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FILMPREIS | 29.04.2020

Die Verleihung der Lola 2020

Am 24. April wurde in Berlin zum 70. Mal der Deutsche Filmpreis, die Lola, verliehen. Dabei konnte vor allem der Spielfilm „Systemsprenger“ von Regisseurin Nora Fingscheidt abräumen. Darin geht es um die neunjährige Benni, die immer auf der Suche nach Liebe und Zuneigung ist, aber durch ihre Aggressivität stößt sie alle von sich weg, die ihr näherkommen.

von Eve Pohl


© Florian Liedel / Deutsche Filmakademie

In einem Jubiläumsjahr erwartet man von der Verleihung des höchstdotierten Filmpreises in Deutschland etwas ganz Besonderes. So kann man die die diesjährige Veranstaltung schon nennen, auch wenn sie sicherlich doch ganz anders geplant war. Aufgrund der Beschränkungen in der aktuellen Lage konnte die Gala nicht mit Publikum im Berliner Palais am Funkturm stattfinden und wurde stattdessen als etwas seltsam anmutende Liveshow mit per Videochat zugeschalteten Laudator*innen, Nominierten und Preisträger*innen präsentiert. Heraus kam dabei eine wunderbare Präsentation des deutschen Versagens in Fragen des flächendeckenden Ausbaus vom Glasfaserleitungen. Man verstand bei vielen Menschen die zugeschaltet wurden kaum ein Wort, aber das ist auch kein Wunder, wenn im Hintergrund noch der Fernseher läuft und die ganze Familie quatschend im Raum steht.

Es sollte ja an und für sich kein Problem sein einen Galaabend mit wunderbarer Unterhaltung in einer Zeit zu organisieren, in der eben nicht alle vor Ort sein können. Zumindest ein klares Bild und ein verständlicher Ton wären toll. Equipment könnte man schließlich auch per Post verschicken, ohne dass ein Techniker vor Ort sein muss und so die Verordnungen zum Kontaktverbot verletzen würde. So wirkt es leider nicht halb so glamourös, wie es für solch einen wichtigen Anlass angemessen wäre. Das ist schade, denn gerade in diesem Jahr, wo man nicht auf eine klassische Verleihung festgelegt war, hätte man aus dem Vollen schöpfen können.


© Florian Liedel / Deutsche Filmakademie

Auch wenn der späte Sendetermin mit 22.15 Uhr etwas stutzig gemacht hat, wurde man bereits mit der Hommage an den deutschen Film im Opening positiv überrascht. Es war modern, der Raum wurde wundervoll genutzt und der Enthusiasmus schwappte in die Wohnzimmer. Und dann die Ernüchterung durch ziemlich schlechte Gags: Warum stellt man Nilam Farooq in Abendkleid und Jogginghose auf die Bühne? Warum muss man die Moderation immer durch (gespielte) Anweisungen aus dem Off unterbrechen? Warum steht Edin Hasanovic bei der Vorstellung des Spielfilms „Undinde“ in einer Pfütze?

Diese Beispiele von Sollbruchstellen, an billigen Lachern, nimmt der Veranstaltung die Erhabenheit und lässt sie in Lächerliche abgleiten. Das muss doch nicht sein, denn immerhin werden hier die Besten ausgezeichnet. Es ist eine Gelegenheit, um den Deutschen Film glänzen zu lassen und sich für die Verdienste zu feiern. Denn immer, wenn es ernst wurde, wenn jemand eine Laudatio hielt, die genau die Besonderheiten und wunderbaren Leistungen herausstellte, konnte man das bemerken und in diesen Momenten freute man sich mit und für die vielen Künstler*innen, die uns ein Entfliehen aus unserem Alltag ermöglichen und so ein bisschen Magie versprühen.

Der Deutsche Filmpreis sollte eine Liebeserklärung an genau diese Magie sein und nicht ein totes Kaninchen aus dem Hut ziehen. Das ist dem Preis nicht würdig. Es gab dennoch einige Momente, die einem nah gegangen sind, wie wenn an die Verstorbenen aus der Filmwirtschaft gedacht wurde, besungen von Carol Schuler oder die Ehrung für das Lebenswerk an Edgar Reitz mit einer wunderbaren Laudatio von Giovanni de Lorenzo. Mit „Heimat“ hat er eine Film-Trilogie geschaffen, bestehend aus 32 Dokumentar- und Spielfilmen, in welcher er versucht eine unverfälschte Chronik des einfachen Lebens im 20. Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Deutschen Einheit und danach darzustellen.


© Florian Liedel / Deutsche Filmakademie

Damit hat Edgar Reitz Vorarbeit für die heutigen Serienformate geleistet, obwohl das sicherlich nie seine Intention war. Auch in die Ausbildung späterer Regisseur*innen oder anderer Tätiger in der Filmwirtschaft hatte er seinen Anteil, erst ab 1963 mit dem „Institut für Filmgestaltung“ an der Hochschule für Gestaltung Ulm, was bis 1968 existierte. Später dann 1995 mit dem Europäischen Institut des Kinofilms in Karlsruhe. Edgar Reitz ist ein Mann, den man für seine Verdienste ehren sollte.

Schon im Vorfeld des Filmpreises wurden die Nominierungen weitgehend unter zwei Filmen, nämlich „Berlin Alexanderplatz“ von Regisseur Burhan Qurbani und „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt aufgeteilt. Diese beiden erhielten dann auch die meisten Preise, wobei „Systemsprenger“ wohl alle Erwartungen übertraf. Mit acht Auszeichnungen, unter anderem die goldene Lola für den besten Spielfilm, die beste Regie, sowie die beste Hauptdarstellerin und den besten Hauptdarsteller, konnte er die wichtigsten Preise abräumen.

Alles in allem könnte man mit der Verleihung zufrieden sein, wenn man die Slapstick-Einlagen und unnötigen Klamauk weglässt und stattdessen mehr Feierlichkeit, etwas mehr Pathos und vielleicht auch weniger Understatement einsetzt. So kann man sicherlich irgendwann auch mit einer international beachteten Preisverleihung aufwarten. Schließlich ist der deutsche Markt von großer Bedeutung in Europa und hier liegt auch die Wiege des Kinos. Dafür darf man sich auch einmal im Jahr auf die Schulter klopfen. Das ist schon in Ordnung, obwohl wir Deutschen das ja sonst nicht so gerne tun.

Die Preisträger des Deutschen Filmpreises 2020 sind:

 

Bester Spielfilm (Gold)
Systemsprenger

Bester Spielfilm (Silber)
Berlin Alexanderplatz

Bester Spielfilm (Bronze)
Es gilt das gesprochene Wort

Ehrenpreis: Edgar Reitz

Bester Dokumentarfilm: Born in Evin
Besucherstärkster Film: Das perfekte Geheimnis
Bester Kinderfilm: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Beste Regie: Nora Fingscheidt für Systemsprenger
Bestes Drehbuch: Nora Fingscheidt für Systemsprenger

Beste weibliche Hauptrolle: Helena Zengel in Systemsprenger
Beste männliche Hauptrolle: Albrecht Schuch in Systemsprenger

Beste weibliche Nebenrolle: Gabriela Maria Schmeide in Systemsprenger
Beste männliche Nebenrolle: Albrecht Schuch in Berlin Alexanderplatz

Beste Kamera / Bildgestaltung: Yoshi Heimrath für Berlin Alexanderplatz
Bester Schnitt: Stephan Bechinger und Julia Kovalenko für Berlin Alexanderplatz

Beste Tongestaltung: Corinna Zink, Jonathan Schorr, Dominik Leube,
Oscar Stiebitz, Gregor Bonse für Systemsprenger

Beste Filmmusik: Dascha Dauenhauer für Berlin Alexanderplatz
Bestes Szenebild: Silke Buhr für Berlin Alexanderplatz
Bestes Kostümbild: Sabine Böbbis für Lindenberg! Mach dein Ding

Bestes Maskenbild: Astrid Weber, Hannah Fischleder für Lindenberg! Mach dein Ding
Beste visuelle Effekte und Animation: Jan Stoltz, Claudius Urban
für Die Känguru Chroniken


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