BELLETRISTIK | 10.02.2021
Junge
Frau, am Fenster stehend,
Abendlicht, blaues Kleid
„Junge
Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist der Titel
des neuen Buchs von Alena Schröder. Die Autorin aus Berlin beschreibt
darin in klaren Worten ein packendes Mutter-Tochter-Verhältnis
über die Generationen hinweg. Es geht um Konflikte innerhalb von
Familien, die aufwühlende Geschichte des 20. Jahrhunderts, Raubkunst
und vieles mehr.
von
Eve Pohl
©
Gerald von Foris
In
Berlin tobt das Leben, nur die 27-jährige Hannah spürt, dass
ihres noch nicht angefangen hat. Ihre Großmutter Evelyn hingegen
kann nach beinahe hundert Jahren das Ende kaum erwarten. Ein Brief aus
Israel verändert alles. Darin wird Evelyn als Erbin eines geraubten
und verschollenen Kunstvermögens ausgewiesen. Die alte Frau aber
hüllt sich in Schweigen. Warum weiß Hannah nichts von der
jüdischen Familie? Und weshalb weigert sich ihre einzige lebende
Verwandte, über die Vergangenheit und besonders über ihre
Mutter Senta zu sprechen? Die Spur der Bilder führt zurück
in die 20er Jahre, zu einem eigensinnigen Mädchen. Gefangen in
einer Ehe mit einem hochdekorierten Fliegerhelden, lässt Senta
alles zurück, um frei zu sein. Doch es brechen dunkle Zeiten an…
„Junge Frau, am Fenster
stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist der Titel des neuen Buchs
von Alena Schröder. Die Autorin aus Berlin beschreibt darin in
klaren Worten ein packendes Mutter-Tochter-Verhältnis über
die Generationen hinweg. Es geht um Konflikte innerhalb von Familien,
die aufwühlende Geschichte des 20. Jahrhunderts, Raubkunst und
vieles mehr. Das Resultat ist ein lesenswerter und unterhaltsamer Roman,
der auf seinen 368 Seiten ein mannigfaltiges Panoptikum der Vergangenheit
entfaltet. Er ist in Kapitel unterteilt, die abwechselnd die Sichtweise
der Protagonistin im Berlin der heutigen Zeit und ihrer Großmutter
beschreiben. Zusammen mit der Geschichte der Urgroßmutter, entsteht
so ein Kaleidoskop an interessanten Lebensgeschichten, die allesamt
miteinander verwoben sind, wobei sich die Handlung nach und nach eröffnet,
was für eine spannende Lektüre sorgt.
Erzählerisch
ist der Roman raffiniert aufgebaut. Die drei Frauen, Hannah, ihre Großmutter
und ihre Urgroßmutter stehen als Frauen für bestimmte Zeitabschnitte
der Geschichte, geeint im Band der Familie, wobei die Großmutter
zu ihrer eigenen Mutter ein Nicht-Verhältnis pflegt. Im Verlauf
der Handlung öffnet sie sich und erzählt ihre Sicht der Familiengeschichte.
Hannah hingegen ist eine Doktorandin ohne wirkliches Ziel im Leben.
Planlos mäandert sie durch das wilde Großstadtleben und verändert
sich durch die Beschäftigung und die Konfrontation mit ihrer eigenen
Familiengeschichte. Die Charaktere sind dabei interessant und lebensnah
dargestellt und beschrieben. Die Beziehungen der Personen sind glaubwürdig
motiviert. Dieses Buch ist auch ein Buch über Fehler und Reue.
Der
Titel des Buchs ist gut gewählt und erschließt sich im Laufe
der Zeit. Man braucht einige Zeit, um sich emotional in das Buch einzufinden.
Die Beschreibung der IST-Situation der Figuren in der JETZT-Zeit ist
durchaus ausführlich gestaltet. Dranbleiben lohnt sich aber. Man
wird mit einer spannenden Handlung belohnt. Der Schreibstil der Autorin
ist dem Thema angemessen. Das Buch liest sich gut. Die Sprache ist kurz,
präzise und übersichtlich. Die Dialoge zwischen den handelnden
Personen sind realistisch und wirken authentisch. Handwerklich arbeitet
die Autorin viel mit Rückblenden, die nicht immer gleich spannend
sind wie die Handlung in der Gegenwart. In das Buch hineingearbeitet
sind zahlreiche Briefe und Zeitungsartikel. Das ist ein sehr gelungenes
handwerkliches Mittel und passt perfekt zum Kontext. Besonders die Schilderung
des Berlins der JETZT-Zeit ist gelungen und überzeugend. Die Autorin
agiert diesbezüglich mit sehr viel Liebe für Details. Aber
auch die historischen Beschreibungen, inklusive die Sprache, sind authentisch
und passend. Insgesamt
ist „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“
ein spannender und interessanter Roman, der eine sehr intime Familiengeschichte
mit dem gesellschaftlich relevanten Thema der Raubkunst zusammenführt.
Alena Schröder
– Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
dtv
Verlagsgesellschaft | Gebundene Ausgabe: 368 Seiten |
20. Januar 2021
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