Startseite > Kultur > Literatur | 19.02.2020

LITERATUR
Eine fast perfekte Welt

Als Ester noch in Genua lebte, sehnte sie sich nach Sardinien zurück. Nach der wilden, steinigen Landschaft und dem ursprünglichen Leben im Dorf. Nun ist sie zurück in ihrer Heimat, doch die Sehnsucht ist geblieben. Ihrer Tochter Felicita soll es da besser ergehen – und tatsächlich findet sie ihr Glück. Im bunten Hafenviertel von Cagliari fertigt sie Schmuck aus Weggeworfenen und zieht ihren Sohn Gregorio groß – dem das Leben seiner Mutter bald zu eng wird.

von Richard-Heinrich Tarenz

Wie wird man glücklich in einer Welt, die nicht perfekt ist?

Mit „Eine fast perfekte Welt“ hat die italienische Schriftstellerin Milena Agus einen packenden Roman geschrieben, der sich über drei Generationen erstreckt und das bewegende Schicksal einer sardischen Familie in den Fokus der Erzählungen rückt. Es geht um große Träume in einer kargen Umgebung, die für Menschen keine Gnade zu kennen scheint. Das sardische Dorf, in dem die Handlung spielt ist umgeben von einer wunderschönen aber zugleich gnadenlosen Natur. Wie die Natur, so die Menschen. In diesem Buch geht es vordergründig um das Streben nach mehr Glück im Leben, nach einem besseren Leben für sich und die Familie.

Es geht um die Flucht aus den familiären Strukturen, die so eng sind, dass sie einem die Luft abzuschnüren drohen. Eine Umgebung, in welcher eine persönliche Entfaltung unmöglich scheint. Die Fremde als Sehnsuchtsort und Projektionsfläche für Sehnsüchte und Begierden. Milena Agus entfaltet das Panoptikum menschlicher Emotionen: Sehnsüchte, Hoffnung, Wünsche und Träume, aber auch um Enttäuschungen, unerfüllte Liebe und ums Hadern mit dem eigenen Schicksal. Es ist die alte Geschichte von Eltern, die sich für ihre Kinder ein besseres Leben wünsch und dafür auch durch die Hölle gehen. Handwerklich ist „Eine fast perfekte Welt“ flüssig geschrieben und zeichnet sich durch eine überzeugende Figurenzeichnung aus.

Die Spannungsbögen sind auf den Punkt genau verfasst und sorgen für ein starkes emotionales Engagement. Das Buch ist ein wortgewaltiges Plädoyer für das Streben nach Glück und den Kampf für seine Träume. Es ist ein Buch, das starke Frauen in den Mittelpunkt rückt, die sich allen Widerständen zum, Trotz ihren Anteil am Glück erkämpfen und dem Schicksal trotzen. Zugleich macht das Buch deutlich, dass Scheitern genauso zum Leben gehört wie der Triumph. So zeigt sich wahre Größe auch in der Niederlage, die es gilt mit Würde zu meistern.


Milena Agus | Eine fast perfekte Welt | dtv Verlagsgesellschaft

 

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