FILM

Startseite > Film > Kino | 18.12.2019

KINO
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Ein Koffer mit Kleidung, zwei Bücher und ein Spielzeug ist alles, was Anna und ihr Bruder Max einpacken dürfen, als sie nach der Wahl 1933 in die Schweiz emigrieren. Da fällt ihre Wahl auf den Bären, der sonst so traurig wäre, anstatt des rosa Kaninchens, welches dann in die Hände Hitlers fällt. Eine Geschichte des Niemals-Ankommens.

von Eve Pohl


© 2019 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved

Im Jahr 1933 gerät das Leben der kleinen Anna Kemper (Riva Krymalowski) völlig aus den Fugen: Denn nach Hitlers Machtergreifung ist ihr Vater Arthur (Oliver Masucci) gezwungen, das Land zu verlassen. Der berühmte Theaterkritiker und erklärte Feind der Nationalsozialisten beschließt, Berlin zu verlassen und in die Schweiz zu flüchten. Seine Frau Dorothea (Carla Juri) sowie Anna und Sohn Max (Marinus Hohmann) kommen nach. Doch es muss alles ganz schnell gehen, Zeit zu packen bleibt kaum: Und so kommt es, dass Anna ausgerechnet ihr rosa Stoffkaninchen zurücklassen muss. Doch auch in der Schweiz haben es die Flüchtlinge nicht leicht, sodass die Kempers schon bald weiterziehen. Über Paris geht es bis nach London, wo die Familie endlich ankommen kann. Während Anna ihr geliebtes Stoffkaninchen schmerzlich vermisst, ist sie dennoch davon überzeugt, dass schon alles irgendwie gut gehen wird, solange ihre Familie zusammenhält…

Generationen von deutschen Schüler*innen haben das Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ von Judith Kerr in der Schule gelesen und so etwas über die Zeit des Nationalsozialismus und die Wirren dieser Zeit gelernt. Man könnte meinen, dass diese Buchverfilmung Jahrzehnte zu spät ins Kino kommt, aber gerade heute in Hinsicht auf die Nationalen Bewegungen in nahezu allen europäischen Ländern und der zunehmenden Verrohung des Tons in der öffentlichen Debatte, kommt er gerade zur rechten Zeit.


© 2019 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved

Er folgt einer jüdischen Familie, deren Vater Alfred Kemper (Oliver Masucci) wegen seiner kritischen Haltung und Artikeln zu Hitler, Repressalien befürchtet. Kurz vor der Wahl 1933 reist er in die Schweiz, wohin auch bald seine Frau Dorothea (Carla Juri) und die Kinder Max (Marinus Hohmann) und Anna (Riva Krymalowski) nachkommen. Der Grund warum die Kempers überhaupt fliehen und nicht wie viele andere im Berlin oder Deutschland der 30er Jahre verharren ist wohl, dass es sich um eine rundheraus sehr gebildete Familie handelt.

Der Vater ist Theaterkritiker und Journalist, während die Mutter in der Musik ihre Erfüllung findet. Diesen Umstand muss man bedenken, wenn man der Familie folgt, die nach innen ein recht beschauliches Leben führen, während das Außen sich für sie radikal verändert: Vom luxuriösen Haus in Berlin, über ein Hotel in Zürich, eine Pension in den Schweizer Alpen bis hin zu einer winzigen Dienstbotenwohnung in Paris. All diese äußeren Umstände drücken die Stimmung, die aber nie ganz kippt.


© 2019 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved

Das liegt zum einen an der konstanten Bemühung der Mutter sich nichts anmerken zu lassen, aber auch dem unerschütterlichen Glauben der ganzen Familie, dass alles gut wird, wenn man nur zusammenhält. Gerade dieser Aspekt ist toll dargestellt. Aber auch kulturelle Eigenarten, kommen nicht zu kurz. Oder wussten sie, dass man in der Schweiz Dinge nach einer Person wirft, die man bewundert oder mag?

In diesem Film wird trotz eines bitteren Untertons, den man auch im Hinblick auf den Verlauf der Geschichte kennt, immer wieder mit Witz reagiert. So essen die Kempers in jedem neuen Ort an den sie kommen erst einmal, was die örtliche Küche hergibt, nämlich stinkenden Käse. Auch als Anna mit ihrem Bruder und ihrer Mutter im Zug nach Zürich sitzt, bemerkt sie, dass im Lexikon der berühmten Menschen keiner eine leichte Kindheit gehabt hat. Zu diesem Zeitpunkt und in der Erwartung bald nach Berlin zurückzukehren, denkt sie noch laut, dass das dann wohl mit der Berühmtheit nichts werde. Auch diese Aussage wird später im Film noch mehrmals aufgegriffen. Das ist toll und hat einen wunderbar ironischen Ton, der dieser schweren Kost die Leichtigkeit zurückgibt und den erhobenen Zeigefinger einfach weglässt.

Ein besonders schöner Aspekt ist das Zusammenspiel der Familie. Sie gehen so selbstverständlich liebevoll miteinander um, dass man ihnen die tiefe Zuneigung glaubt und obwohl man die Geschichte kennt und weiß wie es ausgeht, fiebert man mit ihnen mit und wünscht ihnen nur das allerbeste. Neben der wunderbaren Chemie der Familie, sind aber auch die einzelnen Charaktere toll gespielt. Vor allem Riva Krymalowski spielt toll. Sie bringt den Spagat zwischen kindlicher Unschuld und einem Menschen, der sich nie irgendwo richtig zu Hause und akzeptiert fühlt, auf die Leinwand. Wenn sie an jedem Ort, den die Familie verlässt durch die Gassen und Wohnungen läuft und alles verabschiedet, was sie an eine glückliche Zeit erinnert, berührt es im Besonderen.

Insgesamt ist „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ dank wunderbarer Aufnahmen toll für die große Leinwand geeignet, wie auch um ihn als seichten Einstieg in die Thematik rund um das Jahr 1933 im Schulunterricht zu zeigen. Die Geschichte orientiert sich stark am Buch und es gibt deshalb nicht viel neues zu entdecken, doch ist es einfach ein herzlicher Film, den man nicht so schnell vergisst.


Deutschland 2019 | Warner Bros. GmbH | Start: 25. Dezember 2019 (FSK 0)
R: Caroline Link | D: Riva Krymalowski, Oliver Masucci, Carla Juri


 

AGB | IMPRESSUM