Startseite > Kultur > Literatur | 15.01.2020

LITERATUR
Sophies Tagebuch

Berlin zur Zeit des Mauerfalls: Erika zur Linde erfährt, dass ihr Vater Ulrich sich überraschend an seinem Schreibtisch erschossen hat. Als sie in seinem Nachlass stöbert, fällt ihr das Tagebuch ihrer Mutter Sophie in die Hände.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Rowohlt Taschenbuch

Berlin zur Zeit des Mauerfalls: Erika zur Linde erfährt, dass ihr Vater Ulrich sich überraschend an seinem Schreibtisch erschossen hat. Als sie in seinem Nachlass stöbert, fällt ihr das Tagebuch ihrer Mutter Sophie in die Hände. Gebannt fängt sie an zu lesen und stößt dabei auf einen gewissen Felix Auerbach: einen blonden, attraktiven Juden und Schulfreund ihres Vaters. Während Ulrich als Offizier in den Krieg musste, hielt Sophie Auerbach bei sich versteckt, dabei geriet die Welt der regimetreuen Neunzehnjährigen ins Wanken - in mehr als einer Beziehung. Was Erika bei ihren Nachforschungen erfährt, bringt alles in Gefahr: ihr Erbe, den Ruf ihres Vaters und nicht zuletzt ihre eigene Identität.

„Sophies Tagebuch“ spielt in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Einer Zeit, über die bereits viel geschrieben wurde und die trotzdem immer noch die Menschen bewegt und in ihn ihren Bann zieht. Daraus konstituiert sich eine Grundneugierde in Bezug auf dieses Buch, die bei der Lektüre nicht enttäuscht wird. Dabei entführt dieses Buch den Leser nicht nur in die Zeit des Zweiten Weltkrieges, sondern agiert auf zwei Zeitebenen und spielt außerdem zur Zeit des Berliner Mauerfalls. Zwei bedeutende Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte bilden das erzählerische Rückgrat dieser spannenden Geschichte. Der Einstieg in das Buch gelingt problemlos, was am spannenden Inhalt liegt, der sich flüssig liest. Nicolas Remin ist bekannt für seinen direkten und schnörkellosen Schreibstil, der sich auch in „Sophies Tagebuch“ widerspiegelt. Jedes Wort in diesem Roman scheint sorgfältig gewählt und voller Bedeutung. Der beschreibende Schreibstil ist atmosphärisch so dicht, dass man das Gefühl hat, direkt bei den beschriebenen Ereignissen dabei zu sein.

Durch den Umstand, dass es sich um ein Tagebuch handelt, wenn es um die Zeit des Zweiten Weltkriegs geht, hat man einen direkten emotionalen Zugang zu einer Sophie, die jung und naiv erscheint und nicht wirklich versteht, was da um sie herum passiert. Dazu der Kontrast der Ereignisse im Jahre 1989. Zusammen entsteht so ein machtvolles Porträt in den Wirrungen ihrer Zeit. Zugleich ist es die Auseinandersetzung und Spurensuche einer Frau mit ihrer Mutter. Die Vergangenheit wird in den Worten des Tagebuchs lebendig und greifbar. Es sind diese unterschiedlichen Perspektiven, welche diesen Roman so interessant und besonders machen. So lernt man nach und nach wichtige Dinge über verschiedene Charaktere, wobei das simple Gut/Böse - Schema schnell an Bedeutung verliert. Diese Menschen sind voller Emotionen, Abgründen und lassen sich nicht so einfach fassen. „Sophies Tagebuch“ ist interessant und spannend. Man versinkt sehr schnell in die Handlung und findet auch beim zweiten Durchlauf immer wieder neue interessante Aspekte und Details. Das Buch ist ein gelungener Familienroman, der sich auf verschiedenen Zeitebenen bewegt und zu keinem Zeitpunkt langweilig ist.


Nicolas Remin | Sophies Tagebuch| Rowohlt Taschenbuch

 

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