Was
würden wir tun, wenn eine Gruppe von der man immer dachte „Das
sind die Guten“, sich ganz anders verhält und Methoden nutzt,
die nicht in Ordnung sind? Und das immer unter dem Credo: Der Zweck
heiligt die Mittel, wer die Ordnung herstellen möchte, muss auch
ungewöhnliche Wege gehen. Welche persönlichen Opfer sind wir
bereit zu bringen für unsere Prinzipien?
In
New Orleans hat die junge Polizistin Alicia West (Naomie Harris)
gerade ihre Ausbildung abgeschlossen und muss in vorwiegend von
Afroamerikanern bewohnten Stadtteilen mit ihrem älteren Kollegen
auf Streife gehen. Dabei stößt sie selber vor allem bei
den Bewohnern auf Argwohn, da sie selber schwarz ist. Nachdem sie
eine Schicht absolviert hat und gerade nach Hause gehen will, springt
sie für ihren Kollegen ein, der etwas mit Frau und Kindern
unternehmen möchte. An diesem Abend sieht sie, wie ein (korrupter)
Polizist ein Gangmitglied erschießt und hat diese Szene mit
ihrer Bodycam gefilmt. Nun beginnt ein Wettkampf gegen alle Gewalten,
denn sie wird sowohl von ihren korrupten Kollegen gejagt, aber auch
von den schwarzen Bewohnern des Viertels nicht gerade mit Wohlwollen
behandelt…
„Blue
and Black“ hat Stärken und Schwächen und das ist
auch total okay so. Zuerst muss ein Wort über die Geschichte
verloren werden. Der Handlungsverlauf ist nicht überraschend,
das macht aber nichts, denn das versucht uns so auch niemand zu
verkaufen. Vielmehr steht hier der Zwiespalt der einzelnen Personen
im Vordergrund. Zuallererst denkt man dabei ein die Hauptfigur,
aber nicht nur sie ist zwischen ihren Moralvorstellungen, der Tatsache,
dass sie Polizistin geworden ist, dem ehemaligen Wohnviertel und
den ebenfalls vergangenen Freundschaften gefangen. Was bedeutet
eigentlich Gerechtigkeit und welcher sozialen Gruppe will man angehören?
Sie sitzt zwischen allen Stühlen. Bei der Polizei als Rookie
nicht ernst genommen und aus der Community verstoßen, da diese
von der korrupten Polizei übervorteilt werden. Um bei einer
der beiden dabei zu sein, muss sie Kompromisse eingehen, die sie
nicht eingehen möchte und genau das bedroht ihr Leben und sorgt
dafür, dass sie zur Gejagten beider Seiten wird. Wobei man
sagen muss, dass beide Seiten nicht im wahrsten Sinne des Wortes
Schwarz und Weiß, Gut und Böse sind, sondern durchaus
diverser sind als man denkt.
Auch
andere Figuren sind im Zwiespalt, ob es sich dabei um den Besitzer
des Supermarktes, ihren Kollegen, der normalerweise mit ihr auf
Streife fährt, den Anführer der größten Gang
oder ihre ehemalige Freundin aus dem Viertel, die sich verlassen
fühlt. Das ist schön herausgearbeitet, denn es handelt
sich eben nicht um gut gegen böse, sondern die menschlichen
Abgründe in jeder einzelnen Person und eben auch um die Menschlichkeit.
Ein
wirklich spannendes Detail ist, dass es in diesem Film überhaupt
keine Filmmusik oder Sounddesign gibt. Stille oder Sound sind Stilmittel,
die oft gebraucht werden um Stimmungen zu erzeugen oder zu vertiefen.
Regisseur Deon Taylor („Akuma“) verzichtet darauf, was
der Spannung und Beklemmung überhaupt keinen Abbruch tut. Er
beweist, dass eine gute Story, Ausstattung und Schauspieler auch
ohne Musik den notwendigen emotionalen Inhalt transportieren können.
Wenn
es um die Besetzung der einzelnen Charaktere geht, kann man durchaus
kritisch anmerken, dass der Cast, aber eher die Inszenierung der
einzelnen Figuren im Film, Vorurteile befeuert und nicht abbaut.
Da hat man ein Abziehbild genommen, das im besten Fall veraltet
ist. Wenn man den IT Experten der Gang als schwarzen Harry Potter,
schmächtig, mit dicker Hornbrille und Wuschelhaaren inszeniert,
wenn man Szenen innerhalb der Gang in völlig runtergekommenen
Wohnungen im Hinterhof filmt, diese im Dunkeln liegen und dann lediglich
die Goldketten und die goldenen Zähne sieht, wirkt das gespenstisch
und hat fast schon den Anklang vom Kinderspiel „Wer hat Angst
vorm schwarzen Mann?“.
Auch die korrupten Polizisten – einer natürlich mit Glatze
– sind da nicht gerade Vorurteilsfrei zu sehen. Das ist sehr
schade, denn da hätte man in der Inszenierung durchaus etwas
mehr Fingerspitzengefühl walten lassen können. Das Schauspiel
der einzelnen Darsteller ist dafür aber teilweise sehr solide
und gut. Vor allem die Hauptdarstellerin macht einen sehr guten
Job, eben nur nicht in Mimik, sondern auch ihr Gang und ihre Körpersprache
sagen etwas über sie aus. Es ist eine Freude ihr dabei zuzusehen.
So sehr die innere Zerrissenheit der Figuren
Thema ist und an die Oberfläche tritt, so hat das Drehbuch
eklatante Plotlöcher, die man ignorieren kann, aber wo man
sich fragt, ob dafür nicht eine plausiblere Lösung möglich
gewesen wäre. Beispielsweise in der Schlüsselszene an
der sich der Film aufhängt und sie die Hinrichtung mit ihrer
Bodycam filmt. Ihr Kollege bittet sie im Auto zu warten, aber es
war klar, dass sie das nicht tun würde, sobald Schüsse
fallen. Dass er überhaupt zu dem Treffen fährt, obwohl
er einen Rookie mit an Bord hat, den er gar nicht kennt, ist unlogisch.
Wenn man diese Szene unter den genannten Gesichtspunkten ignoriert,
funktioniert er jedoch und macht Spaß.
Insgesamt bietet der Film eine spannende
Schnitzeljagd unter einem Grundgerüst der Identitätsfragen,
gesellschaftlichen Zündfeuer und persönlicher Beziehungen.
Er spielt mit verschiedenen Ebenen, vom Individuum bis zur Gesellschaft
als Ganzes. Wenn ein Polizist in Blau auch noch Schwarz ist, das
Blau aber das Schwarz überstrichen hat, ist es schwer zu überleben.
Aber am Ende zählen Prinzipien mehr als die Farben und das
ist schön.
USA
2019 | Sony Pictures Germany | Start: 14.
November 2019 (FSK 16) R: Deon Taylor | D: Naomie
Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo