MUSIK | 18.06.2025

ADRIAN

ADRIAN gehört zu einer neuen Generation deutschsprachiger Artists, die persönliche Themen kompromisslos mit zeitgemäßem Sound verbinden. Aufgewachsen in Berlin-Hohenschönhausen und künstlerisch geprägt von DIY-Kultur und Selbstproduktion, steht er heute für authentisches Songwriting ohne Umwege.

von Tatjana Malinin


© Niklas Kamp

In einer Zeit, in der musikalische Authentizität oft unter dem Druck glatter Markenidentitäten verblasst, tritt ein Künstler wie ADRIAN als wohltuende Ausnahme hervor. Der Berliner Sänger, dessen Herkunft aus den Plattenbausiedlungen Hohenschönhausens weit entfernt scheint von den glänzenden Bühnen des Popbetriebs, verkörpert eine Generation junger Musiker*innen, die nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihren Weg selbst finden – und dabei auf Konformität verzichten. ADRIAN steht exemplarisch für eine neue Sensibilität in der deutschen Musiklandschaft, die sich durch rohe Emotionalität, stilistische Offenheit und eine tiefe Verwurzelung im eigenen Erleben auszeichnet. Seine Anfänge sind geprägt von ökonomischer Enge und persönlicher Unruhe, von einer Kindheit und Jugend, in der künstlerische Ambitionen zunächst wenig Raum hatten. Doch es war gerade dieses Umfeld, das in ihm eine unnachgiebige Dringlichkeit weckte – ein Bedürfnis, sich durch Klang, Stimme und Text Ausdruck zu verschaffen. Seine erste Gitarre, selbst finanziert, markierte dabei mehr als nur ein Instrument – sie wurde zum symbolischen Werkzeug eines Selbstermächtigungsprozesses, dessen Wirkung bis heute spürbar ist. Früh fand ADRIAN seinen Platz auf der Bühne – zunächst als Sänger einer lokalen Band, später als Solokünstler mit einer klaren künstlerischen Handschrift. Ohne institutionelle Ausbildung, aber mit einem unermüdlichen autodidaktischen Antrieb eignete er sich das Handwerk des Singens ebenso an wie das Produzieren. Sein musikalisches Koordinatensystem umfasst eine bemerkenswerte Bandbreite: Von den energetischen Spannungen des Metalcore über die Eingängigkeit des Pop bis hin zu melancholischen Grunge- und UK-Garage-Einflüssen.

Doch was seinen Stil wirklich auszeichnet, ist nicht das Name-Dropping von Genres, sondern die Fähigkeit, Stimmungen, biografische Risse und innere Konflikte in musikalische Sprache zu übersetzen. Es ist diese Ernsthaftigkeit, die auch seine Zusammenarbeit mit dem renommierten Berliner Produzentenkollektiv Beatgees prägt – ein künstlerisches Bündnis, das weit über bloße Produktionsästhetik hinausgeht. In konzentrierten Studio-Sessions wurde hier ein Sound entwickelt, der sich jedem schnellen Konsum verweigert. ADRIANs Lieder sind keine leicht verdaulichen Popsongs, sondern seelische Momentaufnahmen – dicht, atmosphärisch, ehrlich. Seine Stimme, mal gebrochen, mal aufbäumend, ist das klangliche Zentrum einer Musik, die sich zwischen Introspektion und gesellschaftlichem Zeitkommentar bewegt. Gerade junge Zuhörer*innen finden in ADRIAN eine Projektionsfläche jenseits der glatten Popfassaden. Er spricht über Verletzlichkeit ohne Pathos, über Entfremdung ohne Zynismus – und über das Erwachsenwerden in einer Gesellschaft, in der Herkunft noch immer eine Rolle spielt. Seine Musik verweigert sich der Pose und sucht stattdessen die Wahrheit im Bruch. Damit gibt er einer Generation Ausdruck, deren biografische Brüche nicht durch Pop-Märchen verklärt, sondern durch künstlerische Klarheit sichtbar gemacht werden. ADRIAN ist heute mehr als ein vielversprechender Nachwuchskünstler. Er ist ein Seismograf für das, was junge Menschen zwischen Urbanität und Identität bewegt. Seine Entwicklung vom jugendlichen Autodidakten zum anerkannten Teil der Berliner Musikszene ist nicht nur beeindruckend – sie ist exemplarisch für eine neue Form von musikalischer Selbstbestimmung im deutschen Pop. In einer Szene, die oft von ästhetischer Austauschbarkeit geprägt ist, erinnert uns ADRIAN daran, dass Musik dort am kraftvollsten ist, wo sie etwas riskiert: das Persönliche, das Unbequeme, das Wahre.


© Niklas Kamp

Angesichts Ihrer Herkunft aus den Plattenbausiedlungen Hohenschönhausens: Welche prägenden Einflüsse aus Ihrer frühen Umgebung haben Ihre Leidenschaft für die Musik geweckt und geformt?

ADRIAN: Ich glaube, Musik war für mich schon immer ein Zufluchtsort – so wie wahrscheinlich auch für viele andere. Sie hat mir in jeder emotionalen Phase geholfen und mir das Gefühl gegeben, Dinge besser zu verstehen. So richtig los ging das Ganze, als ich als Jugendlicher in einem Jugendklub angefangen habe, Musik zu machen. Dort gab’s so eine Art Proberaum und einen super entspannten Typen – Jens hieß der – der mir und meinen Freunden, mit denen ich zusammen Musik gemacht hab, immer wieder geholfen hat.

Sie haben sich autodidaktisch verschiedene Gesangstechniken angeeignet. Könnten Sie uns mehr über diesen Lernprozess erzählen und welche Herausforderungen Sie dabei gemeistert haben?

ADRIAN: Boah, ich glaube, von einem wirklichen Lernprozess kann man da kaum sprechen. Wir haben damals einfach ziemlich selbstzerstörerisch gelebt. Es gab Phasen, in denen ich dauerhaft heiser war, weil wir völlig übertrieben haben und null auf unseren Körper gehört haben. Im Grunde kann man’s so zusammenfassen: Wir haben es einfach so lange gemacht, bis es irgendwann nicht mehr wehgetan hat.

Ihr musikalischer Stil wird als vielseitig beschrieben, inspiriert von Metalcore, Rock und Pop. Wie ist diese einzigartige Fusion entstanden, und welche Elemente aus diesen Genres sind für Sie am prägendsten?

ADRIAN: Ich hab mich schon immer schwer damit getan, mich auf ein Genre festzulegen. Ich hatte nie diese eine Richtung, die ich durchgehend gefeiert hab – stattdessen konnte ich aus ganz verschiedenen Musikstilen geile Sachen für mich mitnehmen. Für mich war’s schon immer so: Sobald mich irgendwas berührt, finde ich’s gut – völlig egal, aus welchem Genre es kommt. Klar, ich hab bestimmte Vorlieben wie Metal, Rock oder Hip-Hop, aber ich kann mich auch total für Subgenres begeistern. Was ich am Metal so liebe, ist diese rohe Energie, die da rüberkommt. Die findest du in kaum einer anderen Musikrichtung. Und wenn du es schaffst, genau diese Power in eine Pop-Produktion zu bringen – gerade live – dann hast du echt was gewonnen.

Nach einer Jugend, die von finanziellen und persönlichen Rückschlägen geprägt war: Wie nutzen Sie Ihre musikalische Arbeit, um diese tiefgreifenden Erfahrungen zu verarbeiten und auszudrücken?

ADRIAN: Ich glaube, die Tatsache, dass ich heute von Musik leben kann – vor allem durch die Produktion – ist für mich manchmal immer noch schwer zu begreifen. Ich hätte früher nie gedacht, dass ich damit mal Geld verdienen würde. Generell bin ich eher planlos durchs Leben gestolpert, aber ich hab immer hart für das gearbeitet, was ich wirklich wollte. Umso besser fühlt es sich an, gerade mit meiner schwierigen finanziellen Vergangenheit, jetzt sagen zu können: Ich hab definitiv ein Lebens-Upgrade gemacht. Trotzdem muss ich ehrlich sein – Existenzängste sind trotzdem irgendwie immer noch ein ständiger Begleiter.

Ihre Karriere begann mit Coverversionen in den sozialen Medien. Welche Bedeutung hatte dieser frühe Erfolg für Ihre künstlerische Entwicklung und das Finden Ihrer eigenen musikalischen Stimme?

ADRIAN: Rückblickend würde ich mir heute wünschen, diese Cover nicht gemacht zu haben. Klar, sie haben letztlich dazu geführt, dass die Beatgees auf mich aufmerksam wurden – also irgendwie der Startschuss. Aber gleichzeitig hat es mir echt schwer gemacht, meine eigene Stimme zu finden. Insofern war das ein klassischer Fall von Fluch und Segen zugleich. Trotzdem war’s natürlich auch cool zu sehen, wie sehr die Leute das gefeiert haben – und es hat mir definitiv einen starken Push gegeben.


© Niklas Kamp

Ab 2018 haben Sie begonnen, eigene Songs zu schreiben und sich das Produzieren selbst beizubringen. Welche Erkenntnisse haben Sie aus dieser Phase des Selbststudiums gewonnen, und wie hat sie Ihre künstlerische Unabhängigkeit beeinflusst?

ADRIAN: Ich habe daraus gelernt, dass es eigentlich keine Grenzen gibt für das, was man tun möchte. Gerade heutzutage ist alles, was du wissen musst, frei zugänglich. Außerdem ist es geil eigene Ideen und Visionen direkt umsetzen zu können, ohne dabei theoretisch fremde Hilfe zu brauchen. Ich finde es generell immer sehr angenehm, wenn es Sachen gibt, die man nur selbst in der Hand hat.

Die Zusammenarbeit mit Beatgees markiert einen Wendepunkt in Ihrer Laufbahn. Wie hat diese intensive Studioarbeit Ihren Sound verfeinert und welche Synergien sind dabei entstanden?

ADRIAN: Den Beatgees hab ich wirklich sehr, sehr viel zu verdanken. Durch die Zusammenarbeit mit ihnen konnte ich meine Skills in der Produktion extrem weiterentwickeln – auf eine Art, wie es allein mit YouTube-Tutorials wahrscheinlich nie möglich gewesen wäre. Schon allein das Dabeisein hat mir so viele Einblicke gegeben und mich total nach vorne gebracht. Und ganz ehrlich – da müssen wir nicht lange drumrum reden: Die Jungs spielen ganz oben mit, und was sie machen, hat einfach immer ein extrem hohes Level.

Ihre Musik integriert verschiedene Stilrichtungen wie Alt-Pop, UK-Garage und Grunge. Könnten Sie die spezifischen Merkmale dieser Genres erläutern, die Sie in Ihren Kompositionen miteinander verbinden?

ADRIAN: Ich mag einfach verschiedene Elemente aus unterschiedlichen Musikrichtungen. Beim UK Garage zum Beispiel feier ich diese super energiegeladenen Drums, die richtig nach vorne gehen. Gleichzeitig liebe ich aber auch den Vibe, den eine gute Grunge-Gitarre erzeugt. Wenn man solche Sachen kombiniert, entsteht oft ein ganz neuer Sound – einer, der das Beste aus verschiedenen Welten miteinander verbindet.

Ihre Texte werden als ehrlich und Ihre Stimme als markant beschrieben, die persönliche Erlebnisse reflektiert. Wie gewährleisten Sie diese Authentizität in Ihrem Songwriting, und welche Rolle spielt Ihre Stimme dabei als Ausdrucksmittel?

ADRIAN: Beim Songwriting ist mir super wichtig, dass nur Dinge gesagt werden, die mir wirklich passiert sind – oder die man zumindest metaphorisch so verstehen kann. Ich hab einfach kein Interesse daran, über Themen zu singen, mit denen ich nichts anfangen kann, weil ich sie selbst nie erlebt habe. Auch stimmlich wird man über die Tracks hinweg unterschiedliche Facetten hören. Das liegt ganz einfach daran, dass ich meine Stimme immer so einsetze, wie es sich emotional richtig anfühlt. Jede Stimmung braucht ihren eigenen Ausdruck.

Welche Erwartungen haben Sie an die Veröffentlichung Ihrer Single „Moshpit im Penthouse“ und wie sehen Sie Ihre zukünftige Rolle in der sich wandelnden Berliner Musikszene?

ADRIAN: Meine Erwartungen sind eigentlich gar nicht besonders hoch. Ich hatte lange damit zu kämpfen, dass ich mir selbst extrem viel Druck gemacht hab – aber das ist vorbei. Für mich geht’s nicht mehr darum, möglichst schnell irgendwas zu reißen, sondern darum, den längeren Atem zu haben. Und genau das ist auch meine Haltung zur sich ständig wandelnden Berliner Musikszene: Bleib authentisch und hör nicht auf mit dem, was du machst – dann kommt der Erfolg früher oder später von ganz allein.


ADRIAN – Wache auf
(Single | 23.05.2025)


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