ALBUM | 27.05.2020

Reinhard Mey - Das Haus an der Ampel

Reinhard Mey veröffentlicht sein 28. Studioalbum mit dem klangvollen Namen „Das Haus an der Ampel“. Dabei schafft er einen Spagat zwischen melancholischen Balladen, nostalgischen Betrachtungen über Vergänglichkeit und witzigen Geschichten aus dem Alltag.

von Eve Pohl


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Nachdem Reinhard Mey zuletzt mit „Mr Lee“ im Jahr 2016 sein letztes Album veröffentlichte, folgt nun ein weiteres, das den alten Liedern und Alben in nichts nachsteht. Es beinhaltet fünfzehn Lieder, die viele seiner typischen Elemente verwenden wie Sprachwitz, aber auch poetische Texte und eine gute Portion Humor. Daneben enthält das Album auch einen Bonustrack, den er im Duett mit seiner Tochter Victoria-Louise singt. Nachdem „Scarlett Ribbons“ im Jahr 1949 zum ersten Mal aufgenommen wurde, haben bereits viele bekannte Musiker wie etwas Sinéad O'Connor, Joan Baez oder Harry Bellafonte ihre eigenen Versionen gesungen. Und nun eben auch die Meys. Es ergibt sich ein Kontrast zwischen Victoria-Louises klarer Stimme und dem warmen Gesang von Reinhard Mey, die sich wunderbar ergänzen. Durch diese Interpretation kann man der Nähe nachspüren, die Vater und Tochter verbindet. Und so ist es sicherlich auch kein Zufall, dass es im Text des Liedes um folgenden Inhalt geht: Der Vater möchte seiner Tochter den sehnlichen Wunsch nach roten Bändern als Haarschmuck erfüllen, aber alle Geschäfte sind bereits geschlossen und so ist es ihm nicht möglich. Am Ende wandelt es sich durch einen Hauch von Magie doch noch zum Guten.

Im „Hotel zum ewigen Gang der Gezeiten“ bietet uns Reinhard Mey die Möglichkeit in eine längst vergangene Zeit zu entfliehen. Die Stunden scheinen dort anders zu vergehen. Obwohl das Hotel lange chic war und das Leben in den Sälen pulsierte, schlendert man in dieser Zeitreise durch ein Gebäude von dem man den Eindruck hat, alles wäre unter einer dicken Schicht Staub begraben. Es ist eben doch nicht jeder Ruhm und Erfolg, jedes Lied und nicht mal das Andenken für immer. Im zweiten Lied „An meinen Bleistift“ denkt er an die viele Momente zurück, in denen er mit diesem seine Lieder zu Papier gebracht hat. Den „Vater und das Kind“ sieht er bereits am Eingang der Halle in der er selber auftreten wird. Es ist ein zärtliches Lied über die Liebe von Eltern und zu ihren Kindern, wie man manchmal die Zerbrechlichkeit des Kindes besonders liebt. Es ist eine Ode an die Familie, obwohl er nur eine Beobachtung besingt, die er während eines Konzertes macht. „In Wien“ steht Reinhard Mey am Fenster seines Hotels am Anfang seiner Karriere. Die Erinnerung ist so lebendig, dass man den Duft der frischen Bettwäsche und den Geruch der Dielen der Bühne riechen kann. Die Zuneigung zur Stadt und den Freunden aus Wien durchdringt jede Zeile und jeden Ton. „Häng dein Herz nicht an einen Hund“ ist dann doch ein irritierendes Lied, denn er wird loyal und treu zu dir stehen, egal welchen Mist du machst, doch am Ende wird man mit einem gebrochenen Herz zurückbleiben, wenn er vor dir von der Erde scheiden. Also ist er wohl dann doch der beste Freund des Menschen.


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In „Wir haben jedem Kind ein Haus gegeben“ erzählt der Liedermacher von den Dingen, die er seinen Kindern mitgeben wollte: Sowohl die Freiheit die eigenen Abenteuer zu erleben, aber auch die Sicherheit, dass man immer wieder nach Hause kommen kann. Aber auch Vertrauen, Phantasie, Fleiß, Lebensfreude, Frieden und Musik. So verpackt er auf eine sehr poetische Art und Weise den Wunsch, dass etwas bleibt, eine Einstellung und ein starker Charakter, der auch den Enkeln und nachfolgenden Generationen mitgegeben wird. Und schließlich fragt er sich: „Was will ich noch mehr?“ Eine schwierige Frage, die zu beantworten sicherlich nicht nur Reinhard Mey Schwierigkeiten hätte. Wenn man jeden Tag mit Zufriedenheit aufsteht, dann kann es vielleicht nur noch der Hunger nach neuen Erlebnissen sein. Oder vielleicht nach einem Ende mit Witz und Charme? Auf jeden Fall sollte man dieses Lied mit einer Portion Humor anhören.

„Das Haus an der Ampel“ ist ein langsames Album, eines in dem die leisen Töne und die Dankbarkeit den Witz überstrahlen. In manchen Zeilen könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass es sich um einen Schwanengesang handelt, als müsse jedem Gefährten und jeder Gefährtin noch ein Denkmal gesetzt werden, ein Dank entgegengebracht werden und ein warmes Wort gesprochen werden. Egal ob es da um die Orte der Kindheit („Das Haus an der Ampel“), die Freunde, die bereits den Weg so lange mitgegangen sind („Glück ist, wenn du Freunde hast“) oder die Kinder, die durch Werte zu Erwachsenen Werten („Wir haben jedem Kind ein Haus gegeben“).

Alle Lieder des Albums sind in zwei Versionen zu hören. Die erste CD, die dem Album auch den Namen beschert hat, enthält die sechzehn Songs begleitet von einem musikalischen Ensemble. Das „Skizzenbuch“ hingegen versetzt einen fast in ein einsames Konzerthaus. Denn Reinhard Mey spielt und singt unplugged, sozusagen „ein Stück Musik von Hand gemacht“. Man ist ganz gebannt von der Reinheit der Erzählungen und kann gar nicht mehr weghören. Dabei ergibt sich auch auf der ersten CD ein Zauber. Es ist wundervoll, wie Reinhard Mey es schon über fünfzig Jahre schafft, die Geschichten seiner Erlebnisse, Alltagsbeobachtungen oder auch einfach den Schalk in poetischen Worten zu beschreiben und auf eine warme Art und Weise zu intonieren. Auch in diesem Album vereint er diese Dinge, obwohl man manchmal den Eindruck gewinnen könnte, dass die Nostalgie von ihm Besitz ergriffen hat. „Das Haus an der Ampel“ erschien am 29. Mai 2020.


Reinhard Mey – Das Haus an der Ampel

: 29. Mai 2020 | Label: Odeon (Universal Music)


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