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Startseite > Film > Kino | 17.10.2018

KINO
THE GUILTY

Ganz klein und zitternd ist Ibens Stimme am Telefon. Unter Todesangst tut sie so, als würde sie mit ihrer Tochter telefonieren. Ihr Entführer sitzt neben ihr im Wagen und darf unter keinen Umständen bemerken, dass sie den Notruf der Polizei gewählt hat. Dort nimmt Asger Holm Ibens Anruf entgegen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Nikolaj Møller

Der ehemalige Polizist Asger Holm (Jakob Cedergren) arbeitet mittlerweile in einer Notrufzentrale. Eines Tages erhält er einen Anruf von der verängstigten Iben (Jessica Dinnage), die neben ihrem Entführer im Auto sitzt und so tut, als würde sie mit ihrer Tochter telefonieren. Asger will der entführten Frau unbedingt helfen, was aber übers Telefon gar nicht so leicht ist, denn schnell kommt der Entführer hinter Ibens Notruf und bricht die Verbindung ab. Nun beginnt für Asger ein Wettlauf gegen die Zeit. Dabei ist seine einzige Waffe das Telefon. Während er alles in seiner Macht stehende tut, um die Frau ausfindig zu machen, muss er bald feststellen, dass er es mit einem weitaus größeren Verbrechen zu tun hat, als anfangs angenommen…

„The Guilty“ von Regisseur Gustav Müller verwirklicht die radikale Reduktion des Kinos und verbindet sie in seinem Debütfilm mit einer spannenden und intelligenten Handlung, die beim Zuschauer alle emotionale Register zieht. Das Ergebnis ist einer der besten Filme des laufenden Jahres. Wo sonst Kino ausladend und üppig, wo mit der Kamera gespielt und experimentiert wird, wo Tricktechnik den Besucher in ferne Welten entführt, schränkt sich dieser Film bewusst ein. Die Handlung von „The Guilty“ beschränkt sich auf ganze zwei Räume in einer Polizeistation und auf einen Protagonisten der Handlung.


© J.Spanning

Diese bewusste Einschränkung behält der Film bis zum Ende bei und entfaltet damit eine emotionale Sprengkraft, die man so nicht im Kino gesehen hat. Filme mit einem ähnlichen Ansatz, wie „Nicht auflegen!“ und „Buried - Lebend begraben“, wirken dagegen matt und grau. Ein solcher Ansatz, wie von Gustav Müller gewählt, ist immer auch ein großes Risiko. Es bedarf eines exzellenten Drehbuchs und eines Darstellers, der dieses Drehbuch auf seinen Schultern tragen kann. Beide Hürden meistert der Film ohne Schwierigkeiten. Jakob
Cedergren („Sadie - Dunkle Begierde“) als Asger liefert dabei eine schauspielerische Leistung ab, die den Zuschauer von Anfang an in ihren Bann zieht. Man leidet 82 Minuten mit diesem Mann mit, obwohl die Figur moralisch ambivalent ist und alles andere als ein klassischer Held. Der Zuschauer nimmt jede noch so kleine Regung im Gesicht und in der Stimmt wahr und ordnet sie emotional ein. Schwer vorstellbar, dass man emotional so tief in einem Menschen eindringen kann, obwohl es nur um minimale Veränderungen des Ausdrucks geht.


 
DK 2018 | NFP | Start : 18.10.2018 (FSK 16)
Regie
: Gustav Möller | D: Jakob Cedergren, Jakob Ulrik Lohmann

Die eigentliche Geschichte ist nicht wirklich kompliziert, aber die wartet mit einem tollen Twist auf und verzichtet auf unrealistische Wendungen. Der Mann, der eigentlich nur die Nachtschicht beenden will, begibt sich unfreiwillig auf eine Reise in seine innere Hölle und stellt sich seinen Dämonen und Abgründen. Ab einem gewissen Zeitpunkt geht es nicht nur darum eine fremde Frau zu retten, sondern um das eigene Seelenheil. Als Zuschauer durchlebt man alle emotionalen Stufen und spürt selber Schmerz, Wut, Entsetzen und vieles mehr. „The Guilty“ ist ein grandioser Parforceritt durch die menschliche Seele und ein großartiger Film. Es bleibt zu hoffe, dass er bei den anstehenden internationalen Preisverleihungen entsprechend ausgezeichnet wird. So gewann er bereits die Zuschauerpreise bei den Festivals von Sundance und Rotterdam und wurde als offizieller dänischer Beitrag für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2019 nominiert.


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