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KINO
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya

Die 32-jährige Petrunya hat Geschichte studiert und lebt bei ihren Eltern in einer Kleinstadt in Nordmazedonien. Als Petrunya nach einem Bewerbungsgespräch zu hören bekommen, dass sie mit ihrem akademischen Abschluss nicht einmal als Näherin tauge und außerdem zu alt und hässlich sei, platzt ihr der Kragen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Pyramide International

In einem kleinen Ort im Norden von Mazedonien wirft der Hohepriester traditionell jeden Januar am Dreikönigstag ein gesegnetes Kreuz in das örtliche Gewässer, während sich gleichzeitig Hunderte Männer auf den Weg machen, um es wiederzufinden. Derjenige, der das Kreuz findet, soll ein Leben lang Glück und Wohlstand erlangen. Die arbeitslose Petrunya (Zorica Nusheva) ist Anfang 30 und studierte Wissenschaftlerin für Geschichte, das braucht in Mazedonien eigentlich keiner. Sie springt ins Wasser und findet das Kreuz. In diesem konservativen Umfeld haben ihre Konkurrenten das Recht, wütend zu sein: Eine Frau hat es gewagt zu konkurrieren und zu erreichen, was die Männer zu erreichen versuchen. Das Ganze weitet sich im Ort zu einem waschechten Skandal aus. Aber Petrunya besteht darauf, dass sie die Gewinnerin ist, und weigert sich, das Kreuz zurückzugeben…


© Pyramide International

„Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ von Regisseurin und Drehbuchautorin Teona Strugar Mitevska („The Woman who brushed off her tears“) eine kleine böse Komödie, die mit dramatischen Akzenten mit überkommenen Männlichkeitsidealen abrechnet und dem Patriarchat den schmerzhaften Spiegel vorhält. Zugleich ist der Berlinale-Wettbewerbsbeitrag ein gelungenes Sittenporträt einer Gesellschaft im Wandel, die noch immer mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen hat. Der Film legt Hand an jahrhundertalte religiöse und patriarchale Strukturen und geht dabei nicht gerade intellektuell subtil vor. Was übrig bleibt ist eine Gesellschaft, wo religiöse Bräuche schon längst sinnentleert sind und als Ausrede für ein Saufgelage und Männlichkeitsrituale herhalten müssen.

Doch ist diese Verhaltensweise nur ein weiteres Symptom für die Suche nach Sinn in unserer modernen, individualistischen Gesellschaft, wo man alles machen kann, aber wenig einen Sinn ergibt. Hinzu kommt eine tiefe Sinnentleerung nach Jahrzehnten des Kommunismus in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. All diese Themen greift der Film auf uns präsentiert sie dem erstaunten Zuschauer. Im Mittelpunkt steht eine wundervoll agierende Zorica Nusheva, die den Film souverän auf ihren schauspielerischen Schultern trägt. Sie ist keineswegs die klassische Heldin und agiert genau wie die anderen Figuren „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ mehrdeutig. Am Ende steht demnach auch kein Sieg, keine Revolution, sondern vielmehr feiert eine Frau einen bedeutenden Sieg für sich selbst. Auch wenn es niemand mitbekommt, außer dem Kinopublikum. Aber starten so nicht alle großen Revolutionen?


Mazedonien, Belgien, Frankreich 2019 | jip film & verleih | Start: 14. November 2019 (FSK 12)
R: Teona Strugar Mitevska | D: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski


 

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