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Startseite > Film > Kino | 19.09.2018

KINO
Wackersdorf

Oberpfalz, 1980er Jahre: Die Arbeitslosenzahlen steigen und der Landrat Hans Schuierer steht unter Druck, Perspektiven für die Bevölkerung zu schaffen. Da erscheinen ihm die Pläne der Bayerischen Staatsregierung wie ein Geschenk: In der beschaulichen Gemeinde Wackersdorf soll eine atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) gebaut werden, die wirtschaftlichen Aufschwung für die ganze Region verspricht.

von Richard-Heinrich Tarenz


© if... Productions_Erik Mosoni

Die kleine oberpfälzische Gemeinde Wackersdorf in den 1980er Jahren: Der Region geht es schlecht, die Arbeitslosenzahlen steigen, also plant die bayerische Staatsregierung heimlich den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage, die dem ganzen Landkreis einen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren soll. Auch der Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) ist von dieser Idee, die ihm der bayrische Umweltminister (Sigi Zimmerschied) unterbreitet, zunächst begeistert und wird schon bald als Retter der Region angesehen. Vereinzelt protestieren aber Menschen wie die Links-Alternativen Monika (Anna Maria Sturm) und Karl (Andreas Bittl) und sogar der Pfarrer (Harry Täschner). Schuierer blendet die Proteste aber solange aus, bis die Staatsregierung mit aller Heftigkeit auf die Aktionen einer Bürgerinitiative reagiert, die erst kürzlich gegründet wurde, und diese gewaltsam zu unterdrücken versucht. Nun kommen Schuierer langsam Zweifel: Ist die Anlage wirklich so harmlos wie behauptet? Er beginnt, Nachforschungen anzustellen...

„Wackersdorf“ von Regisseur und Co-Autor Oliver Haffner („Ein Geschenk der Götter“) ist ein gelungenes Polit-Drama über ein wichtiges Stück deutscher Geschichte. Bezüge zu der aktuellen politischen Lage sind gewollt und beabsichtigt. Dabei wurde von Seiten der Produktion viel Wert auf das passende Lokal- und Zeitkolorit gelegt. Ganz bewusst wurde der Fokus der Handlung nicht auf die politischen und wirtschaftlichen Ebenen gelegt, sondern vielmehr wird der Film aus Sicht des Landrats Hans Schuierer (Johannes Zeiler) erzählt, der vor Ort im Mittelpunkt des Geschehens ist. Der historische Hintergrund ist der geplante Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA), die dem strukturschwachen ländlichen Raum neue Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung bringen soll.


© if... Productions_Erik Mosoni

Was jedoch von Seiten der Politik und Wirtschaft niemand erwartete, war der massive Widerstand der einheimischen Bevölkerung. Und genau diese Menschen stehen im Mittelpunkt von „Wackersdorf“. Der Regisseur hat sich bewusst dagegen entschieden aus diesem wirkungsmächtigen Stoff einen Polit-Thriller, rund um Macht und Korruption, zu machen. Vielmehr zeigt er, was solche Projekte mit den Menschen anstellen, wie sehr sie sich auf gewachsene Strukturen zwischen den Menschen auswirken und enorme Verwerfungen entfachen, die bis auf den heutigen Tag nachwirken. Das Thema Atomkraft ist trotz beschlossenem Atomausstieg noch längst nicht erledigt. Man denke nur an die weltweite Renaissance der Atomkraft weltweit mit neuen technischen Entwicklungen und Möglichkeiten. Aber das ist nicht das Thema des Films.

Der Fokus liegt auf machtgierigen Politikern und geldgierigen Wirtschaftsmanagern, die schon lange das Gespür für die Wirklichkeit verloren haben. Genau diese Wirklichkeit herrscht im gemütlichen Dorf Wackersdorf, wo die Welt scheinbar noch in Ordnung ist. Und genau diese Ordnung wird mit Pauken und Trompeten ohne Rücksicht auf Verluste in die Neuzeit katapultiert. Atomkraft, eine neutrale Technik, scheint nicht kompatibel mit kapitalistischem Gewinnstreben. „Wackersdorf“ ist die altbekannte Heldengeschichte des „Held wider Willens“, in Person des wackeren Landrates Hans Schuierer, der zunächst eine treibende Kraft für den Bau der WAA ist und im Laufe des Films eine innere Wandlung vollzieht.


 
D 2018 | Universal Pictures Germany
Start: 20. September 2018
Regie: Oliver Haffner
D: Johannes Zeiler, Peter Jordan,
Florian Brückner


Das klingt sehr unwahrscheinlich, denn wann ändern Politiker schon einmal ihre Meinung aus hehren Motiven? Die Antwort liegt in der bodenständigen Verwurzelung des Mannes. Das ist jemand, der das Wohl seiner Gemeinde, seine Freunde und seiner Familie im Auge hat. Eine Paraderolle für Johannes Zeiler, der in der Vergangenheit auf deutschsprachigen Bühnen brillierte, u.a. als Faust. Trotz des sehr ernsten Themas hat der Film auch seine komischen Momente. Etwa wenn man sich über die in der damaligen Zeit vorherrschende Frauendiskriminierung lustig macht. Im gleichen Moment jedoch fällt auf, das sich gar nicht so viel geändert hat und einem das Lachen im Hals stecken bleibt. „Wackersdorf“ ist ein gelungener Genre-Mix aus Drama, Heimatfilm und Thriller, der dank seiner noch stets aktuellen Thematik empfehlenswert ist. Weise ist, der zwischen den Zeilen zu lesen vermag...



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