mit dem Titel „Rara Avis“
über ihren Stil. Ursprünglich sollte sie dafür Accessoires
liefern, die dann ausgestellt würden. Die Konzeption änderte
sich allerdings im Laufe der Planung und so wurden neben Accessoires
auch Kleidungsstücke ausgestellt. Damit wurde erstmals eine Ausstellung
über eine noch lebende Person gezeigt, die keine Modedesignerin
ist. Die Ausstellung feierte große Erfolge und wurde dann an weitere
Museen ausgeliehen. Sie beschreibt diese Episode so lebendig, sodass
man sich bildlich vorstellen kann, wie sich Kurator Harold Kuda und
Stephane Houy-Towner durch bergeweise Kleidung und Accessoires gewühlt
haben, um schließlich vierzig komplette Ausstellungsstücke
zusammenzustellen.
©
Midas Verlag AG
Aber
auch wenn sie erzählt, wie es zu ihrer Begeisterung für Farben
und Stoffe kam, ist es nicht minder interessant: Bei Familienfeiern
brachte eine Angehörige sie ins Nebenzimmer, wo sie ihr Stoffreste
gab, um damit zu spielen. Wenn sie sich gut benahm, durfte sie fünf
Streifen mitnehmen. Retrospektiv ist Iris Apfel der Meinung, dass diese
Stunden ihr Auge geschult und am Ende auch die Begeisterung für
Stoffe, Farben und Texturen entfacht haben.
Schließlich
aber, muss man wohl noch auf „den schwarzen Gürtel im Einkaufen“
eingehen. Sie erzählt dabei, wie sie zum ersten Mal auf der Suche
nach einem Outfit für sich von ihrer Mutter losgeschickt wurde.
Dabei hatte sie 25$ zur Verfügung und den guten Rat ihrer Mutter
im Ohr, niemals das erste zu kaufen, was einem gefalle. Und so kam sie
mit einem kompletten Aufzug zurück, der ihr viele Komplimente einbringen
sollte und hatte sogar genügend Geld übrig um noch mit der
U-Bahn nach Hause zu fahren. Sicherlich muss Iris Apfel heute nicht
mehr sparen und hat genug Möglichkeiten.
Als
letzten Aspekt, ist Iris Apfel auch ein Vorbild für Frauen. Sie
mag zwar am 29. August ihren 99. Geburstag begangen haben und damit
als alte Frau gelten. Aber sie ist viel mehr als das. In den 50er Jahren
gründete sie mit ihrem Mann Carl Apfel gemeinsam die Firma „Old
World Weavers“. Obwohl es für die meisten Frauen in dieser
Epoche eher üblich war Haus und Kinder zu hüten, hatte sie
bereits Jahre des Erfolgs als Innenausstatterin hinter sich und sollte
bis 1992 die Firma leiten. Selbst heute, wo sie sich längst zur
Ruhe gesetzt haben könnte, arbeitet sie weiterhin. Zuletzt war
sie im November 2019 als Spiegel-Covergirl zu sehen, denn auch mit 98
kann man nochmal Model werden. Eine starke Frau mit einem eigenen Willen!
Dieses
Buch macht einfach Spaß. Beim Lesen kann man eine unbändige
Lebenslust spüren, die Iris Apfel durch ihre 99 Jahre Lebenszeit
begleitet hat. Egal ob es um Reisen, die Einrichtung des Weißen
Hauses mit historischen Stoffen oder einfach um Schnäppchenjagd
geht, sie ist mit vollem Herzen und einer guten Portion Humor dabei.
Diese Lektion sollten sich vermutlich alle Menschen zu Herzen nehmen:
Tu, was deine Leidenschaft ist und nimm dich dabei bloß nicht
zu ernst, dann wird es fulminant gut.
Iris Apfel –
ACCIDENTAL ICON
Stil ist keine Frage des Alters
Midas Verlag AG | Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
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