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SACHBUCH | 07.04.2021

Rosa Luxemburg: Ein Leben

Der renommierte Historiker Ernst Piper präsentiert zum 150. Geburtstag von Rosa Luxemburg eine hervorragend recherchierte und sehr umfangreiche Biografie der Ikone der europäischen Arbeiterbewegung.

von Melanie Thaler


© Cordula Giese

Rosa Luxemburg war die bedeutendste Frau, die jemals in der europäischen Arbeiterbewegung gewirkt hat. 1871 im russischen Teil Polens geboren, fand sie nach dem Studium in Zürich mithilfe einer Scheinehe ihre politische Heimat in Deutschland, wo sie auf SPD-Parteitagen die einzige Frau mit einem Doktortitel war. Luxemburg gilt als die größte marxistische Denkerin ihrer Zeit. Sie kämpfte für die Diktatur des Proletariats, aber zugleich gegen den autoritären Zentralismus Lenins. Ihre Revolutionstheorie, ihr Freiheitsbegriff und ihr unbedingter Internationalismus ließen sie zur Ikone des weltweiten Protests der 1968er-Bewegung werden. Ihr berühmter Satz »Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden« wurde eine Parole der Bürgerrechtler in der untergehenden DDR. Zum 150. Mal jährt sich 2021 der Geburtstag von Rosa Luxemburg, in deren Gedanken- und Ideenwelt vieles zu finden ist, was auch heute, in einer Zeit des wieder erwachenden Nationalismus, anregend und wichtig ist…

Der erste Eindruck den man nach der Lektüre von „Rosa Luxemburg: Ein Leben“ gewinnt, ist beeindruckend. Diese Biografie der Ikone der europäischen Arbeiterbewegung, verfasst von Ernst Piper, umfasst 832 Seiten, inklusive eines ausführlichen Bildteils. Das Buch ist glänzend recherchiert und vermittelt ein sehr ausführliches und sachliches Bild von Rosa Luxemburg. Der Leser entwickelt ein Gefühl für das facettenreiche und widersprüchliche Leben dieser Frau und lernt zugleich eine Menge über den größeren historischen Rahmen und die weltgeschichtlichen Zusammenhänge dieser Zeit. Eine brillante intellektuelle Frau spiegelt sich wider in einer intellektuell brillant verfassten Biografie. Man lernt eine Menge über die Entstehung der Arbeiterbewegung und den Wurzeln der SPD. Der Autor lebt in Berlin und ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat zahlreiche Bücher zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts publiziert. Zuletzt erschienen „Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs“ (2014) und die Biografien „Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe“ (2007).

Rosa Luxemburg wurde am 05. März 1871 als Rozalia Luxenburg geboren. Wer war einflussreiche polnisch-russische Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung, des Marxismus, Antimilitarismus und proletarischen Internationalismus? Ab 1887 engagierte sie sich der polnischen, ab 1898 auch in der deutschen Sozialdemokratie. Dort stand sie mit ihren Überzeugungen gegen Nationalismus, Opportunismus und Revisionismus. Sie trat für Massenstreiks als Mittel sozialpolitischer Veränderungen und zur Kriegsverhinderung ein. Dach Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 gründete sie die „Gruppe Internationale“, aus der 1916 der Spartakusbund hervorging. Diesen leitete sie zusammen mit Karl Liebknecht. Sie kritisierte und verurteilte die „Burgfriedenspolitik“ der SPD. Sie bejahte die Oktoberrevolution, kritisierte aber zugleich den demokratischen Zentralismus Lenins und der Bolschewiki. In der Novemberrevolution versuchte sie als Chefredakteurin der Zeitung „Die Rote Fahne“ in Berlin auf das Zeitgeschehen Einfluss zu nehmen.

Als Autorin des Spartakusbund-Programms forderte sie am 14. Dezember 1918 eine Räterepublik und die Entmachtung des Militärs. Anfang 1919 gründete sie die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit, die ihr Programm annahm, aber die von ihr geforderte Teilnahme an den bevorstehenden Parlamentswahlen ablehnte. Nachdem der folgende Spartakusaufstand niedergeschlagen worden war, wurden sie und Karl Liebknecht von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet. Soviel zu den wichtigsten biografischen Daten. Aber wer war der Mensch hinter den Zahlen und Fakten? Ernst Piper nähert sich wortgewaltig und einfühlsam dieser facettenreichen Frau. In seinen Worten wird ein lebensbejahender Mensch erkennbar, die ihr Leben lang für die Dinge kämpfte, sie für sie wichtig waren. Der große Pluspunkt dieser Biografie ist der Umstand, dass der Autor dieses Buch frei von ideologischen Scheuklappen geschrieben hat. Es gab in der Vergangenheit sehr viele Biografien über diese Frau, die sich jeweils aus einer bestimmten ideologischen Zielrichtung der Person näherten.

Sie war und ist eine Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteure. Dieses Buch macht den gelungenen Versuch, den Mensch hinter der politischen Maske zu zeigen. Eine Frau mit Sehnsüchten und Träumen. Eine Frau, die ideologisch tief verstrickt in die Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts war. Anhand ihrer Biografie kann man viel über diese bewegte Zeit lernen, die in zwei fürchterlichen und verheerenden Weltkriegen kulminierte. Die großen Widersprüche dieser Zeit spiegeln sich wider in der Biografie von Rosa Luxemburg. Sie wuchs im Königreich Polen auf, welches eng mit dem Russischen Zarenreich verbunden war und ab den späten 1860er Jahren seine Autonomie im Zarenreich weitestgehend verlor. Ihre Muttersprache war Polnisch, doch wie die meisten jüdischen Familien sprach auch die ihre und sie selbst perfekt Russisch, Deutsch und Französisch. Rosa Luxemburg lebte das Leben einer vollständig emanzipierten Frau in einer Zeit, als dies nicht den vorherrschenden gesellschaftliche Maßstäben entsprach. Ihr berühmter Satz „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“, entstanden als Warnung vor einer Diktatur der Bolschewiki nach der russischen Revolution, hat auch im Jahre 2021 nichts von seiner gesellschaftlichen Relevanz verloren.


ROSA LUXEMBURG: EIN LEBEN

ERNST PIPER | Pantheon Verlag | Broschiert: 832 Seiten


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