Nach
der Französischen Revolution und dem Ende der Ära Napoleons
1815 wurden die alten Machtverhältnisse wiederhergestellt.
Aus Angst vor den fortwirkenden freiheitlichen Ideen der Revolution
etablierten die Herrschenden Europas ausgefeilte Polizeisysteme
gegen reale und häufig imaginäre Staatsfeinde. Doch letztlich
brachen sich die Freiheitsbewegungen in den Revolutionen von 1830
in Frankreich und 1848/49 in Deutschland Bahn. Anschaulich und mitreißend
erzählt Adam Zamoyski die Geschichte Europas in dieser Zeit…
Adam Zamoyski präsentiert mit „Phantome
des Terrors“, das nun als Taschenbuch erscheint, eine differenzierte
Betrachtung und Analyse einer wichtigen Epoche der europäischen
Geschichte. Einer Epoche, die bis auf den heutigen Tag nachwirkt
und das Leben von vielen Menschen beeinflusst. Es ist die Geschichte
von „Mächtigen“, die ihre Macht bedroht sehen und
vom „Volk“, welches Sehnsucht nach Freiheit verspürt
und diese Freiheit umsetzen möchte. Dieses zeitlose Narrativ
der Menschheitsgeschichte wird exemplarisch anhand der Ereignisse
nach der französischen Revolution erklärt und in einen
aktuellen gesellschaftspolitischen Gesamtzusammenhang gestellt.
Die französische Revolution ist in vielerlei Hinsicht der „Ground
Zero“ der jüngeren Geschichte. Eine heilige Ordnung,
die für die Ewigkeit konstruiert schien, zerbrach über
Nacht, der Nationalstaat betrat das Licht der Weltbühne und
eine Schockwelle ging durch die Welt, deren Nachwirkungen bis in
die heutige Zeit spürbar sind. Nach der französischen
Revolution und nach dem Sieg Europas über Napoleon war die
Welt nicht mehr die Gleiche. Könige und Königinnen, die
nahezu unantastbar schienen, konnten einfach so vom „Volk“
hingerichtet werden. Die Mächtigen beschlich ein Gefühl
der Angst und daraus entwickelte sich eine starke Paranoia, die
dazu führte, dass Geheimdienste, eine starke Polizei, Zensur
und ein ständiges Misstrauen gegenüber dem „Volk“
entstand. Dieses Klima beschreibt das Buch sehr plastisch und leitet
detailliert her, wie zwischen 1789 bis 1848 diese Begriffe immer
mehr das Denken von „Mächtigen“ und „Volk“
bestimmten. Doch diese repressiven Maßnahmen schüren
nur den Freiheitswillen und verhindern keineswegs Revolutionen,
sondern beschleunigen sie. Revolutionsversuche, die dann blutig
niedergeschlagen werden und zu einer weiteren Spirale von Überwachung,
Gewalt und Zensur führen, die bis in die heutige Zeit andauert.
Adam Zamoyski erweist sich als ein akribischer Meister der Fakten.
Auf 624 Seiten beschreibt er ausführlich
diese Zeit, beleuchtet alle Seiten und spart nicht mit empirischen
Daten. Seine Kernaussage in „Phantome des Terrors“ ist,
dass die „Mächtigen“ die revolutionäre Panik
zu einem großen Teil selber schüren. Es entsteht ein
Sicherheitsapparat, der nicht dafür zurückschreckt Gefahren
zu konstruieren und zu schüren, um selber seinen Einfluss nicht
zu verlieren und auszubauen. Kontrolle und Einschränkungen
persönlicher Freiheiten als Selbstzweck, als bloßes Mittel
zum Machterhalt. Wenn der Autor schließlich Parallelen zur
Gegenwart aufzeigt, entwickelt das Buch eine große gesellschaftspolitische
Brisanz und Relevanz. Es ist erschreckend, wie sehr sich die im
Buch beschriebene Periode und unsere heutige Zeit ähneln. Sie
gleichen sich insofern, dass weitgehend alle zur Verfügung
stehenden Mittel ausgeschöpft werden, um den Status Quo der
„Mächtigen“ zu bewahren und „Sicherheit“
herzustellen. Doch was bedeutet sich „Sicherheit“ eigentlich?
Auch auf diese Frage geht das Buch ausführlich ein und leitet
den Begriff historisch her. Vor 150 Jahren definierte der russische
Zar Alexander I. „Sicherheit“ als einen „Kampf
gegen das Böse“. Eine Formulierung, die man in der heutigen
Zeit eher mit einem ehemaligen US-Präsidenten verbinden würde.
Adam Zamoyski zeigt aber auch auf, dass die „Mächtigen“
nicht nur Überwachung und Zensur als Mittel zur Bewahrung von
„Sicherheit“ bis in die heutige Zeit ansehen, sondern
es auch stets einen starken Reformwillen gab. Dieser wurde jedoch
in der Regel durch Paranoia und Angst marginalisiert und verlief
häufig im Nichts. Die genauen Mechanismen, wie das geschah
und mit welchen Mitteln legt dieses Buch sehr anschaulich dar. Ebenso
werden die Folgen diese Repression verständlich dargestellt.
In dieser Zeit fand die massive Einmischung des Staates in das Privatleben
seinen Anfang. In der Folge entstand ein mächtiger Sicherheitsapparat
aus Beamten und Polizisten, ein „Deep State“, der unabhängig
von wechselnden Regierungen und politischen Strömungen seine
Macht zu erhalten versucht, ein „Sicherheitsapparat“,
der von Feinbildern lebt und von der Angst im „Volk“
vor Terror und Instabilität. „Phantome des Terrors“
ist ein wichtiges Buch, weil es die Entstehung dieser Strukturen
beschreibt und erklärt und damit unsere heutige Zeit ein verständlicher
macht.
Adam
Zamoyski | Phantome des Terrors: Die Angst vor der Revolution
und die Unterdrückung der Freiheit, 1789-1848 | dtv
Verlagsgesellschaft