Kein
Frieden ohne Russland
Das politische Vertrauen zwischen Russland und dem Westen ist nahezu
zerstört. Ein gefährlicher Rüstungswettlauf hat begonnen.
Gewalt gehört nach dem Ende des Kalten Krieges keineswegs der
Vergangenheit an, die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien und heute
in der Ukraine sind alarmierende Beispiele. Gerät der sich
zuspitzende Ost-West-Konflikt außer Kontrolle Matthias Platzeck,
den russischen Menschen und ihrem Land seit jeher verbunden, fordert
nichts weniger als eine neue Ostpolitik: Wieder geht es darum, »Gräben
zu überwinden, nicht zu vertiefen« (Willy Brandt). Denn
ohne oder gegen Russland wird dieser Kontinent den Europäern
kein friedliches Zuhause sein.
Im Bereich der Sachbücher ist es nicht alltäglich und
schon gar nicht selbstverständlich, wenn ein Buch sowohl große
Lesefreude als auch persönlichen Informationsgewinn beinhaltet.
Das sich beide Sachverhalte in dem vorliegenden Buch von Matthias
Platzeck, seines Zeichens ehemaliger SPD-Vorsitzender und ehemaliger
Ministerpräsident von Brandenburg, erfüllen, spricht sowohl
für den Autor als auch für eine Empfehlung, sich mit diesem
256 Seiten ernsthaft auseinanderzusetzen. Matthias Platzeck versteht
es sehr gut zwischen persönlichen Erfahrungen, Meinung und
Fakten zu unterscheiden und das auch für die Leserinnen und
Leser deutlich zu machen. Geht es um doch in diesem Buch um die
wichtige Frage, warum 30 Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes
der Frieden in Europa fragiler ist denn je. Was dieses Buch so interessant
macht ist der Umstand, dass hier keine simplen Schuldzuweisungen
betrieben werden. Was ist nur aus den Träumen von einem gemeinsamen
Haus Europa geworden, die nach 1989/1990 so allgegenwärtig
und greifbar waren?
Indem
sich der Autor nicht an Schuldzuweisungen beteiligt, hat er den
Blick frei für mögliche Lösungsansätze, um aus
dieser verfahrenen und gefährlichen Situation herauszukommen.
Er zeigt, wie man Lösungen finden kann, welche die Interessen
Russlands berücksichtigen. Ein wahrer Frieden ist immer ein
gerechter Frieden, der die Interessen aller Beteiligten würdigt
und berücksichtigt. Doch dafür muss man erst einmal die
Denkweise Russlands und damit seiner politischen, kulturellen und
geistigen Eliten verstehen und nachvollziehen. Matthias Platzeck
bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Entspannungspolitik
von Willy Brandt und Egon Bahr in den 1970er Jahren. Das Buch ist
engagiertes Plädoyer für mehr Weitsicht in der Diplomatie
und Einfühlungsvermögen in die Denkweise Russlands. Eine
neue Ostpolitik ist demnach nicht nur eine Frage der Inhalte, sondern
vor allen Dingen eine Frage des respektvollen Umgangs. Wir brauchen
diese neue Ostpolitik dringender denn je. Dieses Buch kann hoffentlich
das Bewusstsein dafür schärfen und helfen Russland besser
zu verstehen.