Gut
gegen Nordwind – Keine Böe zu sehen. Kann man sich in jemanden
verlieben, von dem man einzig die Art kennt, wie diese Person schreibt?
Verliebt man sich in die Idee oder den Geist ohne auch nur eine körperliche
Ebene mit zu berücksichtigen?
Leo
ist Linguist und er küsst wie er schreibt, also kann ja gar
nichts schief gehen, oder? Leos (Alexander Fehling) Freundin Marlene
(Claudia Eisinger) verlässt ihn für einen anderen Mann.
Nach einem letzten Versuch sie zurückzugewinnen, bekommt er
von Emma Rothner (Nora Tschirner) eine versehentlich falsch adressierte
E-Mail mit Weihnachtsgrüßen. Beide beginnen einen anonymen
E-Mailflirt, der immer wieder ihr „echtes“ Leben beeinflusst
und verlieben sich über das Schreiben ineinander. Am Ende stellt
sich die Frage, ob diese Gefühle einem realen Treffen standhalten
können? Denn Emma – oder Emmi – ist verheiratet
und lebt mit den beiden Kindern und ihrem Mann zusammen in einem
schönen und komfortablen Häuschen in Köln. Leo hat
Bindungsängste und versucht krampfhaft nicht so zu sein, ist
an der Uni angestellt und hat zu niemanden, nicht einmal zu seiner
Schwester oder Familie, eine wirklich enge Bindung. Dieser Film
bietet kaum Gefühle.
Das
ist seltsam, denn es handelt sich um einen Film, den ich erst einmal
als „Komödie“ klassifizieren würde. Trotzdem
bleibt es fast immer bei ausdruckslosen Gesichtern. Man sieht kaum
jemanden lächeln und der einzige Charakter, der sich nach einer
lebendigen Person anfühlt, ist Leos etwas verrückte Schwester.
Man fragt sich wirklich, warum man keine Freude, keine Emotionen
sieht. Nicht einmal der Tod und die Beerdigung der Mutter Leos hallen
irgendwie emotional nach. Vielmehr verharrt die Erzählung immer
wieder in etwas kühlen Textnachrichten. Das kann natürlich
daran liegen, dass ein Großteil der Dialoge tatsächlich
über das Schreiben von E-Mails gehalten wird und dennoch sieht
man die Figuren im Alltag und so als echte Menschen, weswegen diese
Kühle etwas befremdlich wirkt. In der Szenerie kann man Köln
als Stadt mit vielen Höhen und Tiefen sehen.
Die
Uni, den Hansaring, ein Panorama des Stadtteils Mülheim mit
der Kirche am Rhein und der Brücke, die sich im besten 60er
Stil über den Rhein spannt. All das lässt selbstverständlich
mein Kölner Herz höher schlagen, auch wenn es etwas seltsam
ist, wenn Leo das Hauptgebäude der Uni betritt und plötzlich
in der Bibliothek steht. Darüber kann ich aber hinwegsehen,
da Köln wunderbar in Szene gesetzt wird, wirkt es doch fast
wie eine Liebeserklärung an „die nördlichste Stadt
Italiens“. Auch Kostüm und Maske sind gut getroffen.
Man erkennt, dass die Figuren Stil und Persönlichkeit haben,
obwohl sie ansonsten doch eher wie Abziehbilder statt wie echte
Menschen wirken. Man muss denjenigen glauben, die sagen, dass der
Film recht nah an der Buchvorlage bleibt.
Die
Geschichte ist eindimensional und sperrig in Szene gesetzt. Eigentlich
hätte man aus diesem Stoff eine wunderbar spritzige Komödie
erzählen können, aber es plätschert vor sich hin
und stellt nicht die Fragen, die in dieser Situation passend gewesen
wären: Ab wann ist Betrug am Partner eigentlich Betrug? Wer
definiert was Partnerschaft bedeutet und wie sollte man mit einer
Beziehung umgehen? Warum sollte man an einer Beziehung festhalten
und wie lange? Was bedeutet Glück? Was ist wichtiger: Familie
oder die egoistische Lust am Verliebtsein? All diese Fragen hätte
man stellen können, tut es aber nicht. Da wäre etwas mehr
Tiefgang wünschenswert gewesen. In den über zwei Stunden,
die der Film andauert, wird eine langsam wachsende Liebesgeschichte
erzählt und langsam ist hierbei das Stichwort. Viele Szenen
scheinen unnötig lang zu sein. Man sieht häufig, wie die
beiden Hauptdarsteller am Laptop oder Handy auf Antwort des anderen
warten.
Insgesamt
ist das Licht gedämpft, eine Melancholie legt sich über
die Szene, die eigentlich gar nicht nötig wäre, da das,
was sie schreiben häufig witzig ist oder eine gewisse Leichtigkeit
hat („ich klebe an dir, wie die Seepocke am Arsch des Buckelwals.“,
„Ich küsse so wie ich schreibe.“ „Wenn ich
dir schreibe, fühle ich mich wie ein Schaumkuss in der Mikrowelle.“).
Natürlich ist klar, dass eine E-Mailromanze kompliziert zu
erzählen ist, dennoch hätte man es schöner machen
können. Die Szene wechselt oft zwischen der im Halbdunkeln
liegenden Wohnung von Leo und dem wunderschön eingerichteten
Haus (Könnte aus einem Möbelhauskatalog kommen!) von Emma.
Dadurch fällt es schwer sich mit den Charakteren zu identifizieren,
man verbringt zu wenig Zeit mit beiden, obwohl der Film wirklich
sehr lang ist. Es gibt aber in diesem Film auch einige wunderbare
Szenen und Highlights, die hier Erwähnung finden sollen: Leos
Schwester ist aufgekratzt, chaotisch, wirbelig und bringt ihren
Bruder, der distanziert und emotional wenig präsent ist, immer
wieder in Situationen, in denen sie Dinge von ihm einfordert. Sie
liebt ihn, sie hasst sein Verhalten und trotzdem hilft sie ihm,
als er sich lieber auf die „einsame Insel“ mit Emma
zurückziehen will, obwohl sie ihn mit ihrer Freundin Klara
verkuppeln wollte. Sie bringt den lebendigen Moment und die Kölner
Seele in den Film, was den beiden Hauptfiguren fehlt.
Emma
hat zwei Kinder im Teenager-Alter, die sie zwar nicht selber zur
Welt gebracht hat, denen sie aber trotzdem ernsthaft zugetan und
vielleicht sogar näher ist, als ihr Ehemann, welcher der leibliche
Vater ist. Nun ja, Teenies haben Probleme, wollen überall dabei
sein und müssen Coolness leben, so auch die Tochter, die unbedingt
mit ihren Freundinnen zusammen den Urlaub verbringen möchte,
anstatt mit der Familie in - den Alpen zu wandern. Eigentlich wäre
es die Aufgabe ihres Mannes gewesen dies aus der Welt zu schaffen,
es bleibt aber dann doch wieder an ihr hängen. Die Situation
illustriert wunderbar, in welcher Zwickmühle sie sich befindet.
Auf der einen Seite unglücklich in der Beziehung, auf der anderen
Seite gefangen in gesellschaftlichen Erwartungen und dem Komfort
und der Zuneigung. Leider gibt es von diesen Momenten zu wenige.
Welche Bedeutung hat das Trampolin im Garten? Es ist ein Symbol
in diesem Film, eine Mahnung aus der Vergangenheit, da es den Kindern
von der toten Mutter geschenkt wurde. Es steht dort, wird nicht
benutzt und ist dennoch eine physische Erinnerung oder sogar ein
Ärgernis, das abgebaut werden soll. Emma wünscht es sich.
Gerade deswegen ist es interessant, dass sie genau dort liegt, als
sie aufgrund von Leos Schlussstrich aufgewühlt ist. Das wäre
eine wunderbare Szene gewesen um das Spektakel enden zu lassen,
anstatt danach die Unterhaltung wieder aufzugreifen und dann noch
krampfhaft ein Happy End herbeizuführen.
Am
Ende steht ein Film, den man sich anschauen kann, den man aber fast
augenblicklich wieder vergisst, denn er hallt nicht nach, er stellt
keine Fragen, er ist glatt und dimensionsarm. Er ist wie die Fassade
eines wunderbar bemalten Hauses, in dem aber nicht gekocht oder
gelacht wird, schön von außen, aber nicht viel dahinter
außer zweier Kerzen, die im leichten Luftzug flackern.
Deutschland
2019 | Sony Pictures Germany | Start: 12.
September 2019 (FSK 0) R: Vanessa Jopp | D: Nora
Tschirner, Alexander Fehling, Ulrich Thomsen
Großes Gewinnspiel
Zum Kinostart verlosen wir fünf Soundtracks
zum Film
Teilnahme ab 18 Jahre. Einsendeschluss ist
der 13.09.2019. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Zur Teilnahme am Gewinnspiel bitte
eine EMail an wildgewinnspiel@gmail.com
senden.
Darin bitte folgende Punkte aufführen: Vorname, Nachname, E-Mail,
Anschrift
(Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Stadt), Betreff: GUT GEGEN
NORDWIND
Mit der Teilnahme an diesem Gewinnspiel
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