GESELLSCHAFTSSPIELE
| 22.05.2020
Das
Spiel des Jahres 2020
Die
Auszeichnung für das Spiel das Jahres ist der wichtigste Preis
der Spielebranche in Deutschland, bei welchem Gesellschaftsspiele in
drei Kategorien prämiert werden. Er wird seit 1979 von einer Kritiker*innen-Jury
vergeben. Am Dienstag, dem 19. Mai wurde nun die Shortlist veröffentlicht,
also die drei Spiele in jeder Kategorie, die sich Hoffnungen auf die
Auszeichnung machen können.
von
Eve Pohl
©
Spiel des Jahres e.V.
Nachdem
vor einiger Zeit bereits eine Nominierungsliste von fünfundzwanzig
Spielen festgelegt wurde, die in diesem Jahr besonders empfehlenswert
sind, hat die Jury zu den Spielen des Jahres nun jeweils drei Spiele
in jeder Kategorie ausgewählt, welche auf der sogenannten Shortlist
zu finden sind. Wie in jedem Jahr stellt sich immer wieder die Frage:
Gibt es Trends bei der Gestaltung? Was ist gerade In und Out? Tatsächlich
konnte man auch in diesem Jahr wieder einige Faktoren herausfiltern,
die ganz besonders häufig vorkommen und Dinge, die momentan eher
nicht en vogue sind.
Zum
einen gibt es eine ganze Reihe von Legacy-Spielen. Dabei spielt man
viele Runden hintereinander, wobei von Runde zu Runde Ergebnisse vererbt
werden, sodass die neue Partie mit immer neuen Startbedingungen gespielt
wird. In der ersten Nominierungsliste sind das beispielsweise „My
City“, in dem jeder Spieler seine eigene Stadt gestaltet. Leider
kann man es nur einmal (mit 24 Partien) spielen, da jeder Spieler mit
Hilfe von Aufklebern die Landschaft rund um seine Stadt gestaltet und
man somit nach einem Durchlauf permanente Ergebnisse hat. Aber auch
im Bereich der Kennerspiele gibt es mit „The King´s Dilemma“
ein solches Legacy-Spiel. In diesem gehört jeder Spieler einen
Adelshaus des Königreiches Ankist an und gemeinsam diskutieren
sie politische Fragen im Rat dieses Landes. Dabei haben die getroffenen
Entscheidungen direkten Einfluss auf die Stabilität des Reiches
und dann muss man ja auch noch die Interessen der eigenen Familie im
Hinterkopf behalten. Sogar im Bereich der Kinderspiele kann man einen
Kandidaten dieser Art finden, nämlich „Zombie Kids Evolution“.
In diesem Spiel sind sie nämlich plötzlich da, die Zombies,
die von den Kindern aus ihrer Schule verjagt werden müssen. Alle
paar Runden ändern sich die Regeln aber etwas, sodass es nie langweilig
wird, nicht mal in der Schule.
Daneben
gibt es eine ganze Reihe von Kampagnenspielen, die einen in andere Welten
entführen. Sowohl bei „Kitchen Rush“, als auch bei
„Die Crew“ handelt es sich um kooperative Spiele. Bei ersterem
muss man in Echtzeit den stressigen Alltag in einer Restaurantküche
meistern, während man mit der Crew im Raumschiff festsitzt und
mit verteilten Rollen Sauerstoffmangel und kaputte Treibwerke wieder
ins Reine zu bringen muss, denn schließlich wollen alle irgendwann
man auf dem neunten Planeten ankommen und das sogar lebendig. Wer dabei
aber nicht zusammenarbeitet und den rechten Stich zur rechten Zeit setzt,
wird das nicht schaffen.
Das
ist vermutlich zu der Zeit, in der die Spiele entstanden sind zwar noch
kein Thema gewesen, dennoch ist es witzig und sehr passend in der aktuellen
Krise, dass es mehrere Kandidaten auf den Listen gibt, die man zu Zweit
oder sogar alleine spielen kann, sollte man gerade keinen Mitspieler
zur Hand haben. Neben den bereits benannten Trends, ist noch zu erwähnen,
dass kaum noch Würfel in den nominierten Spielen zum Einsatz kommen.
Stattdessen wird die Zufalls- oder Glückskomponente eher durch
andere Mittel erzeugt. Beispielsweise bei „Der Karthograph“,
indem nach und nach verschiedene Karten aufgedeckt werden. Auch wenn
hier nun nur die jeweils drei nominierten der jeweiligen Preiskategorien
aufgelistet sind, lohnt sich sicherlich auch ein Blick in die größere
Liste, bestehend aus fünfundzwanzig Spielen. Denn da hat sich bestimmt
noch der ein oder andere Schatz nach dem persönlichen Geschmack
versteckt.
In
die engere Auswahl für die drei Preise, sind folgende Spiele gekommen:
Spiel
des Jahres
©
Spiel des Jahres e.V.
"My
City" von Reiner Knizia, erschienen bei Kosmos, Illustration von
Michael Menzel,
2 - 4 Spieler, ab 10 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 35 Euro
Begründung
der Jury: 24 Einzelpartien? Das klingt, als würde es ewig dauern,
die Kampagne von „My City“ durchzuspielen. Doch die Berichte
häufen sich: „Wir konnten es gar nicht mehr weglegen, so
sehr hat uns das Spiel in den Bann gezogen!“. Dabei schafft „My
City“ einen tollen Spagat: Trotz ständigem Wandel verliert
das Legespiel nie seinen zugänglichen Kern. Jedes neue Element
fügt sich organisch in das Spiel ein. Der Schwierigkeitsgrad steigert
sich dabei sanft, ohne die Spieler zu überfordern.
"Pictures"
von Daniela und Christian Stöhr, erschienen bei PD-Verlag,
Illustration von Dominik Mayer, 3 - 5 Spieler, ab 8 Jahren, ca. 30 Minuten,
ca. 40 Euro
Begründung
der Jury: Die Material-Sets in „Pictures“ wirken anfangs
fast willkürlich zusammengewürfelt, sind in Wahrheit aber
klug gewählt: Jedes Set fordert die Spieler auf andere Art heraus,
und so ist der Anreiz zum Experimentieren enorm. Die Ergebnisse sind
oft erstaunlich, weshalb die Raterunden schnell dem Besuch von Kunstausstellungen
gleichen: Mit tollen Aha-Momenten und amüsierenden Rechtfertigungsversuchen
des missverstanden Künstler-Genies. Große Kreativität
mit einfachsten Mitteln!
"Nova
Luna" von Uwe Rosenberg und Corné van Moorsel, erschienen
bei Edition Spielwiese und
Pegasus Spiele, Illustration von Lukas Siegmon, 1 - 4 Spieler, ab 8
Jahren, ca. 30 Minuten,
ca. 25 Euro
Begründung
der Jury: Fast schon spiritistisch mutet eine Partie Nova Luna an: In
tiefer Meditation versunken sinnieren die Spieler über ihren Plättchen-Auslagen.
Doch das, was hier zu beobachten ist, birgt eine hoch reizvolle intellektuelle
Herausforderung. „Nova Luna“ kommt ohne große Knalleffekte
aus. Stattdessen reduziert es sich auf das Wesentliche. Genau so, wie
auch der unverstellte Blick zum Nachthimmel manch einem mehr Freude
bereitet, als das grellste Feuerwerk.
Kinderspiel
des Jahres
©
Spiel des Jahres e.V.
"Foto
Fish" von Michael Kallauch, erschienen bei Logis,
2 - 4 Spieler, ab 4 Jahren, ca. 15 - 20 Minuten, ca. 22 Euro
Begründung
der Jury: „Foto Fish“ vermittelt den Kindern auf vielen
Ebenen ein unglaublich gutes Gefühl. Sie müssen zwar schnell
sein, aber die Langsamen werden nicht bestraft, sondern bekommen trotzdem
eine kleine Belohnung. Dadurch schafft es ein so niedriges Frustlevel,
dass Kinder in den kleinen Aquarien aus Pappe regelrecht versinken und
von der ersten bis zur letzten Minute hochkonzentriert die richtigen
Fische suchen. Und will man es schwerer haben, überrascht „Foto
Fish“ mit durchdachten und kindgerechten Varianten, durch die
auch Jüngere gegen Ältere eine Chance haben. Ein überzeugendes
Gesamtpaket.
"Speedy
Roll" von Urtis Šulinskas, erschienen bei Piatnik, Illustration
von Irina Pechenkina,
1
- 4 Spieler, ab 4 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 27 Euro
Begründung
der Jury: In Kinderspielen wurden schon viele Dinge gerollt. Murmeln,
Kugeln, Stämme, aber bis jetzt war noch kein Tennisball dabei.
Die Idee, diesen als Igel zu behaupten, an dessen filzigen Stacheln
mit Klett beschichtete Äpfel, Pilze und Blätter hängen
bleiben, ist allein schon besonders. Aber das alles mit einem Wettrennen
zu verknüpfen, bei dem der Igel tatsächlich über den
Tisch kugelt und die „aufgespießten“ Dinge die Zugweite
bestimmen, macht den besonderen Reiz von „Speedy Roll“ aus.
Egal ob kooperativ oder gegeneinander: Hier wird bei jeder Partie eine
spannende Geschichte erzählt.
"Wir
sind die Roboter" von Reinhard Staupe, erschienen bei Nürnberger
Spielkarten-Verlag,
Illustration von Oliver Freudenreich, 2 - 6 Spieler, ab 5 Jahren, ca.
15 Minuten, ca. 10 Euro
Begründung
der Jury: Kinder, wie die Zeit vergeht: Relativ tut sie das bekanntlich,
immer subjektiv – und bei „Wir sind die Roboter!“
doch auch wie im Fluge. In kleiner Schachtel kommt ein Maximum an Innovation
daher. Vom ersten bis zum letzten „Beep“ fesselt dieses
faszinierende Einschätzspiel die teilnehmenden Kinder. Hochkonzentriert
sitzen sie da, stellen sich aufeinander ein, lernen voneinander und
üben ganz nebenher Gemeinschaft, Achtsamkeit und Empathie.
Kennerspiel
des Jahres
>©
Spiel des Jahres e.V.
"The
King's Dilemma" von Hjalmar Hach, Lorenzo Silve und Carlo Burelli,
erschienen bei HorribleGuild und HeidelBÄR Games, Illustration
von Giorgio Baroni,
4 - 5 Spieler, ab 14 Jahren, ca. 60 Minuten, ca. 70 Euro
Begründung
der Jury: Politik in Fantasy-Reichen? Spätestens seit dem Erfolg
von Game of Thrones wissen wir, wie unterhaltsam das sein kann. Und
tatsächlich fühlt man sich beim Spielen schnell, als wäre
man live in einer Sitzung des “kleinen Rates” dabei. Die
erzählerische Stärke des Spieles ist enorm: Trotz nur kurzer
Text-Abschnitte gelingt es, eine immersive und geheimnisvolle Welt zu
entwerfen. Das reduzierte Spielsystem bietet dabei die perfekte Bühne
für ein großes politisches Theater.
"Der
Karthograph" von Jordy Adan, erschienen bei Pegasus Spiele, Illustration
von Lucas Ribeiro,
1 - 8 Spieler, ab 10 Jahren, ca. 30 - 45 Minuten, ca. 20 Euro
Begründung
der Jury: Mit spitzer Feder skizzieren die Kartographen ihre Landschafts-Entwürfe.
Dabei entstehen verspielte kleine Kunstwerke, die auch gut als Grundlage
für das nächste Rollenspiel-Abenteuer dienen könnten.
Die Erkundungsreise erleben die Spieler ohne spielmechanischen Ballast:
In seiner Struktur ist „Der Kartograph“ vollkommen klar,
lässt aber Raum für verschiedene Spieltaktiken. Die abwechslungsreichen
Kombinationen der königlichen Aufträge fordern dabei stets
aufs Neue heraus.
"Die
Crew" von Thomas Sing, erschienen bei Kosmos, Illustration von
Marco Armbruster,
3 - 5 Spieler, ab 10 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 13 Euro
Begründung
der Jury: „Die Crew“ ist ein kooperatives Stichspiel und
alleine damit schon etwas Besonderes. Doch der Reiz erschöpft sich
nicht in diesem Alleinstellungsmerkmal. Kaum ein Spiel zuvor war in
der Lage, den besonderen Charme von Stichspielen so auf den Punkt zu
bringen. Ganz beiläufig werden die Sinne für die Feinheiten
dieses Genres geschärft und die Spieler gleichzeitig auf originelle
Weise herausfordert. „Die Crew“ ist Missionar und Mentor
zugleich. Eine wahrhaft großartige Reise!
Wer
nun die begehrten Preise der Spiele-Szene (Kinderspiel, Spiel und Kennerspiel
des Jahres) bekommt, wird in diesem Jahr leider nicht wie gewohnt in
einer großen Zeremonie verkündet, um die Ausbreitung des
Coronavirus nicht zu begünstigen. Diese Situation bietet jedoch
die Chance, dass alle, die interessiert sind, einfach von zu Hause aus
dabei sein können, denn es wird einen Stream auf www.spiel-des-jahres.de
zur Preisverleihung geben. Am 15. Juni 2020 wird der Preis für
das Kinderspiel des Jahres vergeben und einige Tage später folgt
dann die Preisverleihung für das Spiel des Jahres und das Kennerspiel
am 20. Juni 2020.
Weitere
Informationen unter: www.spiel-des-jahres.de
|