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Startseite > Film > Kino | 07.11.2018

KINO
Aufbruch zum Mond

Er gehört zu den größten Helden des 20. Jahrhunderts: Neil Armstrong, der erste Mann auf dem Mond. AUFBRUCH ZUM MOND erzählt eindringlich aus Armstrongs Leben und von den enormen Konflikten und Entbehrungen, mit denen der Pilot vor und während seiner legendären Mission konfrontiert war.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Universal Pictures International

Der Ingenieur Neil Armstrong (Ryan Gosling) arbeitet Anfang der 60er Jahre als Testpilot für Jets und Raketenflugzeuge und hat mit seiner Frau Janet (Claire Foy) und den beiden Kindern Rick (Gavin Warren) und Karen (Lucy Stafford) eine liebende Familie hinter sich, die ihm den Rücke stärkt. Sein ganzes Leben ändert sich jedoch, als seine Tochter an einem Gehirntumor stirbt und die Familie nach einer Veränderung sucht. Diese bietet sich, als die NASA für ein Mondprogramm auf der Suche nach Piloten mit Ingenieurswissen ist. Neil nutzt die Chance und zieht mit seiner Familie nach Houston, wo er eine Ausbildung zum Astronauten beginnt. Nach etlichen Strapazen und Testflügen, kämpft sich der professionelle Ingenieur bis an die Spitze und wird bald gemeinsam mit Buzz Aldrin (Corey Stoll) und Mike Collins (Lukas Haas) mit der Apollo-11-Mission zum Mond geschickt…

Der Name Neil Armstrong ist für immer untrennbar mit der Geschichte der Menschheit verbunden. 1969 betrat er als erster Mensch den Mond. Nun hat Damien Chazelle („Whiplash“, La La Land“) diesem Mann mit „Aufbruch zum Mond“ ein filmisches Denkmal gesetzt. Das Resultat ist keine simple Heldenverehrung, sondern das einfühlsame Porträt eines bescheidenen Mannes, der für den unstillbaren Drang der Menschheit steht, fremde Welten zu entdecken und neue Horizonte zu erreichen. Damien Chazelle wählte für diesen Film bewusst einen sehr persönlichen und intimen Ansatz, um sich der Ikone Neil Armstrong zu nähern. Es sollte bewusst kein patriotischer Film, sondern ein stiller Film über einen normalen Menschen, der zu einem Helden wird. Das hat zu erheblicher Kritik in den USA geführt, weil dort die Mondladungen und der „Wettlauf zum Mond“ bewusst unter einem patriotischen Aspekt rezipiert werden.


© Universal Pictures International

Für den Regisseur ist es die erste Regiearbeit, bei der nicht auch selbst das Drehbuch verfasst hat. Es ist zugleich ein für seine Verhältnisse sehr konventioneller Film. „Aufbruch zum Mond“ ist großes Hollywood-Kino im besten Sinne des Wortes. Der Zuschauer erlebt die allseits bekannten historischen Geschehnisse aus einem völlig neuen Blickwinkel. Das bedeutet 140 Minuten, die den Zuschauer in eine völlig neue audiovisuelle Welt entführen. Der Film basiert auf der Biographie „First Man“ von James R. Hanson. Im Mittelpunkt steht der Mensch Neil Armstrong und erst dann der Astronaut und Testpilot. Der Film nimmt sich sehr viel Zeit, um die innere Dynamik der Ehe der Armstrongs zu beleuchten. Es sind diese zärtlichen und emotionalen Momente zwischen zwei Menschen, die dem Zuschauer die tiefe emotionale Vertrautheit eines Paares aufzeigen, dass sich seit Studienzeiten kennt und liebt. Der frühe Tod der gemeinsamen Tochter wirkt sich dann umso heftiger aus. Er verändert Neil Armstrong zutiefst und zudem die innere Balance in seiner Beziehung. Damien Chazelle versteht es meisterhaft, diese zwischenmenschlichen Abgründe in Szene zu setzen und so der Person Neil Armstrong zu nähern. Auf der anderen Seite beleuchtet „Aufbruch zum Mond“ die entscheidenden Stationen der amerikanischen Raumfahrtgeschichte auf dem Weg zum Mond. Bei aller Nähe bleibt Neil Armstrong, wie auch im richtigen Leben, in diesem Film letztendlich ein Rätsel.

Immer mehr scheint diesem so sensiblen Mann sein Leben zu entgleiten. Die Mission rückt immer mehr in den Vordergrund, das Verhältnis zu seiner von ihm geliebten Familie immer kühler. Eine Szene macht das sehr deutlich. Kurz vor der Mondmission spricht er mit seinen beiden Söhnen darüber. Er führt das Gespräch wie eine Pressekonferenz – emotionslos und unterkühlt. Auf dem Weg zum Mond hat Neil Armstrong mit zahlreichen Verlusten zu kämpfen. Eine Tochter, Kollegen und Freunde sterben. Mit jedem Tod scheint sich dieser Mann immer mehr in seine innere Welt zu flüchten. In seine Arbeit und die damit verbundenen täglichen Routinen. In den letzten 20 Minuten erreicht der Film seinen Höhepunkt und erschafft einen schon jetzt legendären Kinomoment. Dieser getriebene Mann steuert seiner Bestimmung entgegen – der Mond. An dieser Stelle muss ein Wort über die Kameraarbeit von Linus Sandgren („La La Land“) gesagt werden. Selten man die bedrückende Enge in einer Raumkapsel für den Zuschauer besser eingefangen. Selten war man einem Astronauten näher, als in diesem Film. Vergleiche mit „Interstellar“ und „Gravity“ bieten sich geradezu an. Es sind faszinierende Bilder, die man einfach nur genießen muss – ohne Worte.

Schauspielerisch liefert Ryan Gosling eine grandiose Leistung ab. Einer dritten Oscar-Nominierung dürfte ihm sicher sein. Der kanadische Schauspieler erweckt einen Mann meisterhaft zum Leben, der gebrochen durch Schicksalsschläge seinen ganzen Ehrgeiz in seine Mission steckt. Er spielt bewusst reduziert und besticht mit kleinen Blicken und Gesten. Sein Gesicht ist wie eine Kinoleinwand, wo die ganz großen Geschichten und Emotionen wortlos hineinprojiziert werden. Ebenfalls überragend agiert Claire Foy („Unsane: Ausgeliefert“). Mit diesem Film gelingt der Schauspielerin der endgültige Durchbruch. Sie spielt souverän eine starke Frau, die im Hintergrund die Familie zusammenhält und für ihren mental verletzten Mann ein Feld in der Brandung ist. „Aufbruch zum Mond“ ist ein rundum gelungener Film und ein cineastisch ein großer Wurf. Damien Chazelle ist „erwachsen“ geworden.


USA 2018 | Universal Pictures Germany | Start: 08. November 2018 (FSK 12)
Regie
: Damien Chazelle | D: Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke


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