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Startseite > Film > Kino | 06.11.2019

KINO
Blue and Black
Prinzipien über Farbe?

Was würden wir tun, wenn eine Gruppe von der man immer dachte „Das sind die Guten“, sich ganz anders verhält und Methoden nutzt, die nicht in Ordnung sind? Und das immer unter dem Credo: Der Zweck heiligt die Mittel, wer die Ordnung herstellen möchte, muss auch ungewöhnliche Wege gehen. Welche persönlichen Opfer sind wir bereit zu bringen für unsere Prinzipien?

von Eve Pohl


© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

In New Orleans hat die junge Polizistin Alicia West (Naomie Harris) gerade ihre Ausbildung abgeschlossen und muss in vorwiegend von Afroamerikanern bewohnten Stadtteilen mit ihrem älteren Kollegen auf Streife gehen. Dabei stößt sie selber vor allem bei den Bewohnern auf Argwohn, da sie selber schwarz ist. Nachdem sie eine Schicht absolviert hat und gerade nach Hause gehen will, springt sie für ihren Kollegen ein, der etwas mit Frau und Kindern unternehmen möchte. An diesem Abend sieht sie, wie ein (korrupter) Polizist ein Gangmitglied erschießt und hat diese Szene mit ihrer Bodycam gefilmt. Nun beginnt ein Wettkampf gegen alle Gewalten, denn sie wird sowohl von ihren korrupten Kollegen gejagt, aber auch von den schwarzen Bewohnern des Viertels nicht gerade mit Wohlwollen behandelt…

„Blue and Black“ hat Stärken und Schwächen und das ist auch total okay so. Zuerst muss ein Wort über die Geschichte verloren werden. Der Handlungsverlauf ist nicht überraschend, das macht aber nichts, denn das versucht uns so auch niemand zu verkaufen. Vielmehr steht hier der Zwiespalt der einzelnen Personen im Vordergrund. Zuallererst denkt man dabei ein die Hauptfigur, aber nicht nur sie ist zwischen ihren Moralvorstellungen, der Tatsache, dass sie Polizistin geworden ist, dem ehemaligen Wohnviertel und den ebenfalls vergangenen Freundschaften gefangen. Was bedeutet eigentlich Gerechtigkeit und welcher sozialen Gruppe will man angehören? Sie sitzt zwischen allen Stühlen. Bei der Polizei als Rookie nicht ernst genommen und aus der Community verstoßen, da diese von der korrupten Polizei übervorteilt werden. Um bei einer der beiden dabei zu sein, muss sie Kompromisse eingehen, die sie nicht eingehen möchte und genau das bedroht ihr Leben und sorgt dafür, dass sie zur Gejagten beider Seiten wird. Wobei man sagen muss, dass beide Seiten nicht im wahrsten Sinne des Wortes Schwarz und Weiß, Gut und Böse sind, sondern durchaus diverser sind als man denkt.


© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Auch andere Figuren sind im Zwiespalt, ob es sich dabei um den Besitzer des Supermarktes, ihren Kollegen, der normalerweise mit ihr auf Streife fährt, den Anführer der größten Gang oder ihre ehemalige Freundin aus dem Viertel, die sich verlassen fühlt. Das ist schön herausgearbeitet, denn es handelt sich eben nicht um gut gegen böse, sondern die menschlichen Abgründe in jeder einzelnen Person und eben auch um die Menschlichkeit.

Ein wirklich spannendes Detail ist, dass es in diesem Film überhaupt keine Filmmusik oder Sounddesign gibt. Stille oder Sound sind Stilmittel, die oft gebraucht werden um Stimmungen zu erzeugen oder zu vertiefen. Regisseur Deon Taylor („Akuma“) verzichtet darauf, was der Spannung und Beklemmung überhaupt keinen Abbruch tut. Er beweist, dass eine gute Story, Ausstattung und Schauspieler auch ohne Musik den notwendigen emotionalen Inhalt transportieren können.

Wenn es um die Besetzung der einzelnen Charaktere geht, kann man durchaus kritisch anmerken, dass der Cast, aber eher die Inszenierung der einzelnen Figuren im Film, Vorurteile befeuert und nicht abbaut. Da hat man ein Abziehbild genommen, das im besten Fall veraltet ist. Wenn man den IT Experten der Gang als schwarzen Harry Potter, schmächtig, mit dicker Hornbrille und Wuschelhaaren inszeniert, wenn man Szenen innerhalb der Gang in völlig runtergekommenen Wohnungen im Hinterhof filmt, diese im Dunkeln liegen und dann lediglich die Goldketten und die goldenen Zähne sieht, wirkt das gespenstisch und hat fast schon den Anklang vom Kinderspiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“.


© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Auch die korrupten Polizisten – einer natürlich mit Glatze – sind da nicht gerade Vorurteilsfrei zu sehen. Das ist sehr schade, denn da hätte man in der Inszenierung durchaus etwas mehr Fingerspitzengefühl walten lassen können. Das Schauspiel der einzelnen Darsteller ist dafür aber teilweise sehr solide und gut. Vor allem die Hauptdarstellerin macht einen sehr guten Job, eben nur nicht in Mimik, sondern auch ihr Gang und ihre Körpersprache sagen etwas über sie aus. Es ist eine Freude ihr dabei zuzusehen.

So sehr die innere Zerrissenheit der Figuren Thema ist und an die Oberfläche tritt, so hat das Drehbuch eklatante Plotlöcher, die man ignorieren kann, aber wo man sich fragt, ob dafür nicht eine plausiblere Lösung möglich gewesen wäre. Beispielsweise in der Schlüsselszene an der sich der Film aufhängt und sie die Hinrichtung mit ihrer Bodycam filmt. Ihr Kollege bittet sie im Auto zu warten, aber es war klar, dass sie das nicht tun würde, sobald Schüsse fallen. Dass er überhaupt zu dem Treffen fährt, obwohl er einen Rookie mit an Bord hat, den er gar nicht kennt, ist unlogisch. Wenn man diese Szene unter den genannten Gesichtspunkten ignoriert, funktioniert er jedoch und macht Spaß.

Insgesamt bietet der Film eine spannende Schnitzeljagd unter einem Grundgerüst der Identitätsfragen, gesellschaftlichen Zündfeuer und persönlicher Beziehungen. Er spielt mit verschiedenen Ebenen, vom Individuum bis zur Gesellschaft als Ganzes. Wenn ein Polizist in Blau auch noch Schwarz ist, das Blau aber das Schwarz überstrichen hat, ist es schwer zu überleben. Aber am Ende zählen Prinzipien mehr als die Farben und das ist schön.


USA 2019 | Sony Pictures Germany | Start: 14. November 2019 (FSK 16)
R: Deon Taylor | D: Naomie Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo


 

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