MUSIK
| 20.05.2020
Katja
von Bauske
im Interview über Musik, Reisen, Freiheit und
Menschlichkeit
Anfang
des Jahres veröffentlichte die Sängerin und Songwriterin
Katja von Bauske ihr vielbeachtetes und hochgelobtes Album „Projekt
Weltweit“. Durch ihren Job als Flugbegleiterin ist sie auf der
ganzen Welt unterwegs und hat jeden ihrer Songs des acht Tracks starken
Albums in einem anderen Winkel dieser Erde aufgenommen. Im Interview
spricht sie darüber, wie sie ihre Musik und ihren Beruf als Flugbegleiterin
unter einen Hut bekommt und wo ihre Reise in Zukunft hingehen soll.
von
Richard-Heinrich Tarenz
©
Laura Besch
Als
Flugbegleiterin bist du auf der ganzen Welt unterwegs. Wie bist du
auf die Idee gekommen, deine Musik mitzunehmen?
Katja
von Bauske: Ich habe schon vor meinem Beruf als Flugbegleiterin
Musik gemacht und mich darin stetig weitergebildet. Neben jahrelangem
privaten Gesangsunterricht besuchte ich eine Gesangsschule und studierte
vier Semester Musiktherapie. Mit der Fliegerei habe ich erst 2014
begonnen. Uns wurde ein Teilzeitmodell aus sechs Monate fliegen und
sechs Monate frei angeboten. Die erste flugfreie Phase nutzte ich,
um Hauptfach Gesang an der Hamburg School of Music und zusätzlich
parallel Musikwissenschaften an der Uni Hamburg zu studieren. Als
mein zweiter Flugblock wieder starten sollte, hatte ich Sorge, nun
kaum noch zum Üben und Studieren zu kommen. Aus diesem Grund
nahm ich die Gitarre auf meinen Flügen mit.
Für
dein kürzlich erschienenes Album "Projekt Weltweit"
hast du jeden Song an einem anderen Ort aufgenommen. Wie ist die Entscheidung
gefallen, wo du welchen Song aufnimmst?
Katja
von Bauske: Einige Songs hatte ich direkt an den Orten oder
kurz danach geschrieben. Ich habe persönliche Erlebnisse und
Beobachtungen in den Text und den Song mit einfließen lassen.
Somit ist eine direkte Verbindung zu den Orten entstanden. Das ist
zum Beispiel bei den Songs "Bazaar Café“ aus San
Francisco, "Wimpernschlag" aus Peking und Shanghai und „L’amour
est Libre à Paris" aus Paris der Fall. Bei den anderen
Songs besteht eher eine indirekte Verbindung zu Orten. So habe ich
zum Beispiel den Song "Starten und Landen" kurz vor meinem
ersten Einsatz als Flugbegleiterin in der S-Bahn in München geschrieben,
um mich zu beruhigen und entspannen. Dieser Song ist für mich
ein absoluter Türöffner- und Mutmachersong. Er war es auch,
den ich in 2017 mit einer Streetband in Seoul in Südkorea spontan
performt habe, was mich wiederum später auf die Idee brachte,
mein Album weltweit aufzunehmen. Und da ich in Seoul mit den Aufnahmen
für "Projekt Weltweit" startete, musste es natürlich
der Song "Starten und Landen" sein.
©
Laura Besch
Woher
nimmst du die Inspiration für die Texte, die Geschichten hinter
deinen Songs?
Katja
von Bauske: Das ist relativ unterschiedlich. Durch die Fliegerei
hat sich meine Erlebnisdichte natürlich um ein Vielfaches erhöht
und das wollte verarbeitet werden. Es waren jedes Mal andere Kollegen
dabei wodurch sich einmalige Begegnungen und Geschichten ergaben,
die ich auf Flügen erleben durfte. Im Abgleich mit meinen persönlichen
Wahrnehmungen, Sichtweisen und meiner eigenen Historie lieferte dies
als Gesamtpaket den nötigen Stoff. Aber natürlich wird nicht
aus jedem Text ein Song. Der Moment, wenn dann zu einem Text die Musik
hinzukommt öffnet sich ein neuer Raum und das jeweilige Bedeutungsspektrum
hinter den Worten erweitert und vertieft sich. Dieser Prozess ist
für mich am spannendsten.
Und
wie findest du dann die passende Komposition zu deinen Texten?
Katja
von Bauske: Woher ich das musikalische nehme, ist mir auch
nicht immer ganz klar. Ich habe zwar Kenntnisse über die Harmonielehre,
aber das Songwriting an sich hat mir keiner beigebracht. Während
der Komposition folge ich dem, was sich für mich am besten anfühlt.
Zu Beginn habe ich in der Regel keine Ahnung in welche Richtung der
Song sich entwickeln möchte. Generell glaube ich, wenn es darum
geht Songs schreiben zu wollen, braucht man einen inneren Antrieb,
dass man etwas über die Musik ausdrücken möchte.
©
Laura Besch
Die
Aufnahmen im Studio machst du mit lokalen Musikern vor Ort. Wie sieht
so ein Entstehungsprozess aus?
Katja
von Bauske: Das war ziemlich spannend. Ich wusste zu Beginn
der Studioaufnahmen überhaupt nicht, wie der Song am Ende klingen
würde. Ich habe vorab bewusst den Musikern Raum für ihre
eigenen Impulse für den Song gegeben. Sie bekamen eine Aufnahme
des Songs und ein Leadsheet mit Akkorden. Zum Teil habe ich die Musiker
das erste Mal im Studio kennengelernt. Ich habe kurz etwas über
den Song erzählt, worum es geht und welche Stimmung ich mir wünsche.
Es ist erstaunlich, wie gut das jedes Mal geklappt hat.
Sogar
viel besser als erwartet. Der Ablauf der Aufnahmen war in der Regel
so, dass zuerst die Drums gemeinsam mit dem Bass, dann meine Gitarrenspur,
anschließend die zusätzlichen Instrumente und meist zum
Schluss mein Gesang aufgenommen wurden. Für die Aufnahmen hatten
wir jeweils nur einen Tag zur Verfügung. Das war mit einer Zeitverschiebung
von teilweise bis zu neun Stunden mitunter eine echte Herausforderung.
Deine
aktuelle Single "Wimpernschlag“ und das Musikvideo dazu
hast du in China aufgenommen. Was verbindest du mit diesem Song?
Katja
von Bauske: Mit diesem Song verbinde ich Freiheit. Die Inspiration
zum Song kam mir nach meinem ersten Besuch in der Verbotenen Stadt
in Peking. Da ich im selben Monat beruflich auch nach Moskau, Ankara
und Saudi-Arabien geschickt wurde, habe ich diesen Monat liebevoll
meinen persönlichen Anti-Demokratie-Monat getauft. Ich habe einen
Teil meiner Kindheit in der DDR verbracht und ein System miterlebt,
dass die Rechte der Bevölkerung beschnitten hat. Daraus erwuchs
in mir ein starker Freiheitsdrang und der Wunsch nach einer Welt,
in der Frieden, Freiheit und Menschlichkeit nicht nur Floskeln sind,
sondern tief verankerte Werte im wertschätzenden gesellschaftlichen
Miteinander. Über den Song möchte ich quasi eine Art Selbstermächtigung
transportieren, in der sich jede oder jeder Einzelne fragen darf,
was für eine Welt man sich denn für sich selbst und andere
erwünscht. Musikalisch erklingt diese wachsende innere Stärke
und Verbundenheit mit sich selbst im übertragenen Sinne durch
die OHM-chantenden tibetischen Mönche im Mittelteil des Songs.
©
Laura Besch
Gibt
es einen Song auf deinem Album, der dir persönlich am besten gefällt
oder dir am meisten bedeutet?
Katja
von Bauske: Das ist der Song „Kleine Weile". Er
führt an eine persönliche Wunde in mir und meiner Vergangenheit
heran und ist im Grunde autobiografisch. Ich bin sehr dankbar, dass
ich durch ihn einen Teil verarbeiten konnte und hoffe, dass er auch
für viele andere eine Heilquelle sein kann, damit ein Stück
weit eigene Themen verarbeitet werden können. Diesen Song habe
ich auf Island mit Musikern wie der Oscar-Preisträgerin Markéta
Irglóva, aufgenommen. Die sensitive und leicht melancholische
Stimmung, die man vielfach in isländischer Musik wiederfindet,
drückt die Thematik und Fragilität genau aus.
Was
können in diesem Jahr noch von dir erwarten?
Katja von Bauske: Aktuell plane
ich noch drei weitere Single-Auskopplungen mit je einem Musikvideo aus
dem Album „Projekt Weltweit“. Und wenn alles klappt, findet
das Releasekonzert am 08.10.2020 im Stage Club in Hamburg mit Band statt,
da der ursprüngliche Termin Ende März verschoben werden musste.
Super wäre, wenn ich noch ein paar Tourtermine mit Band für
Herbst 2020 rein bekomme. Dazwischen stehen noch ein paar Solo-Konzerte
von Juli bis August 2020 an. Ab Ende des Jahres möchte ich dann
das zweite Album planen, welches ich diesmal komplett auf Island produzieren
möchte. Wieder mit den gleichen Musikern, wie bei dem Song „Kleine
Weile". Darauf freue mich jetzt schon extrem!
Gibt
es etwas, das du deinen Fans mit auf den Weg geben möchtest?
Katja
von Bauske: Ein guter Kompass für deinen eigenen Weg ist
dein Bauch, dein Gefühl. Lass Dich nicht verunsichern und bleib
in deiner Mitte. Es braucht oft einen langen Atem für eine Sache,
die dir wichtig ist, doch auch mit Babyschritten kommst du weiter -
und auch an.
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