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Startseite > Gesellschaft > Diskussion | 11.04.2018

DISKUSSION
Die Tyrannei des Wachstums

Seit Dekaden hören wir, Entwicklung hilft: Die südlichen Länder der Welt schließen zum reichen Norden auf, die Armut hat sich in den vergangenen 30 Jahren halbiert, bis zum Jahr 2030 ist sie verschwunden. Das ist eine tröstliche Geschichte, die von Politik und Wirtschaft gerne bestätigt wird. Aber sie ist nicht wahr. In Wirklichkeit hat sich die Einkommenslücke zwischen Nord und Süd seit 1960 verdreifacht, 60 Prozent der Weltbevölkerung verdienen weniger als 4,20 Euro am Tag.

von Richard-Heinrich Tarenz


© dtv Verlagsgesellschaft

Armut ist kein Naturphänomen, sie wird gemacht. In seinem Buch „Die Tyrannei des Wachstums“ geht Jason Hickel genau diesen Fragen auf den Grund, die für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation wie wir sie kennen von entscheidender Bedeutung ist. Jason Hickel ist Anthroploge und lehrt an der London School of Economics und ist glänzender Kenner der Materie. Er hinterfragt die vorherrschende Wachstumsideologie und zeigt auf, dass Armut ein politisches Problem ist, das von Industriestaaten gemacht wird. Deshalb kann Armut auch durch politische Lösungen abgeschafft werden. Voraussetzung ist eine Revolution im Denken.

Die wahre Ursache ist seiner Ansicht nach eine neue Art von Kolonialismus, ein Kolonialismus, der auf Anhieb gar nicht zu erkennen ist, zunächst sogar als hilfreich betrachtet werden kann. Das ist die internationale Schuldenpolitik, deren Drahtzieher mächtige Länder und mächtige Institutionen sind und von der sehr viele mächtig profitieren, nicht zuletzt die Banken. Jason Hickel versteht es sehr gut, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen und Querverbindungen aufzuzeigen. Dieses Buch strotzt nur so von Zahlen, Daten und Fakten, die viele Leserinnen und Leser erstaunen und verwundern werden. Zugleich ist dieses Buch spannender als jede Kriminalgeschichte. Man mag „Die Tyrannei des Wachstums“ gar nicht mehr aus den Händen legen und wird magisch in den Sachverhalt hineingesogen. Liebgewonnen, weil bequeme Weltbilder werden demaskiert und entlarvt. Das ist bisweilen schmerzlich und tut weh. Aber Jason Hickel belässt es in seinem Buch nicht bei einer Analyse der gegenwärtigen Zustände und ihrer Entstehung.

Er beschreibt klar Lösungsansätze für eine gerechtere Welt. Armut, Hunger und Verschuldung der südlichen Länder sind keine Naturphänomene, sondern basieren auf politischen Entscheidungen, hinter denen knallharrte wirtschaftliche und finanzielle Interessen stehen. Nur wenn die Ausbeutung der armen Länder beendet wird, werden wir selbst eine Zukunft haben. Das ist die simple und zugleich revolutionäre These dieses Buches. Ein Buch, das bereits eine weltweite Diskussion angestoßen hat und dringend zur Lektüre empfohlen wird. Menge. Was kann man mehr von einem Buch verlangen!


Jason Hickel | DIE TYRANNEI DES WACHSTUMS | dtv Sachbuch

 

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