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29.04.2020
SACHBUCH
HELLO
WORLD
Algorithmen
prägen in wachsendem Ausmaß den Alltag von Konsum, Finanzen,
Medizin, Polizei, Justiz, Demokratie und sogar Kunst. Sie sortieren
die Welt für uns, eröffnen neue Optionen und nehmen uns Entscheidungen
ab - schnell, effektiv, gründlich. Aber sie tun das, ohne zu fragen,
und stellen uns vor neue Dilemmata. Vor allem jedoch: Wir neigen dazu,
Algorithmen als eine Art Autorität zu betrachten, statt ihre Macht
infrage zu stellen. Hannah Fry zeigt konkret, wo Algorithmen eingesetzt
werden, wo sie Gutes bewirken und wo sie versagen. Sie plädiert
für demokratische und transparente Algorithmen, die offenlegen,
wie sie zu Entscheidungen gelangen, und die uns in unserem Entscheidungsprozess
unterstützen, anstatt uns Entscheidungen komplett abzunehmen…
von
Eve Pohl
Wer
behauptet, dass Algorithmen unsexy sind, hat vermutlich recht, denn
eigentlich bestehen sie am Ende nur aus Zahlen. Aber sich mit ihnen
zu beschäftigen ist interessanter als man auf den ersten Blick
denken könnte. Genau das beweist Hannah Fry in ihrem Buch über
Algorithmen mit anschaulichen Beispielen und einigen eingängigen
Anekdoten aus ihrer eigenen Tätigkeit als Professorin für
Mathematik, wo die Autorin sich vor allem mit den Mustern menschlichen
Verhaltens befasst. Aber zurück zum Titel: Jeder, und zwar
wirklich jeder, der eine einzige Stunde Programmieren lernen wollte,
der kennt das „Hello World“, das in winzigen Buchstaben
im Ausgabefeld einer x-beliebigen Konsole erscheint. Es war bereits
ein Lehrbeispiel in einem Programmier-Lehrbuch in den 70er Jahren
und hat bis heute seine Relevanz behalten. Deswegen ist der Titel
für Hannah Frys Buch sehr gut gewählt. Auf der einen Seite
zeigt es den Menschen, die sich bereits mit der Materie auskennen,
dass hier über grundlegende Fragen zum Thema beschrieben wird,
denn „Hello World“ steht immer ganz am Anfang. Für
die anderen Leserinnen und Leser stellt der Titel eine vorsichtige
Heranführung an das Thema dar. Tatsächlich richtet sich
das Buch nicht unbedingt an Expertinnen und Experten. Vielmehr erklärt
Hannah Fry in vielen einzelnen Beispielen aus sehr verschiedenen
Lebensbereichen wo Algorithmen bereits in unserem Leben sind. (Spoiler:
Quasi überall!) Und was sie an den unterschiedlichsten Stellen
tun.
Ob
wir wollen oder nicht, sehr vieles was wir tun, wird als Datensatz
benutzt um per Algorithmus ausgewertet zu werden und so Erkenntnisse
über Menschen zu gewinnen oder sogar über den Einzelnen,
der dann bestenfalls Kunde wird. Wer immer an seinem Handy das GPS-Signal
angeschaltet lässt, dessen Bewegungsprofil kann ausgewertet
werden auf die Frage hin: Wie weit wäre er oder sie bereit
zum Einkaufen zu fahren? Nutzt er oder sie den ÖPNV oder andere
Verkehrsmittel? Wo arbeitet er oder sie? All diese Beispiele können
dann genutzt werden um neue Kunden für Geschäfte zu gewinnen.
Wenn man die Daten von vielen Telefonen hätte, könnte
man herausfinden, ob die Straßenbahntakte angepasst werden
oder eine Ampelschaltung verändert werden müsste. Wie
immer, kann man jede Technik zum Guten oder Schlechten nutzen. So
ist es auch mit Algorithmen, sie sind immer nur so gut wie ihr Programmierer.
Wenn derjenige, der ihn programmiert oder geschaffen hat, einen
bestimmten Aspekt nicht bedenkt, so wird der Algorithmus es ganz
sicher nicht tun. Denn im Prinzip kann er lediglich mit den Regeln
und Daten arbeiten, die ihm zur Verfügung gestellt werden.
Hannah
Fry hat einige Beispiele, die sich als sehr interessant herausstellen.
Es ist dringend notwendig, dass bei der Entwicklung eines Algorithmus
interdisziplinär vorgegangen wird. Denn wer ein Programm zur
Erkennung von Krebs entwickeln möchte, sollte dies auch unter
Mithilfe von Medizinern tun. Denn diese können mit den Erkenntnissen
des Algorithmus Empfehlungen zum weiteren Vorgehen geben. Hier zeigt
sie ein Beispiel auf, in dem ein Algorithmus Mikrostrukturen fand,
die von Menschen nicht erkannt wurden. Aber auch in der Justiz oder
bei der Navigation sollte niemals blind einem Algorithmus vertraut
werden.
Denn so können Mensch und Maschine Hand
in Hand ein verbessertes Ergebnis erzielen, als wenn nur einer von
Beiden am Werk wäre. Es handelt bei „Hello World“
um ein Buch, das viele Probleme und Chancen erläutert, die
in Bezug auf Algorithmen auftauchen. Allerdings erwähnt die
Autorin vor allem Dinge, die uns im alltäglichen Leben begegnen
(könnten). Aber es gibt noch mehr Bereiche, in denen sie teilweise
auch schon eingesetzt werden. Wenn man an den Einsatz im Militär
denkt, wird man sehr schnell an einen Punkt kommen, an dem es um
die automatisierte Entscheidung über Leben und Tod geht. Das
ist nicht wirklich beruhigend, denn ein Algorithmus hat keine Moral.
Welche Bedingungen für den Einsatz von beispielsweise Drohnen
gesetzt werden, hängt dann davon ab, wie eine Gesellschaft
oder sogar einzelne Personen eingestellt sind. Diesen Aspekt hätte
man noch ausführlicher beleuchten können, aber Hannah
Fry fokussiert sich in ihrem Buch auf die Themen, die uns im Alltag
näher sind.
Hannah Fry –
HELLO WORLD
dtv Verlagsgesellschaft | Taschenbuch:
272 Seiten | 13. März 2020
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