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Startseite > Film > Kino | 12.12.2018

KINO
GEGEN DEN STROM

Halla ist Chorleiterin, eine unabhängige und warmherzige, eher in sich gekehrte Frau. Doch hinter der Fassade einer gemächlichen Routine führt sie ein Doppelleben als leidenschaftliche Umweltaktivistin.

von Steffie Sallieri


© PANDORA FILM

Halla (Halldóra Geirharðsdóttir) ist scheinbar eine gutherzige Frau, die abgesehen von ihrem Beruf als Chorleiterin zumeist für sich bleibt, doch die 50-Jährige führt ein Doppelleben: In ihrer Freizeit engagiert sie sich unter dem Decknamen „The Woman of the Mountain“ als Umweltaktivistin und hat insbesondere der Schwerindustrie in Island den Krieg erklärt. Mit Vandalismus und schließlich sogar Industriesabotage bekämpft sie die Aluminiumhersteller in ihrem Land und kann so tatsächlich die Verhandlungen zwischen der isländischen Regierung und einem großen Investor zum Erliegen bringen. Doch dann tritt eine Waise in ihr einsames Leben, als ihr fast schon vergessener Adoptionsantrag auf einmal bewilligt wird. Parallel dazu plant Halla noch eine letzte Aktion, um ihre Heimat zu retten...

Der isländische Regisseur Benedikt Erlingsson präsentiert mit seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm nach „Von Menschen und Pferden“ ein packendes Drama, das nicht nur spannend ist, sondern auch für unterhaltsame und komödiantische Momente sorgt. Das liegt in erster Linie an Halldora Geirhardsdottir. Die isländische Schauspielerin spielt ihre Rolle mit viel hintergründigem Charme und Witz und zieht das Publikum schnell in ihren Bann. Sie verkörpert sehr schön die ganze Widersprüchlichkeit der modernen Gesellschaft, welche die Vorzüge der Konsumgesellschaft zu schätzen weiß, zugleich aber die drohende Apokalypse spürt, die am Horizont aufzieht. Es geht um Nachhaltigkeit und den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen, damit auch die uns folgenden Generationen auf diesem Planeten leben können.


© PANDORA FILM

Geirhardsdottir, 1968 geboren, ist nicht nur Schauspielerin, sondern brilliert auch als Musikerin und Theaterregisseurin. Sie arbeitet erfolgreich für Film und Fernsehen und wurde in der Vergangenheit bekannt durch ihre Rollen in dem TV-Krimidrama „Case“ (2015), Ragnar Bragasons „Metalhead“ (2013) und eben „Von Pferden und Menschen“ (2013). Man spürt dem Film an, dass hier ein eingespieltes Ensemble vor die Kamera tritt. Das tut dem Film sehr gut. Es ist die Stärke von Benedikt Erlingsson, die Eigenheiten der von ihm dargestellten Personen mit viel Liebe für das Detail darzustellen. So auch in „Gegen den Strom“. Dabei denunziert er seine Protagonisten nicht, sondern beobachtet sie und macht sie zu Helden des Alltags, die einen scheinbar aussichtlosen Kampf gegen übermächtige Gegner führen. Es sind eben jene Menschen, die den Kampf für ihre Überzeugungen aufnehmen und dabei gelegentlich auch etwas skurril wirken. Der Film ist sehr politisch und zugleich sehr menschlich. Er ergreift keine Partei, aber positioniert sich moralisch eindeutig.

Die Handlung ist nüchtern dargestellt und in Szene gesetzt und gerade deswegen bisweilen sehr lustig und unterhaltsam. Der Regisseur versteht es sehr gut, die Spannung über die gesamte Spielzeit von 104 Minuten aufrecht zu erhalten. Eine punktuelle Überzeichnung der Figuren sorgt für einen gelegentlich surrealen Moment, der einen schönen Kontrapunkt gegenüber dem ernsten politischen Thema bildet. Ein besonderer Pluspunkt ist die mehr als gelungene Filmmusik. Die Musiker durchbrechen des Öfteren die Vierte Wand und werden unmittelbar Teil der Szenerie, was verwirrend und ungemein unterhaltsam ist. Dann stehen die Musiker auch mal in der wilden isländischen Umgebung oder im Wohnzimmer von Halla und werden Teil des Geschehens. Dieser Kunstgriff passt gut in diesen Film und fühlt sich stets sehr natürlich an. „Gegen den Strom“ ist gelungene Kinounterhaltung, garniert mit einer sehr ernsten politischen Botschaft, die alle Menschen angeht.


Island, Frankreich, Ukraine 2018 | Pandora Filmverleih | Start: 13. Dezember 2018 (FSK 6)
Regie: Benedikt Erlingsson | D: Halldora Geirhardsdottir, Jóhann Sigurðarson, Juan Camillo Roman Estrada

 

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