Hier
hat die damalige Bundesregierung schwere Fehler begangen und große
Risiken in Kauf genommen. Das wird aufgezeigt auf der Basis erstmals
zugänglicher Dokumente. Im Fokus stehen das Olympia-Attentat
1972 auf israelische Sportler in München, die Freipressung
der Terroristen im Oktober 1972, der Versuch von Israels Ministerpräsidentin
Golda Meir, 1973 den Genossen Willy Brandt für die Friedensvermittlung
zu gewinnen, und die Krise zwischen Bonn und Washington während
des Yom-Kippur-Krieges 1973, als ein atomarer Weltkrieg drohte.
Kaum
ein anderer Politiker hat die deutsche Nachkriegsgeschichte so stark
geprägt wie Willy Brandt. Seine Ostpolitik, sein Kniefall an
der Gedenktafel des Warschauer Ghettos und der Friedensnobelpreis
haben seinen Ruhm begründet und ihn zu einer Art Mythos gemacht.
Kritische Betrachtungsweisen auf seine Politik waren zumeist ideologisch
begründet und den teilweise erbittert geführten politischen
Grabenkämpfen seiner Regierungszeit geschuldet. Doch nun beschäftigt
sich der Politikwissenschaftler und Historiker Michael Wolffsohn
mit der Friedenspolitik des vierten Bundeskanzlers der Bundesrepublik
Deutschland und hinterfragt kritisch dessen Handeln. War Willy Brandt
wirklich der Friedenskanzler, für den ihn viele halten? Was
ist Mythos, was ist Realität. Aus Sicht des Autors gibt es
so einige dunkle Flecken auf der weißen Friedensweste von
Willy Brandt.
Es
scheint, dass sich Willy Brandt verzettelte auf unzähligen
Polit-Baustellen. Wolffsohn zeichnet das Bild eines unentschlossenen
zaudernden Politikers, der entgegen landläufiger Meinung, die
Tiefe des deutsch-jüdischen Verhältnisses nie in seiner
ganzen Bedeutung erkannte und danach handelte. Israel hätte
Willy Brandt gerne als Friedens-Vermittler gesehen, doch er wollte
sich niemals festlegen und priorisierte stattdessen die Ost(Europa)-Politik.
Der Autor beschreibt das Verhältnis von Willy Brandt und weiten
Teilen der Sozialdemokraten zum Judentum als ignorant bis kritisch-distanziert.
Wirklich überzeugen können dabei die Thesen des Autors
nicht wirklich. Zu dünn ist die Quellenlage, zu groß
die Spekulation. Doch wo andere Autoren innehalten, geht Wolffsohn
einen Schritt weiter. Er spekuliert und zeigt mögliche Deutungsmuster.
Dabei neigt er zu einer gewissen Polemik, die sicher nicht jedem
Leser gefällt. Dieses Buch ist ein wichtiges Buch, weil es
ein bislang eher unbekanntes Kapitel der deutschen Geschichte beleuchtet
und zu Diskussionen anregt. Der Autor schreibt in gewohnt flüssiger
Manier liefert neue Aspekte und Sichtweisen zum Thema.
Michael Wolffsohn
| Friedenskanzler?: Willy Brandt zwischen Krieg und Terror
| dtv Verlagsgesellschaft