SACHBUCH | 17.03.2021
Kein
Tod auf Golgatha
Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus
Johannes
Fried ist Professor em. für Mittelalterliche Geschichte an der
Universität Frankfurt und gehört zu den renommiertesten Historikern
Deutschlands. In seinem Buch „Kein Tod in Golgatha“ begibt
sich der Autor auf eine spannende Spurensuche und wartet dabei mit überraschenden
Erkenntnissen auf.
von
Melanie Thaler
Was
wissen wir zuverlässig über Jesus? Dass er gelebt hat und
um das Jahr 30 am Kreuz gestorben ist, gilt als Minimalkonsens. Doch
medizinische Erkenntnisse legen nahe, dass er die Kreuzigung überlebt
hat: Folgt man der nüchternen Darstellung des Johannes, fiel der
gekreuzigte Jesus in eine todesähnliche Kohlendioxidnarkose. Nur
eine gezielte Punktion kann das Leben retten – und genau dafür
sorgte der Lanzenstich eines römischen Kriegsknechts. Jesus wurde
ungewöhnlich früh vom Kreuz abgenommen, ins Grab gelegt und
bald darauf lebend gesehen. Der renommierte Historiker Johannes Fried
begibt sich auf eine höchst spannende Spurensuche, die ihn von
den Evangelien bis zur Frühgeschichte des Islams führt…
„Kein
Tod auf Golgatha“ ist ein wissenschaftlich sauber recherchiertes
Buch, dass sich an sachkundiges Publikum richtet. Der Inhalt des Buches
beschäftigt sich mit dem zentralen Glaubensgrundsatz des Christentums
– der Auferstehung von Jesus Christus von den Toten nach seiner
Kreuzigung auf Golgatha. Dabei vertritt er die These, dass die Auferstehung
nicht auf einem Wunder basiert, sondern historisch und medizinisch erklärbar
sei. Diese These, dass Jesus durch eine gezielte Punktion eines römischen
Legionärs gerettet wurde, klingt plausibel, ist aber auf den zweiten
Blick sehr spekulativ und wenig glaubwürdig. So müsste der
römische Legionär nicht wissen wo sich das Herz befindet und
es dürfte anschließend durch die Punktion kein Pneumothorax
oder ein Lungenödem entstehen. Und dann sind da noch die schweren
Verletzungen, die durch die Kreuzigung im Fußbereich entstanden
sind. Schwer vorstellbar, dass Jesus Christus nur wenige Tage danach
problemlos gehen konnte, wie von zahlreichen Menschen beschrieben. Diese
beachtlichen Kritikpunkte sollen jedoch nicht von der Lektüre dieses
Buches abhalten. Es ist sehr erfreulich, dass sich der Autor mit diesem
Thema beschäftigt und damit bewusst ein gesellschaftlich heikles
Thema anspricht. Schließlich ist dieses Thema sehr interessant.
Die historische Datenlage ist diesbezüglich nicht sehr ausgeprägt.
Man
spürt in jeder Textzeile, dass der Autor ein erfahrener Wissenschaftlicher
ist. Das Buch umfasst ein ausführliches Literaturverzeichnis und
zahlreiche Anmerkungen zu dem wissenschaftlich verfassten Text. Die
wissenschaftliche Beschäftigung mit der Hypothese, dass Jesus Christus
seine Kreuzigung überlebte und anschließend weiterlebte ist
interessant. Aus diesem Gedankenexperiment ergeben sich interessante
Überlegungen, die der Autor in seinem Buch verfolgt. Besonders
die Verbindungen zum Islam sind spannend dargelegt und informieren die
Leserinnen und Leser über die spannende Geschichte des Christentums
und die Frühgeschichte des Islam. Die Frage, ob Jesus Christus
die Kreuzigung überlebte oder nicht, erscheint vor diesem Hintergrund
nicht mehr zentral für dieses Buch. Die damit verbundene Beschäftigung
mit einer historisch zutiefst interessanten Epoche bedeutet einen intellektuellen
Mehrgewinn für die Leserinnen und Leser. So bleibt auch nach der
Lektüre von „Kein Tod auf Golgatha“ die Auferstehung
des Jesus Christus ungeklärt.
So
spekulativ die Thesen von Johannes Fried und die damit verbundene Bweisführung
auch sein mögen, sie verdienen es, dass mit sich mit Ihnen intellektuell
beschäftigt. Entscheidend für jeden wissenschaftlichen Diskurs
ist die Auseinandersetzung mit Argumenten. Zum Schluss noch eine kritische
Anmerkung. Die Rolle der Frauen wird in diesem Buch sehr marginalisiert.
So erfahren wir in Nebensätzen von den „zwei oder drei Marien,
die bei der Kreuzigung anwesend waren“. Das war es schon. Ansonsten
wird die zentrale Schlüsselfigur, „der Jünger, den Jesus
liebte“ erwähnt, aber seine Identität nicht weiter beschrieben.
Sie bleibt anonym und nicht greifbar. Für ein zutiefst spekulatives
Buch ungewöhnlich, zumal die historische Forschung davon ausgeht,
dass es sich bei dieser Person höchstwahrscheinlich um Maria Magdalena
handelt. Jene Frau, die lauten uralten Texten „wichtiger war als
die Apostel“. Doch die Kirche hat in späteren Jahrhunderten
ihre Rolle verfälscht, ihre Person diffamiert und den Text „aussortiert“.
Ein Hinweis auf diese Thematik vermisst man schmerzlich in diesem Buch.
KEIN
TOD AUF GOLGATHA:
Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus
JOHANNES
FRIED | dtv Verlagsgesellschaft | Taschenbuch: 192 Seiten | 19. Februar
2021
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