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Startseite > Film > Kino | 27.11.2019

KINO
Der Leuchtturm

Ein entlegener Leuchtturm-Außenposten an der Küste Neuenglands wird zum Schauplatz eines archaischen Duells zweier dem Wahnsinn nahen Männer. Thomas Wake und Efraim Winslow werden auf eine einsame Insel gesandt, um eine marode Leuchtturmanlage zu warten und in Betrieb zu halten.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Universal Pictures International

Maine in den 1890er Jahren: Der erfahrene Leuchtturmwärter Thomas Wake (Willem Dafoe) und sein neuer Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson) treten ihre vierwöchige Schicht auf einem kleinen, einsamen Eiland vor der Küste an. Obwohl im Handbuch eigentlich vorgeschrieben ist, dass sich die beiden bei den Schichten abwechseln sollen, lässt der alte Seemann seinen jungen Kollegen jedoch nicht zum Leuchtsignal in die Spitze des Turmes – Ephraim muss stattdessen alle niederen Arbeiten verrichten. Während die Spannungen zwischen den beiden Männern immer mehr zunehmen, gibt es aber auch immer wieder Momente tiefster Intimität. Vor allem, wenn viel Alkohol fließt. Als die vier Wochen dann endlich vorüber sind, zieht ein schlimmer Sturm auf, der das Verlassen der Insel unmöglich macht. Wider Erwarten werden die beiden also wohl noch einige Zeit miteinander verbringen…


© Universal Pictures International

„Der Leuchtturm“ von Regisseur Robert Eggers („The Witch“) ist ein grandios in Szene gesetzter alptraumhafter Abstieg in die Abgründe der menschlichen Seele. Der Film ist atemberauend fotogarfiert und lebt von zwei großartig aufspielenden Schauspielern. Es ist eine faszinierende Mischung aus Horrorfilm und ästhetisch hochwertigem Kino. Dabei erkundet der Regisseur die (Un-)Tiefen der männlichen Sexualität und dem Selbstverständnis von Männern, gefangen in starre emotionale Gerüste und Verhaltensnormen. Robert Pattinson („Twilight“) trägt wesentlich zur hohen Qualität dieses Filmes bei. Der einstige Kino-Schönling hat sich durch eine kluge Filmauswahl zu einem der interessantesten und experimentierfreudigsten Schauspieler unserer Zeit gewandelt. Diese Entwicklung setzt er nun mit „Der Leuchtturm“ fort. Die Art, wie er einen Mann darstellt, der langsam aber sicher dem Wahnsinn anheimfällt, ist ein schauspielerische und körperliche Parforce-Ritt.


© Universal Pictures International

Der Film ist nicht nur eine Mär vom geistigen und körperlichen Verfall zweier Männer in örtlicher Isolation, sondern ist darüber hinaus gespickt mit zahlreichen Legenden und Mythen. Diese verschiedenen Bestandteile von „Der Leuchtturm“ vermischt Robert Eggers, ähnlich wie „The Witch“ auf eine sehr eigentümliche Art und Weise. In seiner künstlerischen Radikalität geht er keinerlei Kompromisse ein und erschafft eine alptraumhafte Welt, die man so noch nicht gesehen hat. Es ist surreal, beängstigend, verstörend, faszinierend… Für seinen Film hat der Regisseur das nahezu quadratische 1.19:1-Format gewählt. Die Isolation und die Enge der beiden Männer, gefangen auf einer unwirklichen Insel, wirkt so noch beklemmender für den Zuschauer. Der Film atmet atmosphärisch den Duft der großen Stummfilmzeit. Das wird verstärkt durch den Umstand, dass auf altem Schwarz-Weiß-35mm-Material mit antiquarischen Kameralinsen aus den 1930er Jahren gedreht wurde. Welch Luxus in unserer schnelllebigen digitalen Zeit… An der Seite von Robert Pattinson liefert Willem Dafoe („Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“) eine erstklassige schauspielerische Leistung ab. Die beiden Männer ergänzen sich gegenseitig großartig und legen dabei einen subversiv-verdeckten Humor an den Tag. Diesen Film muss man auf sich einwirken lassen. Er ist sperrig, kantig und keine leichte Kost. Doch ein Besuch im Kino lohnt sich allemal.


USA, Kanada 2019 | Universal Pictures Germany | Start: 28. November 2019 (FSK 16)
R: Robert Eggers | D: Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman


 

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