Proteste
und Demonstrationen erschüttern das Land. Diese Entwicklung
hat tiefe Wurzeln in der Vergangenheit, die Polen den Verlust der
Souveränität und jahrhundertelange Unterdrückung
brachte. So stehen ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Fremden
und eine diffuse Furcht vor Benachteiligung gegen liberale Offenheit
und Freiheitssinn. Die traditionell konservative katholische Kirche
hat wieder großen Einfluss. Und weit verbreitet ist das Bedürfnis,
alles daran zu setzen, sich ja nicht wieder von den Nachbarn aus
Ost oder West unterbuttern zu lassen.
Die
Autorin Marta Kijowska ist sehr gut geeignet und qualifiziert, um
über dieses schwierige Thema zu schreiben. Die gebürtige
Polin, die seit langem im Deutschland lebt, besucht regelmäßig
ihre Heimat
und kennt sich bestens aus in der wechselhaften Geschichte beider
Länder. Obwohl Polen ein direkter Nachbar Deutschlands ist,
wissen die Menschen hierzulange nur wenig über dieses Land,
obwohl es eine jahrhundertelange Beziehung beider Völker gibt.
Was im Westen mit Frankreich gelungen ist, eine Aussöhnung
ehemals verfeindeter Nationen, ist auch nach mehr als 25 Jahren
nach Beendigung des Ost-West-Konfliktes mehr Ziel als Realität.
Aus diesen Gründen ist dieses Buch ein wichtiger Diskussionsbeitrag
und eine interessante Informationsquelle. Das Selbstverständnis
und das Selbstwertgefühl der Polen sind maßgeblich durch
die Geschichte bestimmt.
Daher beschäftigen sich
die ersten drei Kapitel des Buches genau mit diesen Themen. Ebenso
kommt das wechselhafte Verhältnis Polens zu seinen beiden Nachbarn
Deutschland und Russland ausführlich zur Sprache. Nur wenn
man sich mit der Geschichte Polens beschäftigt, kann man die
jetzige politische Lage des Landes verstehen. Daher sollte dieses
Buch Pflichtlektüre für alle Zeitgenossen sein, die sich
dazu berufen fühlen, vorschnell über die Regierung in
Warschau und die Menschen in Polen zu urteilen. Die Autorin versteht
es sehr gut, komplexe Sachverhalte in leicht verständlichen
Worten zu beschreiben, ohne zu vereinfachen. Beeindruckend ist die
große Bandbreite an Themen und die zahlreichen Fakten, die
für den normalen Leser weitgehend unbekannt sind und Interesse
für Land und Leute wecken. „Was ist mit den Polen los?“
ist ein lesenswertes Buch mit einem Fazit, dass den Leser hoffnungsvoll
in die Zukunft blicken lässt.
Marta Kijowska
| Was ist mit den Polen los?: Porträt einer widersprüchlichen
Nation | dtv Verlagsgesellschaft